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CDU/CSU und FDP sehen "anhaltenden Handlungsbedarf bei der Aufarbeitung von Stasi-Verstrickungen". Das Parlament befasste sich daher auf Antrag beider Fraktionen am Donnerstag, 28. Januar 2010, in einer Aktuellen Stunde mit dem Thema. Nach ihrem Willen soll das Stasi-Unterlagengesetz geändert werden. Leitende Mitarbeiter im öffentlichen Dienst sollen nun doch über 2011 hinaus auf eine frühere Mitarbeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR überprüft werden. Hintergrund sind Enthüllungen in Brandenburg über eine frühere Zusammenarbeit von Mitgliedern der dort mitregierenden Linkspartei mit der DDR-Staatssicherheit. Laut derzeitigem Stasi-Unterlagengesetz sollte die Kontrollmöglichkeit eigentlich 2011 entfallen.
"1991 beschloss der Deutsche Bundestag das Stasi-Unterlagengesetz", sagte Bernhard Kaster (CDU/CSU). "Das muss auch für die Zukunft gelten." Nach wie vor bestee ein dringender Handlungsbedarf: "Es wäre fatal, wenn auch nur der Eindruck entstehen würde, dass mit einem Auslaufen der Frist ein Schlussstrich gezogen würde."
Viele Linke hätten sich offensichtlich noch nicht von ihrer Ost-Vergangenheit gelöst, so Kaster, der sich für eine weitere Stasi-Überprüfung im Bundestag aussprach. "Niemand konnte ahnen, dass sich 20 Jahre nach dem Fall der Mauer dieses Thema der Stasi-Verstrickungen in den heutigen Parlamenten noch so aktuell ist", sagte Kaster in Hinblick auf die neuesten Enthüllungen über Stasi-Tätigkeiten. "Niemand hätte sich vorstellen können, dass ehemalige Zuträger der Staatssicherheit im brandenburgischen Landesparlament gleich in Fraktionsstärke vertreten sind."
Ebenso wenig sei es erträglich, wenn ein Abgeordneter der Linkspartei auf der Abgeordnetenseite des Deutschen Bundestages lakonisch vermerke "ließ mich 1983 als IM verpflichten". Es sei ein Skandal, wenn Abgeordnete der Linkspartei über ihre Stasi-Tätigkeit sprechen würden, "als wäre es die Mitgliedschaft bei den Pfadfindern", so Kaster.
Dr. Wolfgang Thierse (SPD) betonte: "Wir brauchen weiterhin einen rechtsstaatlichen Umgang mit dem Erbe eines Unrechtsstaates. Deswegen sind wir für eine Verlängerung des Stasi-Unterlagengesetzes." Wichtig sei eine differenzierte Einzelprüfung. Deshalb solle die Behörde von Marianne Birthler weiterhin erhalten bleiben.
Er erinnerte daran, dass er bereits in der Volkskammer der DDR für die Öffnung der Akten eintrat. "Doch wer hätte gedacht, dass das Thema auch nach 20 Jahren nicht erledigt ist", sagte Thierse und verwies auf die neuen Enthüllungen in Brandenburg. Diese sollten jedoch angesichts der menschlichen Natur nicht überraschen, so Thierse: "Wer gibt schon gerne freiwillig Schuld zu?"
Gleichzeitig forderte der Vizepräsident der Deutschen Bundestages die CDU/CSU auf, die "notwendige Auseinandersetzung" mit dem Erbe der DDR nicht parteipolitisch auszunutzen. "Ich erinnere mich daran, dass einige aus der CDU jedoch vor Monaten das Ende der Behörde gefordert hatten", sagte Thierse, der davor warnte, Menschen ohne Differenzierung "ein Kainsmal aufzudrücken". Für ihn steht fest: "Wer einmal Macht über Menschen missbraucht hat, soll nie wieder Macht über Menschen bekommen."
Reiner Deutschmann (FDP) kündigte neben einer Verlängerung des Stasi-Unterlagengesetzes auch dessen Verschärfung an. "Wir Liberalen werden bei begründetem Verdacht auch für eine Überprüfung von Beamten unterhalb der Leitungsebene sein", sagte Deutschmann. Als Begründung verwies er auf einen aktuellen Fall, bei dem die Stasi-Tätigkeit einer Beamtin im Bundeswirtschaftsministerium gesichert sei, es jedoch keinerlei gesetzliche Handhabe für eine Entlassung gebe.
"Die Täter von einst dürfen nicht in Amt und Würden leben, während die Opfer in den Gefängnissen wertvolle Jahre ihres Lebens verloren haben", begründete Deutschmann den Vorstoß der Liberalen. "Ein Schlussstrich kommt für uns nicht in Frage. Die DDR war kurzum eine typische Diktatur. Die Stasi war dabei das Schild und Schwert der Partei und ruinierte zahlreiche Menschenleben."
Für Lukrezia Jochimsen (Die Linke) ist die Aufarbeitung von Stasi-Verstrickungen rein parteipolitisch motiviert. "Das ist eine Phantomdebatte, eine Gespensterdebatte. Es geht Ihnen um etwas ganz anderes. Es geht ihnen um Brandenburg, dessen rot-rote Koalition ihnen nicht gefällt."
Jochimsen argumentierte, dass das Gesetz erst in 23 Monaten auslaufe: "Jetzt steht noch keine Gesetzesänderung an." Gleichzeitig habe das Verschweigen der Wahrheit bei aktuellen Fällen viel mit den Ängsten der ehemaligen Stasi-Mitarbeiter zu tun.
"Soll es denn nie eine Verjährung der Stasi-Mitarbeit geben?", fragte Jochimsen und verwies auf das Strafrecht. "Selbst bei schwerer Vergewaltigung ist eine Verjährung schon nach zehn Jahren gegeben." Eine Verlängerung habe einen Zug der Erbarmungslosigkeit, deshalb sei Die Linke auch gegen eine Fristverlängerung der Stasi-Überprüfung.
Wolfgang Wieland (Bündnis 90/ Die Grünen) empörte sich über den Vorwurf der Linkspartei, diese Debatte sei parteipolitisch motiviert. Die Regierung in Brandenburg sei vielmehr selber an der aktuellen Debatte schuld. Ministerpräsident Matthias Platzeck habe die Bildung der rot-roten Regierung als die Heilung eines ungesunden Risses, der nach 20 Jahren zwischen Ost und West verlaufe, überhöht.
Auch die jetzige Einbindung von Stasi-Mitarbeitern mit der "zu Recht skandalisierten" Einbindung ehemaliger Nazionalsozialisten in der frühen Phase der Bundesregierung als gelungene Demokratisierung zu bezeichnen, sei ein Skandal, sagte Wieland. "Dass Sie da nicht aufgeschrien haben, ist unglaublich."
Platzeck könne keinen Schlussstrich vor einer Aufarbeitung der Stasi-Verstrickungen in der Linkspartei ziehen. Die geschredderten Akten müssten endlich zusammengesetzt werden, schloss Wieland.