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Für Verwirrung sorgte in der jüngsten Sitzung des 3. Untersuchungsausschusses (Terrorgruppe NSU II) am Donnerstag, 25. Februar 2016, unter Vorsitz von Clemens Binninger (CDU/CSU) die Aussage eines Zeugen, der in dem Zwickauer Wohnhaus des rechtsradikalen Terror-Trios Aufgaben eines Hausmeisters übernommen hatte. Lutz Winkler gab an, nie die Mobilnummer von Beate Zschäpe gehabt zu haben, obwohl er laut Ermittlungsakten derjenige gewesen sein soll, der diese Nummer am Nachmittag des 4. November 2011 der Polizei gegeben hat.
Verschiedene Polizeibeamte versuchten damals mehr als ein Dutzend Mal ohne Erfolg, Zschäpe auf ihrem Handy zu erreichen. Sie wurde an diesem Nachmittag noch als Zeugin zu der Explosion und dem Wohnungsbrand in der Frühlingsstraße 26 gesucht, die nach heutigem Erkenntnisstand von ihr selbst ausgelöst worden waren. Wenige Stunden zuvor hatten sich ihre beiden mutmaßlichen Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Eisenach das Leben genommen und waren damit einer Festnahme durch die Polizei zuvorgekommen.
Der damalige Hausmeister, der seine Wohnung in der Frühlingsstraße durch den Brand und die Explosion vom 4. November 2011 verloren hat, konnte sich vor dem Ausschuss an keine Besonderheiten bei Zschäpe und ihren beiden Komplizen erinnern. In einem Kellerraum, wo die Mieter des Hauses gelegentlich zusammensaßen, habe er auch kein Hitler-Bild auf dem Fernseher bemerkt, von dem andere Zeugen berichtet haben.
Zschäpe sei als Mieterin freundlich und unauffällig gewesen und ihre beiden Mitbewohner habe er nur sehr selten zu Gesicht bekommen. Ähnlich äußerte sich im Anschluss auch der damalige Verwalter des Wohnhauses Volkmar Escher.
In der Vernehmung des letzten Zeugen, Polizeirat Swen Philipp, die bis 21.30 Uhr dauerte, gingen der Ausschussvorsitzende Clemens Binninger (CDU/CSU) und einige Abgeordnete mit ihren Fragen der Vermutung nach, dass das Ende der Terrorgruppe im Herbst 2011 schon länger geplant gewesen sein könnte. Binninger verwies auf Aussagen, dass es in den Tagen vor dem 4. November 2011 einen heftigen Streit und auch eine "tränenreiche Abschiedsszene" zwischen Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos gegeben habe.
Auch soll sich Zschäpe in einem Tierheim wegen eines längeren Aufenthalts ihrer Katzen erkundigt haben. Zudem habe das Trio in der Woche vor dem 4. November auf den regelmäßigen wöchentlichen Waschgang verzichtet und auch den Briefkasten am 2. November nicht geleert. Philipp, der damals als Verbindungsmann zwischen der Zwickauer Polizei und dem Bundeskriminalamt (BKA) fungierte und mittlerweile eine Polizeischule in Sachsen leitet, konnte aber keine weitergehenden Hinweise in diese Richtung geben.
Keine Anzeichen sieht er auch dafür, dass es sich bei der Frau, die am Nachmittag kurz vor der Explosion die Wohnung in der Frühlingsstraße verließ, gar nicht um Zschäpe gehandelt habe. Philipp verwies unter anderem darauf, dass sich bei der einzigen Überlebenden des NSU-Trios Benzinspuren an den Socken fanden, als sie sich am 8. November 2011 nach einer tagelangen Irrfahrt durch Deutschland in Jena der Polizei stellte. Neben dem "klaren Motiv" sei das ein weiteres starkes Indiz dafür gewesen, dass Zschäpe die Explosion in ihrer Wohnung selbst herbeigeführt habe.
Zuvor hatten bereits zwei Ermittler aus Zwickau als Zeugen berichtet, dass sie Polizei in Zwickau schon am Vormittag des 4. November 2011 über den Banküberfall in Eisenach informiert worden ist, der zur Enttarnung der Terror-Trios führte. Hintergrund war offenbar, dass das angemietete Wohnmobil, in dem sich Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos nach ihrer Entdeckung durch die Polizei das Leben nahmen, ein Autokennzeichen aus dem Vogtlandkreis trug, der südwestlich von Zwickau liegt.
Als wenige Stunde nach der Meldung über den Banküberfall und die späteren Ereignisse in Eisenach die Wohnung des Terror-Trios an der Frühlingstraße in Zwickau explodierte und ausbrannte, hat man nach Auskunft der damaligen Ermittler zunächst noch keinen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen herstellen können.
Das änderte sich erst, als sich in der Nacht auf den 5. November ein Anwohner bei der Polizei meldete, der angab, dass er das fragliche Wohnmobil an den Tagen zuvor in der Frühlingstraße gesehen habe. Wie der aktive und der ehemalige Polizeibeamte vor dem Untersuchungsausschuss angaben, war die ausgebrannte Wohnung stark einsturzgefährdet, sodass in dem Brandschutt zunächst keine Ermittlungen vorgenommen werden konnten.
Als erster Zeuge sagte am Vormittag Polizeioberrat Alexander Beitz aus, der am 4. November als Leiter des Polizeireviers Zwickau die ersten Maßnahmen am Tatort in der Frühlingsstraße leitete. Die Funktion als Leiter des Polizeireviers hatte er erst wenige Tage zuvor übernommen. Beitz berichtete den Abgeordneten, dass das Handy von Beate Zschäpe am Nachmittag des 4. Novembers in einem Zwickauer Neubaugebiet geortet wurde.
Der Polizeibeamte wies darauf hin, dass sich in dem Gebiet Hunderte von Wohnungen befänden. Die mutmaßliche NSU-Terroristin, die zu diesem Zeitpunkt noch als Zeugin zu dem Wohnungsbrand gesucht wurde, sei daher trotz der Ortung ihres Handys nicht zu finden gewesen.
Zeugen hatten der Polizei zuvor berichtet, dass eine Frau mit langen dunklen Haaren das Haus kurz vor der Explosion verlassen und einen Korb mit zwei Katzen bei einer Nachbarin abgegeben habe.
Zschäpe wohnte damals unter dem Namen Susann Dienelt in dem Haus. Beitz versicherte den Abgeordneten, dass der Tatort bereits kurz nach der mutmaßlich von Zschäpe ausgelösten Explosion umfassend gesichert worden sei, so dass in der Folgezeit nur Berechtigte Zugang dazu hatten.
Im Anschluss sagte Kriminaldirektor a. D. Bernd Hoffmann aus, der damals die Kriminalpolizei in Zwickau leitete und die Verantwortung für die Ermittlungen trug, bis das Bundeskriminalamt wegen der Bedeutung am 11. November den Fall übernahm. Er schilderte den Ausschussmitgliedern, wie durch die Funde in dem Brandschutt die Dimension der Verbrechen nach und nach deutlich geworden sei.
So wurden dort neben zehn weiteren Schusswaffen auch die Pistole vom Modell Ceska gefunden, mit der zwischen 2000 und 2006 insgesamt neun Männer mit Migrationshintergrund erschossen worden waren. (rik/26.02.2016)