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Berlin: (hib/PST) Der 2. Untersuchungsausschuss stößt beim Versuch, die Informationsflüsse im Zusammenhang mit den Kinderporno-Ermittlungen gegen den einstigen SPD-Abgeordneten Sebastian Edathy aufzuklären, auf immer neue Ungereimtheiten. Das betrifft sowohl die Vorgänge in der niedersächsischen Justiz, zu denen am Donnerstag zwei Zeugen aussagten, als auch die Bundespolitik, zu der die Erste Parlamentarische Geschäftsführerin (1. PGF) der SPD-Bundestagsfraktion, Christine Lambrecht, sowie in nichtöffentlicher Sitzung der Büroleiter von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann gehört wurde.
Bereits am Mittwochabend hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) ausgesagt, ihn habe der SPD-Abgeordnete Michael Hartmann am 10. Februar 2014 gegen 18 Uhr über die gerade erfolgte Durchsuchung der Wohn- und Büroräume Edathys in Niedersachsen informiert. Zu diesem Zeitpunkt war darüber noch nichts in der Öffentlichkeit bekannt. Am Donnerstagmorgen erhielt der 2. Untersuchungsausschuss vom Rechtsanwalt Hartmanns die Kopie eines Schreibens an die Berliner Staatsanwaltschaft, die Vorermittlungen wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat durch Hartmann führt. Darin schreibt der Anwalt, Hartmann habe am Rande der am 10. Februar 2014 um 16 Uhr tagenden Sitzung des erweiterten Fraktionsvorstands der SPD von der Durchsuchung erfahren. Er vermute, dass die Information aus der niedersächsischen SPD stammte, da auch ein Wahlkreisbüro Edathys durchsucht worden war.
Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses fragten nun Lambrecht, ob sie dort auch diese Information bekommen habe. Lambrecht antwortete, sie habe ein wichtiges Projekt für die neue Legislaturperiode vorgestellt und nichts von Gesprächen am Rande mitbekommen. Erst später sei sie vom Pressesprecher der Fraktion über die Durchsuchung informiert worden. Ausschussmitglieder mehrerer Fraktionen ließen in ihren Fragen Zweifel erkennen, ob es Lambrecht entgangen sein könnte, wenn auf der Sitzung eine solche Information kursiert hätte. Aufgrund früherer Zeugenaussagen halten sie es für nahezu sicher, dass Hartmann eine andere Quelle hatte, die ihn über Schritte der niedersächsischen Ermittler informierte.
Lambrecht berichtete dem Ausschuss, sie habe einen oder zwei Tage nach ihrer Wahl zur 1. PGF am 16. Dezember 2013 vom neuen SPD-Fraktionsvorsitzenden Thomas Oppermann unter dem Siegel der Vertraulichkeit erfahren, dass im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen einen kanadischen Kinderporno-Vertrieb der Name Sebastian Edathy aufgetaucht sei. Zwar sei das von Edathy bestellte Material nicht strafbar, es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass es dennoch zu einem Verfahren kommt, habe Oppermann ihr erläutert. Die Information sei über den damaligen Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) an SPD-Chef Sigmar Gabriel und weiter an den damaligen SPD-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier und an ihn gelangt. Weiterhin habe Oppermann berichtet, dass der damalige innenpolitische Sprecher Michael Hartmann ihn auf den schlechten Gesundheitszustand Edathys angesprochen habe und er Hartmann daraufhin beauftragt habe, sich um Edathy zu kümmern. Auf Nachfrage sagte Lambrecht, für sie sei aus dem Zusammenhang klar gewesen, dass Oppermann Hartmann keinen Hinweis auf den Verdacht gegen Edathy gegeben hat. Oppermann selbst soll am Donnerstag, 18. Juni, vom 2. Untersuchungsausschuss gehört werden, ebenso wie Friedrich, Gabriel und Steinmeier.
Der 2. Untersuchungsausschuss vernahm am Donnerstag außerdem Generalstaatsanwalt Frank Lüttig aus Celle. Er hat die Dienstaufsicht über die Staatsanwaltschaft Hannover, welche gegen Edathy ermittelt hatte. Wie schon die früher vernommenen Hannoveraner Staatsanwälte rechtfertigte Lüttig die dreimonatige Dauer des Ermittlungsverfahrens damit, dass man wegen der dünnen Verdachtslage nicht vorschnell durchsuchen wollte, zumal dies angesichts der Prominenz Edathys leicht öffentlich werden und damit zur Vernichtung seiner Existenz hätte führen können. Man habe aber auch nicht, wie einige andere Staatsanwaltschaften bei vergleichbarer Verdachtslage, das Verfahren kurzerhand einstellen wollen. Deshalb habe man sich zu einer sorgfältigen Prüfung des Anfangsverdachts entschlossen.
Für große Überraschung sorgte die Aussage Lüttigs, er sei sich ziemlich sicher, dass er kurz nach Erhalt der Ermittlungsakte Edathy am 31. Oktober 2013 den zuständigen Referatsleiter im niedersächsischen Justizministerium, Thomas Hackner, unterrichtet hat. Hackner habe dann angekündigt, den Staatssekretär zu informieren. Allerdings habe er nur einen Vermerk über ein zweites Gespräch mit Hackner am 28. Januar 2014, nachdem der Entschluss zur Durchsuchung gefallen war. Er habe angeboten, zu einem Vortrag ins Ministerium zu kommen, was bei derartigen Verfahren üblich sei, aber zu seiner Überraschung habe Hackner das abgelehnt. In einem späteren Stadium des Verfahrens habe er dann festgestellt, dass es mehrere direkte Gespräche zwischen dem Leiter der Staatsanwaltschaft Hannover, Jörg Fröhlich, und dem damaligen Staatssekretär im Justizministerium, Wolfgang Scheibel, gegeben habe, zu denen er nicht hinzugezogen und auch nicht darüber informiert worden sei. Auch von der Pressekonferenz am 14. Februar 2014 über das Verfahren gegen Edathy habe er erst nichts gewusst. Man habe ihn bewusst heraushalten wollen, sagte Lüttig und deutete parteipolitische Motive an.
Mit den Aussagen Lüttigs konfrontiert, zeigte sich die Niedersächsische Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz (Bündnis 90/Die Grünen) überrascht. Wenn es zutreffen sollte, dass Lüttig bereits Anfang November ihr Haus informiert hat, „würde mich das auch menschlich erschüttern“, denn sie habe davon nie erfahren, sagte Niewisch-Lennartz. Sie habe erst am 29. Januar 2014 Kenntnis von dem Verfahren gegen Edathy bekommen und immer angegeben, unter anderem mehrfach vor dem Landtag in Hannover, dass das Justizministerium keine frühere Kenntnis gehabt habe. Einige Ausschussmitglieder überlegen nun, Hackner und Scheibel als zusätzliche Zeugen vor den Ausschuss zu laden. Vorhaltungen, niedersächsische Behörden könnten aus politischen Gründen die Ermittlungen gegen Edathy verschleppt haben, wies Niewisch-Lennartz zurück. Dafür gebe es „nicht den geringsten Anhaltspunkt“, erklärte sie.
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