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Der im Februar auf Antrag der Oppositionsfraktionen eingesetzte 4. Untersuchungsausschuss (Cum/Ex) kommt voran. Bislang hat das Gremium, das die Gestaltungsmodelle sogenannter Cum/Ex-Geschäfte untersucht und Ursachen sowie Verantwortlichkeiten auf den Grund gehen will, über 100 Beweisbeschlüsse gefasst und rund 50 Zeugen benannt. Davon wurden bis Ende Juni 16 befragt, zudem wurden 5 Sachverständige gehört.
Der Ausschussvorsitzende, Dr. Hans-Ulrich Krüger (SPD), ist zuversichtlich, bis Ende der Legislaturperiode zu einem Abschluss zu kommen. Nach vorläufiger Einschätzung zeichnet sich Krüger zufolge ab, dass Spezialisten in den Bankenverbänden bewusst Behörden und Ministerien über Gestaltungsmöglichkeiten, die von dem einen oder anderen Mitglied ausgenutzt worden seien, im Unklaren gelassen haben. Dabei wurden Aktien-Leerverkäufe um den Dividendenstichtag genutzt, um eine mehrfache Erstattung beziehungsweise Anrechnung von Kapitalertragsteuer zu erreichen, obwohl die Steuer nur einmal bezahlt wurde. „Ich glaube schon, dass man sagen kann, es ist nicht alles, was die Banken wussten, den zuständigen Stellen gesagt worden“, sagt Krüger im Interview vom Montag, 18. Juli 2016. „Da haben dann doch Marktgängigkeit, Kapitalmarktverträglichkeit, sprich Kostengründe eine sehr große Rolle gespielt.“ Das Interview im Wortlaut:
Herr Dr. Krüger, der Ausschuss stand im Februar vor einer „Herkulesaufgabe“. Sie haben von Instituten, Behörden und Verwaltungen Unmengen an Material angefordert, wie hat es das Gremium geschafft, sich da schnell einzuarbeiten?
Ja, das war tatsächlich eine “Herkulesaufgabe“. Wir mussten uns innerhalb einer kurzen Zeit in eine Materie einarbeiten, die sogar zahlreichen Bankmitarbeitern dem Grunde nach fremd ist und auch dort wiederum Spezialisten innerhalb spezialisierter Bankbereiche vorbehalten ist. Wir haben das dadurch getan, dass wir erstens gelesen, gelesen und gelesen haben, zweitens durch die unterschiedlichsten Stellungnahmen in den Zeugeneinvernahmen versucht haben, uns einen Überblick zu verschaffen und drittens zur Erleichterung unserer Arbeit einen Ermittlungsbeauftragten bestellt haben, den ehemaligen Generalstaatsanwalt aus Köln, Jürgen Kapischke.
Und wie sind Sie selbst mit der komplexen Materie zurechtgekommen?
Mir hat dabei geholfen, dass ich als langjähriges Mitglied des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages durchaus diverse Vorerfahrungen hatte, ergänzt durch meine Vorsitzendeneigenschaft im Hypo-Real-Estate-Untersuchungsausschuss im Jahre 2009. Natürlich habe ich auch, wie die anderen Ausschussmitglieder, ausgehend von den Aktenunterlagen die Systematik des Arbeitens, aber manchmal auch die abstruse Systematik der Denke versucht zu ergründen, um dann im Ausschuss die entsprechenden Fragen zu stellen.
Noch eine Frage zur Arbeit des Ausschusses: Was können Sie zur Zusammenarbeit in dem Gremium sagen?
Die Zusammenarbeit funktioniert meines Erachten reibungslos. Bis jetzt haben wir alle Beweisanträge einvernehmlich eingebracht. Ich komme gerade aus einer Obleuterunde zur Vorbereitung einer Beratungssitzung zurück, in der wir uns über den Zeitplan und über künftige Beweisaufnahmen unterhalten haben, und zwar - und das ist das Entscheidende - in einem guten Klima und konsensual.
Stoßen Sie bei der Aufarbeitung des Themas gelegentlich auch auf Schwierigkeiten? Wie ist die Zusammenarbeit mit den Finanzverwaltungen und den ermittelnden Behörden?
Wir haben als Untersuchungsausschuss immer auch die parallel laufenden staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen zu berücksichtigen. Wir müssen auch die Aussagen der Finanzminister der Länder in Rechnung zu stellen, die gerade im Hinblick auf laufende Untersuchungen bestimmte Akten und Unterlagen nicht herausgeben können und darauf verweisen, dass gegebenenfalls Ermittlungsergebnisse und -erfolge, die wir ja alle haben wollen, gefährdet werden können.
Sie haben bisher fünf Sachverständige und auch schon viele Zeugen gehört – können Sie nach vier Monaten schon eine Einschätzung der bisherigen Arbeit des Ausschusses geben?
Eine Einschätzung nach vier Monaten kann natürlich bei einem Ausschuss, der voraussichtlich anderthalb Jahre dauert, nur vorläufig und auch nur grob sein. Es zeichnet sich allerdings ab, dass viele der in den Verbänden tätigen Spezialisten bewusst die Behörden und die Ministerien über die Frage einer Umgehungsmöglichkeit, die von dem einen oder anderen Mitglied ausgenutzt worden ist, im Unklaren gelassen haben. So wird es beispielsweise eine Aufgabe sein, durch Zeugenvernahmen zu erklären und zu erforschen, was denn genau die Rolle von Clearstream war. Mein bisheriger Eindruck ist, dass das, was bei Clearstream passiert ist, sprich die Zuordnung bestimmter Erträge zu bestimmten Aktien, auch für viele Banken selbst eine „Blackbox“ war, und dass man immer dann, wenn Clearstream gesagt hat, das gehe nicht, die Segel gestrichen hat. In diesem Zusammenhang war es schon eigenartig zu beobachten, dass im Jahr 2009, nachdem Erlasse des Bundesfinanzministers auf der Basis des Jahressteuergesetzes 2007 verkündet wurden, plötzlich Clearstream sehr schnell - binnen drei Monaten - in der Lage war, ein Konzept zu erarbeiten, das anschließend in das OGAW (Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren; die Redaktion) Eingang gefunden hat und das aus heutiger Sicht den Missbrauch der Kapitalertragsteuer verhindert. Ich glaube schon, dass man sagen kann, es ist nicht alles, was die Banken wussten, den zuständigen Stellen gesagt worden. Da haben dann doch Marktgängigkeit, Kapitalmarktverträglichkeit, sprich Kostengründe, eine sehr große Rolle gespielt.
Auf Ihrer Zeugenliste stehen auch illustre Namen, ehemalige und der amtierende Finanzminister und deren Staatssekretäre. Können Sie schon absehen, wann diese befragt werden?
Natürlich ist es auch unsere Pflicht, die Finanzminister und die ehemaligen Staatssekretäre allesamt zu befragen. Sie werden innerhalb des zur Verfügung stehenden Restzeitraumes vom September bis vielleicht Februar befragt werden. Wie genau die Reihenfolge ist und in welchen Sitzungsintervallen das geschieht, das kann ich heute noch nicht sagen.
Was ist nach der Sommerpause geplant? Rechnen Sie mit einem Abschluss in der laufenden Legislaturperiode?
In der letzten Sitzung vor der Sommerpause werden wir noch die Finanzreferenten der Länder und weitere BaFin-Mitarbeiter befragen. Und danach geht es dann mit den Vernehmungen von BMF-Mitarbeitern und Befragungen der Minister weiter. Auch werden wir weitergehende Auskünfte aufgrund der dann auch vorliegenden Zwischenergebnisse des Ermittlungsbeauftragten einholen. Nach dessen Angaben wird der erste Bericht zur ersten Sitzung nach der Sommerpause im September vorliegen. Ich rechne fest mit einem Abschluss in der laufenden Periode. Allerdings werden wir den uns zur Verfügung stehenden Zeitrahmen voll ausnutzen müssen, aber das ist das Schicksal vieler Untersuchungsausschüsse. Über mögliche Konsequenzen kann man erst reden, wenn wir uns nach der letzten Zeugenbefragung an das Schreiben des Untersuchungsberichtes machen und dieser in einer der letzten Plenarsitzungen des Deutschen Bundestages diskutiert wird.
(mwo/20.07.2016)