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Die Bundesregierung will das deutsche Steuerrecht durch zahlreiche Änderungen an europarechtliche Vorgaben anpassen. Dabei soll vor allem eine Umsatzsteuerbefreiung für Universal-Postleistungen mehr Wettbewerbsgleichheit unter privaten Post-Unternehmen schaffen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf (17/506) berät der Bundestag in zweiter und dritter Lesung am Freitag, 5. März 2010, ab 11.50 Uhr in einer 45-minütigen Debatte. Abgestimmt wird dabei auch über einen Entschließungsantrag der Linksfraktion (17/927), der darauf abzielt, das Gesetz nicht in Kraft treten zu lassen, sowie über einen Änderungsantrag der SPD-Fraktion (17/926).
Von der Umsatzsteuer ausgenommen werden sollen dem Entwurf zufolge Briefsendungen bis 2.000 Gramm einschließlich adressierter Bücher, Kataloge, Zeitungen und Zeitschriften, Pakete bis zehn Kilogramm sowie Einschreiben und Wertsendungen. Die Unternehmen müssen ihre Leistungen jedoch ständig und flächendeckend anbieten ("Universaldienst").
Weitere Ziele des Entwurfs sind Änderungen bei der Riester-Förderung für Grenzgänger, die Ausweitung der degressiven Abschreibung für Gebäude im Ausland sowie die steuerliche Anerkennung von Spenden, die an gemeinnützige Einrichtungen in anderen EU-Staaten gehen. Zudem will die Bundesregierung die Mitarbeiterbeteiligung am Kapital des arbeitgebenden Unternehmens besser steuerlich fördern.
Die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion legten überdies mehrere Änderungsvorschläge vor. So wollen sie Leasing-Unternehmen bei der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung mit anderen Finanzdienstleistern gleichstellen. Außerdem sollen Maßnahmen getroffen werden, um einen drohenden Umsatzsteuerbetrug beim Handel mit Treibhausgas-Emissionszertifikaten zu verhindern. Auch die SPD hat zwei Änderungsanträge im Finanzausschuss eingebracht, ebenso Bündnis 90/Die Grünen, die klarstellen wollen, dass grundsätzliche jede Universaldienstleistung steuerbefreit sein kann.
Der Finanzausschuss hat am 3. März dem Gesetzentwurf in einer von Union und FDP an einigen Stellen noch veränderten Fassung zugestimmt (17/923, 17/929, 17/939). Änderungsanträge von SPD und Bündnis 90/Die Grünen fanden dagegen im Ausschuss keine Mehrheit.
Die Union erklärte im Ausschuss, die Umsatzsteuerbefreiung für Post-Universaldienstleistungen, die bisher nur für die Deutsche Post AG gegolten habe, komme jetzt auch den Wettbewerbern zugute. Die FDP sprach von einer ausgewogenen Regelung. Durch die Freigabe des Wettbewerbs würden die Preise sinken und die Qualität steigen.
Dagegen kritisierte die SPD, dass die Beschränkung der Steuerbefreiung auf Universaldienstleistungen der besonderen Natur der Postdienstleistung nicht gerecht werde. Absicht der EU-Vorgaben sei nicht allein die Förderung von Privatpost, sondern auch von Massensendungen, etwa des ADAC oder der Caritas. Für deren Massensendungen falle jedoch in Zukunft Umsatzsteuer an. Letztlich müssten die Verbraucher über Preiserhöhungen die geschätzten Steuermehreinnahmen von 300 Millionen Euro jährlich zahlen.
Die Linke warf der Regierung vor, mit dem Gesetz weit über das Ziel hinauszuschießen. Die Grünen bemängelten, dass nicht auf die Post-Empfänger geschaut werde, die auch ein Recht auf Universaldienstleistungen "von und zu jedem Ort" hätten.
In einer Anhörung des Finanzausschusses am 9. Februar war die Umsatzsteuerbefreiung im Postbereich bei Verbänden und Experten auf ein geteiltes Echo gestoßen. So bezweifelte Gunnar Uldall, Präsident des Bundesverbandes Internationaler Express- und Kurierdienste, dass der Entwurf Wettbewerbsgleichheit herstellen könne. Die beste Lösung sei, alle Postdienstleistungen gleichermaßen mit Umsatzsteuer zu belegen. Dann gäbe es auch keine Schlupflöcher mehr. Dennoch unterstütze sein Verband den Entwurf als einen Kompromiss.
Kritik indes kam von der Gewerkschaft Verdi. Wenn der Gesetzentwurf nicht geänderte werde, komme es zu einer Aufteilung des Universaldienstes in steuerbefreite und steuerpflichtige Leistungen. Dies wäre verfassungswidrig, hieß es.
Prof. Dr. Stephan Eilers von der Kölner Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer sah ein "latentes Problem“ mit dem Europarecht, da nicht alle in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Post-Unternehmen geregelten Tätigkeiten steuerfrei gestellt würden.
Der Staatsrechtler Rupert Scholz warnte davor, Leistungen aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht von der Steuerbefreiung auszunehmen. Eine individuelle und steuerpflichtige Leistung liege nicht vor, wenn Leistungen aufgrund standardisierter Verträge auf der Basis der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorgenommen würden. In diesen Fällen eine individuelle Regelung anzunehmen, entspreche nicht dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs.
Der Bundesrat begrüßte in seiner Stellungnahme vom 12. Februar 2010 (17/813) das Anliegen der Bundesregierung, die Umsatzsteuerbefreiung für Universal-Postdienstleistungen neu zu regeln. So betrachte er mit Sorge, dass sich auf dem Markt für Briefdienstleistungen trotz Auslaufens der Exklusivlizenz für die Deutsche Post AG zum 31. Dezember 2007 bislang „kein funktionsfähiger und chancengleicher Wettbewerb“ eingestellt habe.
Angesichts des „rapide steigenden“ Umsatzsteuerbetrugs beim Handel mit Emissionszertifikaten sei es zudem erforderlich, für diese Leistungen eine Verlagerung der Steuerschuld entsprechend der auf EU-Ebene erfolgten politischen Einigung in das Gesetz aufzunehmen.
Zudem fordert der Bundesrat in seiner Stellungnahme, im Interesse der Betrugsbekämpfung auch den Handel mit Schrott und Altmetallen sowie die Gebäudereinigung von Subunternehmern in den Anwendungsbereich des betreffenden Gesetzes aufzunehmen. Die Bundesregierung kündigte in ihrer Gegenäußerung (17/813) an, der Forderung nachzukommen.