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Umstritten war das Wachstumsbeschleunigungsgesetz der schwarz-gelben Bundesregierung schon, als es noch nicht einmal beschlossen war: Während die Koalitionsfraktionen Union und FDP die steuerlichen Entlastungen für Familien, Unternehmen und auch das Hotelgewerbe als notwendig zur Stabilisierung des wirtschaftlichen Aufschwungs verteidigten, geißelte die Opposition die Einführung des ermäßigten Umsatzsteuersatzes für Beherbergungsleistungen als "Klientelpolitik". Widerstand regte sich zudem in Ländern und Kommunen. Sie fürchteten durch die Steuerermäßigungen Einnahmenausfälle in Milliardenhöhe. Das Gesetz passierte trotzdem Bundestag und Bundesrat und trat zum 1. Januar 2010 in Kraft. Leiser ist die Kritik aber seitdem nicht geworden: Insbesondere über die finanzielle Situation der Kommunen wird weiterhin heftig diskutiert.
Am Donnerstag, 25. März 2010, befasst sich nun der Bundestag in einer 90-minütigen Debatte ab 11.30 Uhr mit drei Anträgen der Opposition, die darauf zielen, die Finanzen von Städten, Gemeinden und Landkreisen aufzubessern sowie ihre Mitwirkungsrechte im Gesetzgebungsverfahren zu stärken. Abstimmen werden die Abgeordneten zudem über einen Gesetzentwurf der SPD sowie einen weiteren Antrag, den Bündnis 90/Die Grünen bereits im Januar ins Parlament eingebracht haben. Über diese beiden Initiativen der Opposition hat der Finanzausschuss des Bundestages bereits am 1. März 2010 beraten und in beiden Fällen Ablehnung empfohlen (17/869).
SPD und Bündnis 90/Die Grünen fordern darin, den im Rahmen des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes beschlossenen Umsatzsteuersatz von sieben Prozent für Beherbergungsleistungen wieder abzuschaffen. Die Einführung sei eine "eklatante politische Fehlleistung gewesen", moniert die SPD in ihrem Gesetzentwurf (17/520). Zum einen zeige sich bereits, dass die vom Deutschen Hotel- und Gaststättenverband in Aussicht gestellte Senkung der Übernachtungspreise erwartungsgemäß ausbleibe.
Zum anderen bestätigten sich die Befürchtungen, die Umsatzsteuersenkung werde zu mehr Bürokratie führen. Zudem bestehe angesichts der Lage der öffentlichen Haushalte "für umsatzsteuerliche Privilegien des Hotelgewerbes ohnehin kein Finanzierungsspielraum", argumentiert die Fraktion. Die Wiedereinführung des allgemeinen Umsatzsteuersatzes werde Schätzungen zufolge zu Steuermehreinnahmen in Höhe von 945 Millionen Euro führen. 504 Millionen Euro kämen davon dem Bund zugute, 422 Millionen den Städten und 19 Millionen den Kommunen.
Auch Bündnis 90/Die Grünen verlangen, die Umsatzsteuerermäßigungen für die Hotellerie zurückzunehmen. Die Bundesregierung solle dazu einen Gesetzentwurf vorlegen, um die "ungerechtfertigte Begünstigung des Hotelgewerbes" zu beenden und die entsprechende Vorschrift im Umsatzsteuergesetz zu streichen (17/447).
Der Beschluss der Koalitionsfraktionen, den ermäßigten Umsatzsteuersatz für Beherbergungsleistungen einzuführen, habe "Teile der Politik in die Nähe der Käuflichkeit gerückt", kritisiert die Fraktion und verweist auf Presseberichte, nach denen die FDP 2009 Parteispenden von einem Hotelunternehmer in Millionenhöhe erhalten haben soll. Doch die Ermäßigung der Umsatzsteuer sei auch aus ordnungs-, steuer- und haushaltspolitischen Gründen falsch gewesen: Durch dieses "Steuergeschenk" gingen Bund, Ländern und Kommunen rund eine Milliarde Euro verloren.
Die Verbesserung der finanziellen und rechtlichen Situation der Kommunen haben wiederum SPD und Die Linke mit ihren insgesamt drei Vorlagen im Blick, die am Donnerstag in erster Lesung im Bundestag beraten werden. So fordert die SPD einen "Rettungsschirm für Kommunen" und eine Strategie für handlungsfähige Städte, Gemeinden und Landkreise (17/1152).
Die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie die durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz beschlossenen steuerlichen Entlastungen hätten die Städte und Gemeinden in Deutschland in eine "dramatisch schlechte" Lage gebracht, schreibt die Fraktion zur Begründung in ihrem Antrag.
In nur einem Jahr sei der kommunale Finanzsaldo um zwölf Milliarden Euro abgestürzt, die steuerlichen Entlastungen hätten zu weiteren 1,6 Milliarden Euro Einnahmeausfällen geführt. Diese "prekäre Finanzlage" unterhöhle nun die Handlungs- und Leistungsfähigkeit der Kommunen. Zentrale Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge in Städten, Gemeinden und Landkreisen seien massiv gefährdet, befürchtet die SPD. Aus diesem Grund plädiert die Fraktion kurzfristig dafür, die Kommunen für ihre Einnahmeausfälle von 1,6 Milliarden Euro durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz voll zu entschädigen.
Auch die kürzlich im Bundestag beschlossenen Änderungen der Besteuerung der Funktionsverlagerung und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung bei Leasing und Factoring sollten zurückgenommen werden. Außerdem verlangt die SPD gezielte Hilfen für Kommunen in extremer Haushaltsnotlage sowie eine Erhöhung der Zuschüsse des Bundes zum Wohngeld. Diese sollten um drei Prozentpunkte steigen, aber auf zwei Jahre befristet sein.
Mittel- und langfristig fordert die SPD die Bundesregierung unter anderem auf, sie solle darauf hinwirken, dass die Länder ihrer Verpflichtung aus dem in den Landesverfassungen verankerten so genannten Konnexitätsprinzip (wonach die Kosten für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe von demjenigen Aufgabenträger zu tragen sind, der über Art und Intensität der Aufgabenerfüllung entscheidet) nachkommen.
Darüber hinaus müsse sichergestellt werden, dass die Länder für Kommunen bestimmte Gelder aus dem Bundeshaushalt auch wirklich an diese weiterleiten. Weitere Vorschläge aus dem insgesamt 19 Punkte umfassenden Maßnahmenkatalog betreffen die Weiterentwicklung der Gewerbesteuer sowie eine Reform der Anpassungsformel, wonach sich die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterbringung und Heizung von Arbeitslosen errechnet.
Auch die Linksfraktion möchte die Situation der Kommunen verbessern und hat dazu zwei Anträge vorgelegt. Unter dem Titel "Zukunft der Kommunalfinanzen - Transparenz gewährleisten und Öffentlichkeit herstellen" (17/1143) fordert sie eine "breite und ergebnisoffene Diskussion" mit dem Ziel, den Kommunen dauerhaft "mehr und stabile Einnahmen" zu Verfügung zu stellen. Dabei müsse auch eine Neuordnung der Finanzen zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Betracht gezogen werden, schreibt Die Linke.
Darüber hinaus solle die Arbeit der im Februar von der Bundesregierung eingesetzten Gemeindefinanzkommission "transparent und nachvollziehbar" gestaltet werden. Kommunen müssten die Gelegenheit bekommen, sich mit ihren Vorschlägen einzubringen. Außerdem verlangt die Fraktion, Bundestag und Öffentlichkeit regelmäßig über die Arbeit der Kommission zu informieren.
In ihrer zweiten Vorlage dringt die Linksfraktion auf ein verbindliches Mitwirkungsrecht für Kommunen bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und Verordnungen sowie im Gesetzgebungsverfahren (17/1142). Bislang sei die kommunale Selbstverwaltung verfassungsrechtlich nur durch eine institutionelle Garantie geschützt, argumentiert die Fraktion. Diese Garantie gewährleiste Städten und Gemeinden zwar Abwehrpositionen, jedoch keine Mitwirkungsrechte.
Um diese sicherzustellen, solle die Bundesregierung einen Entwurf für ein Kommunalmitwirkungsgesetz vorlegen. Kommunalen Spitzenvertretern müsse zudem künftig bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen und Verordnungen, die die Kommunen betreffen, ein verbindliches Mitwirkungsrecht gewährt werden. Dieses soll auch bei Beratungen im Gesetzgebungsverfahren sowie bei Anträgen, die Auswirkungen auf Städte und Gemeinden haben, gelten. Durch diese verbindlich festgeschriebene Beteiligung würde nicht nur Sachverstand aus der Praxis in den Gesetzgebungsprozess einfließen, hebt die Fraktion in ihrem Antrag hervor, sondern dies würde auch "wesentlich zur Qualifizierung der Gesetze beitragen".