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Bei den Wahlen zum 18. Deutschen Bundestag am Sonntag, 22. September 2013, fand erstmals das mit dem 22. Gesetz zur Änderung des Bundeswahlgesetzes reformierte Wahlrecht Anwendung. Die Wahlrechtsänderungen sind am 9. Mai 2013 in Kraft getreten. Sie sollen die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in seinem Urteil vom 25. Juli 2012 umsetzen. Das Gericht hatte die Regelungen des Sitzzuteilungsverfahrens in Paragraf 6 des Bundeswahlgesetzes für nichtig erklärt, welche als Folge des Regelungsauftrags seines Urteils zum Wahlrecht vom 3. Juli 2008 vom Bundestag schon einmal angepasst worden waren.
Ein Kernanliegen der Reform ist die Änderung des Sitzzuteilungsverfahrens mit dem Ziel, das sogenannte negative Stimmgewicht zu beseitigen. Dieser Begriff beschreibt eine Paradoxie des alten Wahlrechts: Ein Mehr an Zweitstimmen konnte für eine Partei in bestimmten Konstellationen ein Weniger an Sitzen im Bundestag bedeuten und umgekehrt ein Weniger an Zweitstimmen ein Mehr an Sitzen.
Das neue Wahlrecht kann in Abgrenzung zu den Regelungen, nach denen noch der 17. Deutsche Bundestag im Jahr 2009 gewählt wurde, wie folgt skizziert werden:
Das personalisierte Wahlrecht bleibt bestehen: Auch weiterhin wird die Personenwahl von Wahlkreisbewerbern nach den Regeln der relativen Mehrheitswahl (Erststimme) und die Wahl nach Landeslisten der Parteien im Wege der Verhältniswahl (Zweitstimme) kombiniert.
Maßgeblich für die Sitzanteile der Parteien im Bundestag ist das Zweitstimmenergebnis.
An der Verteilung der Sitze auf die Landeslisten nehmen nur Parteien teil, die im Bundesgebiet mehr als fünf Prozent der Zweitstimmen oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben. Die Sperr- beziehungsweise Grundmandatsklausel bleibt also auch nach dem neuem Wahlrecht erhalten.
Die Sitzverteilung als solche vollzieht sich aber mit wesentlichen Unterschieden zum alten Recht: Bei dem noch für die letzte Bundestagwahl geltenden Wahlrecht wurde in einem ersten Schritt zunächst ermittelt, wie viele Sitze eine Partei bundesweit aufgrund der Zweitstimmen erlangt hatte (sogenannte Oberverteilung). Diese Sitze wurden auf die Landeslisten der Parteien nach ihren jeweiligen Zweitstimmenergebnissen verteilt (sogenannte Unterverteilung).
Die Landeslisten einer Partei galten in der Regel bei der Sitzzuteilung als verbunden (Listenverbindung). Diese Regelung wurde abgeschafft. Die Sitzverteilung vollzieht sich nicht mehr wie bisher zuerst auf Bundesebene, sondern auf Landesebene.
In einer ersten Stufe werden für die einzelnen Bundesländer bereits vor der Wahl feste Kontingente der insgesamt zu vergebenden Sitze bestimmt, die sich nach dem jeweiligen Bevölkerungsanteil (ohne Ausländer) richten. Nach der Wahl werden die Sitze auf die Landeslisten der Parteien zunächst getrennt nach den Bundesländern gemäß dem dort jeweils erzielten Zweitstimmenergebnis vergeben.
Wie bisher wird für jedes Bundesland die Zahl der direkt in den Wahlkreisen gewonnenen Sitze auf die für die Landesliste jeder Partei ermittelten Sitze gemäß Zweitstimmenergebnis angerechnet. Hat eine Partei in einem Bundesland mehr Sitze in den Wahlkreisen errungen als sie nach der oben beschriebenen Sitzzuteilung auf die Landeslisten erzielt hat, so bleiben ihr auch diese direkt errungenen Sitze wie nach dem altem Wahlrecht erhalten (Überhangmandate).
Neu ist aber die zweite Stufe der Sitzverteilung, bei der vor allem entstandene Überhangmandate durch die Vergabe weiterer Mandate mit Blick auf den bundesweiten Parteiproporz vollständig ausgeglichen werden. Es wird deshalb zunächst die Gesamtzahl der Sitze so lange vergrößert, bis alle nach der Berechnung der ersten Stufe ermittelten Sitze inklusive der Überhangmandate auf Listenmandate anrechenbar sind.
Das bedeutet, dass sich der Sitzanteil jeder Partei gemäß ihrem Zweitstimmenanteil um die Anzahl eventueller Überhangmandate erhöht. Sodann werden noch so viele weitere Sitze vergeben, bis sich der bundesweite Parteienproporz nach dem Zweitstimmenergebnis in der Sitzverteilung widerspiegelt.
So erlangen die Parteien durch Überhangmandate keinen relativen Vorteil. Zuletzt werden die den einzelnen Parteien auf Bundesebene zugewiesenen Sitze auf die Landeslisten der Parteien nach ihrem dortigen Zweitstimmenanteil verteilt, wobei auf jede Landesliste mindestens so viele Sitze entfallen wie die Partei im Land Direktmandate erworben hat.
Vielfach ist die Befürchtung geäußert worden, dass das neue Wahlrecht mit seinem Ausgleichsverfahren zu einer erheblichen Vergrößerung des Deutschen Bundestages führen könnte. Zahlen von über 800 Abgeordneten wurden genannt.
Auf der Grundlage des Wahlergebnisses von 2009 hat unter anderem der Bundeswahlleiter ermittelt, dass das Parlament nach dem neuen Wahlrecht 671 statt der aktuellen 620 Mitglieder hätte. Maßgeblich waren letztlich allein die konkreten Ergebnisse der Bundestagswahl am 22. September 2013. Nach diesen hat der 18. Deutsche Bundestag 631 Sitze. (par/11.10.2013)