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Der Vorsitzende des 3. Untersuchungsausschusses "Terrorgruppe NSU II", Clemens Binninger (CDU/CSU), hat die Ermittlungen zum Mobiltelefon der mutmaßlichen NSU-Terroristin Beate Zschäpe kritisiert. In der Sitzung des Ausschusses am Donnerstag, 17. März 2016, sagte Binninger, er hätte es für erforderlich gehalten, auch die Inhaber jener Telefonnummern zu ermitteln, die der Polizei von den Anbietern nur unvollständig übermittelt worden waren. Kriminaloberkommissar Sascha Allendorf, der im Bundeskriminalamt (BKA) mit der Auswertung der Mobiltelefon-Daten von Zschäpe befasst war, wies als Zeuge die Kritik Binningers zurück. Der Aufwand für die Auswertung der Handynummern, die nur unvollständig vorgelegen hätten, wäre zu groß gewesen.
Nachdem vermutlich Zschäpe am Nachmittag des 4. November 2011 ihre gemeinsame Wohnung mit Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos in Zwickau in Brand gesetzt hatte, war ihre Handynummer von der Polizei in Erfahrung gebracht worden. Zur Überprüfung der Telefongespräche, die sie über ihr Handy geführt hatte, wurden in den folgenden Wochen die jeweiligen Provider kontaktiert.
Allendorf wies darauf hin, dass es damals keine gesetzliche Grundlage für eine Vorratsdatenspeicherung gab und die Verbindungsdaten von den Anbietern daher auf unterschiedliche Weise gespeichert worden waren. Von einigen Telefongesellschaften wurden der Polizei nur Nummern übermittelt, bei denen die letzten drei Stellen durch "x" ersetzt waren. Insgesamt handelte es sich um 42 Telefonnummern.
Nach Allendorfs Aussage wäre der Aufwand zu groß gewesen, die Inhaber dieser Nummern zu ermitteln, da man im Extremfall fast 42.000 Nummern hätte überprüfen müssen. Allein für die Überprüfung der 412 Rufnummern, die der Polizei vollständig vorlagen, habe man sechs Monate benötigt. Binninger ließ das nicht gelten, zumal einige der unvollständigen Nummern als Behördenanschlüsse erkennbar gewesen seien. Die übrigen Nummern hätte das BKA zumindest darauf überprüfen lassen sollen, ob polizeibekannte Rechtsextremisten zu den Inhabern gehörten.
Als weiterer Zeuge vom BKA wurde Kriminalhauptkommissar Achim Steiger gehört, der die Aufnahmen der vier Videokameras auswertetet hat, die von dem Trio in der Wohnung an der Zwickauer Frühlingsstraße installiert worden waren. Als Besucher seien dort drei mutmaßliche Unterstützer des NSU festgestellt worden: das Ehepaar Susann und André E. sowie Mathias D., der die Wohnung angemietet haben soll.
Als letzte Zeugin sagte schließlich Kriminaloberkommissarin Janett Arnhold aus. Sie hat bei den Ermittlungen die zahlreichen Zeitungsausschnitte zu den NSU-Verbrechen ausgewertet, die im Brandschutt in Zwickau gefunden wurden.
Nach ihren Angaben waren die Zeitungen, aus denen die Ausschnitte stammten, alle in Zwickau erhältlich, sodass zum Kauf der Blätter keine Unterstützer von außerhalb notwendig gewesen wären. Auf den Ausschnitten seien zahlreiche Fingerabdrücke von Beate Zschäpe zu finden gewesen.
Die Explosion und der anschließende Brand in der Wohnung an der Zwickauer Frühlingsstraße am 4. November 2011 waren nach Ansicht von Kriminaldirektor Frank Heimann, eines führenden Ermittlers des BKA, vorher von den drei mutmaßlichen NSU-Terroristen geplant worden.
Als erster Zeuge sagte Heimann, er halte es für plausibel, dass Uwe Böhnhardt, Uwe Mundlos und Beate Zschäpe für den Fall einer Entdeckung ein solches Vorgehen abgesprochen haben. Bevor die Wohnung am Nachmittag des 4. November 2011 mutmaßlich von Zschäpe in die Luft gesprengt wurde, hatten sich ihre beiden Komplizen in einem Wohnmobil in Eisenach das Leben genommen, um einer Festnahme durch die Polizei zuvorzukommen.
Heimann, der damals in der vom BKA gebildeten Sondereinheit den Abschnitt Zentrale Ermittlungen für den Fall leitete, versicherte gegenüber den Abgeordneten, dass man große Anstrengungen darauf verwandt habe, das Unterstützer-Umfeld aufzuklären. Dabei habe man nicht allgemein nach Rechtsextremisten an den Wohn- und Tatorten des Trios gesucht, sondern sei den Kontakten von Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in der rechtsradikalen Szene nachgegangen.
Er habe den Eindruck gewonnen, dass die mutmaßlichen Terroristen nach ihrem Untertauchen im Februar 1998 zunächst auf einen großen Unterstützerkreis zurückgreifen konnten. In den späteren Jahren hätten sie sich aber immer weiter abgeschottet. Grund dafür seien vermutlich die schweren Verbrechen gewesen, die sie mittlerweile begangen hatten. Als Beispiel für die zunehmende Abschottung des Trios führte Heimann an, dass Mundlos am Ende keinen gültigen Personalausweis mehr besaß, da sich offenbar kein Unterstützer dafür gefunden hatte.
Für Verwunderung sorgte unter den Abgeordneten, dass Zschäpe am 4. November 2011 auf ihrem Computer zahlreiche Internetseiten besucht hat, die keinerlei Bezug zu den Vorgängen in Eisenach hatten, von denen sie in der Zwischenzeit erfahren haben musste. Auf welche Weise das geschah, ist bis heute unbekannt. Von 11.34 Uhr bis 14.28 Uhr, also über fast drei Stunden lang, besuchte sie unter anderem Seiten von Greenpeace, des Diakonie-Zentrums Zwickau, einer Obdachlosenhilfe und verschiedener Lokalradios. Die letzte Seite, die sie vor dem Abschalten des Computers aufrief, trug den Titel "Fleisch von freilaufenden Tieren Zwickau". Wenig später führte sie die Explosion und den Brand in der Wohnung herbei.
Der Ermittler Heimann wies erneut darauf hin, dass man bis heute nicht wisse, nach welchen Kriterien der NSU die Tatorte und Opfer ausgesucht habe. Nach der Enttarnung des Trios hätten er selbst und seine Kollegen im BKA permanent über diese Fragen diskutiert und nachgedacht, "bis in die Mittagspause hinein und nachts unter der Dusche auch noch". Doch alle Ermittlungen und Überlegungen dazu hätten nicht zum Ziel geführt. (rik/17.03.2016)