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Auf Verlangen von Bündnis90/Die Grünen hat der Bundestag am Mittwoch, 24. Februar 2010, in einer Aktuellen Stunde den sozialpolitischen Kurs der Koalition erörtert. Anlass der Aussprache unter der Überschrift "Schweigen der Bundeskanzlerin zur Sozialpolitik der Bundesregierung“ waren die jüngsten Äußerungen von Bundesaußenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) zu zentralen Themen der Sozialpolitik. "Die Äußerungen des Außenministers“, begründeten die Grünen die Aktuelle Stunde, "kommen einem Aufruf zur sozialen Spaltung gleich.“ Der Vizekanzler stelle mitten in der schwersten Wirtschaftskrise das Sozialstaatsprinzip infrage. Die Bundeskanzlerin und die "eigentlich zuständigen Ressorts innerhalb der Bundesregierung“ hätten zu den Äußerungen des Außenministers bisher nur beiläufig Stellung genommen.
Renate Künast (Bündnis90/Die Grünen) kritisierte den Führungsstil der Bundeskanzlerin: "Merkel lässt die Dinge treiben statt von ihrer Richtlinienkompetenz Gebrauch zu machen." Sie gefährde damit den inneren Frieden. "Die Kanzlerin lässt zu“, empörte sich die Fraktionsvorsitzende der Grünen, "dass der Vizekanzler in niederster und niederträchtigster Art die Armen gegen die Ärmsten ausspielt."
Dabei gehe es eigentlich um die Frage, wie im 21. Jahrhundert in Deutschland soziale Gerechtigkeit aussehe. "Gerechtigkeit“, so Künast, "heißt: gute Löhne, damit sich Arbeit wieder lohnt." Die von Westerwelle angestoßene Debatte bezeichnete die Grünen-Politikerin als "Wahlkampfklamauk“.
Carsten Linnemann von der CDU/CSU-Fraktion wies die Vorwürfe zurück. In der Krise brauche Deutschland nicht Menschen, die alles besser wissen, sondern die es besser machen. "Keine Flut von Wortmeldungen, sondern klare Entscheidungen: Dafür stehen die Kanzlerin und die Regierung“, so Linnemann.
Die Koalition begrüße das Karlsruher Urteil zu den Hartz-IV-Regelsätzen und werde Klarheit schaffen. "Das Sozialsystem wird weiterentwickelt“, betonte der CDU-Politiker. Doch dürfe es nicht zu einem Überbietungswettbewerb um die höchsten Sätze kommen. Entscheidend sei die Frage, wie man Menschen wieder in Beschäftigung bringe.
Als leistungsfeindlich kritisierte Hubertus Heil (SPD) die Sozialpolitik der Bundesregierung. Die Koalition verweigere den Menschen, die hart und Vollzeit arbeiteten, den Mindestlohn und mache sie so zu Leistungsempfängern. "Es sind nicht die Menschen in unserem Land, die leistungsfeindlich sind, sondern die Politik der schwarz-gelben Regierung“, betonte Heil.
Die Reden von Westerwelle seien Hohn und Spott in den Ohren von Menschen, die arbeiten wollten: "Diese Art, die Debatte zu führen, ist feige und zynisch." Westerwelle spiele Menschen ohne Arbeit gegen jene aus, die für Hungerlöhne arbeiteten.
Der stellvertretende FDP-Fraktionsvorsitzende Heinrich Kolb verwies in seiner Rede darauf, dass eine Regierungschefin mit guten Gründen schweigen dürfe. "Wer schweigt, scheint zuzustimmen“, so Kolb. Die Kanzlerin habe dem Vizekanzler in der Sache Recht gegeben.
"Viele Menschen haben die FDP gewählt, weil sie Veränderungen wollten, und wir treten dafür ein." Insbesondere für den Bereich der Sozialpolitik gelte, so Kolb: "Wenn wir nichts ändern, wird nichts so bleiben wie es ist." Man müsse die Balance halten zwischen denjenigen, die in Not geraten, und denen, die mit ihrer Arbeit diese Leistungen finanzieren.
Ulrich Maurer (Die Linke) stellte in seiner Rede klar, dass die Kanzlerin nicht geschwiegen, sondern den Duktus Westerwelles gegeißelt habe: "Sie hat sich verhalten wie eine Richterin, die den Vizekanzler nicht wegen einer Tat, sondern wegen mangelnder Eleganz verurteilt". Dies aber sei Zustimmung in der Sache.
Der stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion zeigte sich empört darüber, dass die Bundesregierung versuche, den berechtigten Zorn derjenigen Menschen, die hart arbeiten und zu wenig verdienen, auf Arbeitslose zu lenken: "Sie lenken damit von denen ab, die uns die Krise eingebrockt haben. Das ist nicht das erste Mal in der Geschichte, auf diese Art eine Krise zu verarbeiten“, so Maurer. Wer in dieser schweren Wirtschaftskrise versuche, Hass gegen Minderheiten und gegen angebliche Faulenzer zu schüren, der zeige, dass er aus der deutschen Geschichte nichts gelernt habe.