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Berlin: (hib/ROL) Seit längerem gibt es in Deutschland eine Diskussion zum Spannungsfeld zwischen wissenschaftlicher Freiheit und Verantwortung. In nahezu allen Wissenschaftsgebieten bestehe die Gefahr, dass nützliche Forschungsergebnisse auch zu schädlichen Zwecken missbraucht werden können. Darin waren sich alle Experten einig, die am Mittwochvormittag beim öffentlichen Fachgespräch zum Thema "Wissenschaftliche Verantwortung" auf Einladung des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung im Berliner Paul-Löbe-Haus diskutierten.
Professor Stephan Becker, Direktor des Instituts für Virologie der Philipps-Universität Marburg unterstützte in seinem Statement unter anderem die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina erhobene Forderung nach der Einrichtung von lokalen Kommissionen an verschiedenen Forschungsinstituten, die sich mit dem Thema Ethik in der Forschung beschäftigen sollen.
Wolf-Michael Catenhusen, Staatssekretär a. D. und stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Ethikrates, begrüßte, dass das Thema Ethik und Verantwortung in den Wissenschaften nun breit diskutiert werde. Das sei vor dreißig Jahren keineswegs so gewesen. Er schlug die Einrichtung einer Dual Use Research of Concern (DURC) Kommission vor, also einer Kommission, die auf gesetzlicher Grundlage einzelne besonders sicherheitsrelevanter Forschungsvorhaben bewertet.
Professor Jörg Hacker, Präsident der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina - Nationale Akademie der Wissenschaften machte deutlich, dass die Dual-Use-Problematik kein spezifisches Phänomen der Lebenswissenschaften sei, sondern nahezu alle Wissenschaftsbereiche betreffe. Auch er warb für die flächendeckenden Kommissionen.
Professor Christian Kreiß, Lehrstuhl für Finanzierung und Wirtschaftspolitik, Hochschule für Wirtschaft und Technik Aalen ging auf die Vernetzung von Geldinteressen und wissenschaftlicher Verantwortung ein. Die aktuelle VW-Affäre zur Manipulation wissenschaftlicher Daten zeige, was geschehen könne, wenn in den Forschungs- und Entwicklungsabteilungen von Großunternehmen bei den wissenschaftlichen Ergebnissen Interessenkonflikte zwischen Wahrheit und Gewinn auftreten. Er forderte untern anderem eine stärkere Grundfinanzierung, um Einflüsse aus der Industrie, die oft lediglich profitorientiert seien, besser begegnen zu können.
Professor Thomas C. Mettenleiter, Präsident des Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) unterstrich, dass letztlich vor allem der einzelne Wissenschaftler die Verantwortung für seine Experimente trage. Dieser müsse aber in der Ausbildung besser darauf vorbereitet und sensibilisiert werden als bisher.
Priv. Doz. Dr med. Lars Schaade, Vizepräsident des Robert-Koch-Instituts (RKI) Leiter des RKI-Zentrums für Biologische Gefahren und Spezielle Pathogene, betonte, dass man die Entscheidung, ob man risikobehaftete Forschung betreiben solle, letztlich nur am Einzelfall entscheiden könnte. Auch wenn er die Einrichtung eines Gremiums zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung unterstütze, unterstrich er auch, dass eine rechtssichere Regelung in Gestalt einer Aufzählung sämtlicher grundsätzlich mit Risiken durch Missbrauch behafteten Wissenschaftsbereiche unüberschaubar komplex und kaum umsetzbar wäre.
Diese Haltung unterstrich in gewisser Weise auch Professor Jochen Taupitz, Geschäftsführender Direktor Institut für Deutsches, Europäisches und Internationales Medizinrecht, Gesundheitsrecht und Bioethik (IMGB) der Universitäten Heidelberg und Mannheim. Der Gesetzgeber sei im Bereich der Biosecurity, wo es vor allem um Terrorismusbekämpfung gehe, überfordert alles gesetzgeberisch zu formulieren und empfahl deshalb vielmehr, den in der Wissenschaft begonnen Prozess zunächst zu beobachten und nach vier Jahren einer Evaluation zu unterziehen.
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