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Von manchen gefürchtet als undurchdringlicher Paragrafendschungel, für die Abgeordneten im Bundestag alltägliche Grundlage ihrer parlamentarischen Arbeit: Gesetzestexte. Konjunkturprogramm, Kindergeld, Bundeshaushalt oder EU-Richtlinien für Deutschland - fast jeden Monat verabschiedet das Parlament neue Gesetze oder ändert bestehende. Wer ein Gesetz einbringt, muss in dem Entwurf nicht nur das Vorhaben begründen. Zur Grundausstattung eines Gesetzentwurfs gehören auch die voraussichtlichen ökologischen und sozialen Folgen sowie Kosten, die auf die öffentlichen Haushalte, die Wirtschaft und die Verbraucher zukommen.
Bis ein Gesetz vom Bundestag beschlossen wird, muss es ein Verfahren durchlaufen, das im Grundgesetz vorgeschrieben ist. So lange heißt das Gesetzesvorhaben noch "Gesetzentwurf“. Neben dem eigentlichen Gesetzestext mit seinen Paragrafen und Einzelvorschriften ist der Gesetzentwurf mit einem Vorblatt sowie einer Begründung versehen. Auf dieser Grundlage wird der Gesetzentwurf mehrfach diskutiert, im Plenum und im Fachausschuss, meistens verändert, von Experten und eventuell auch vom Bundesrat begutachtet. Das Parlament kann dann schließlich darüber abstimmen.
In Deutschland waren zum Jahresende 2009 insgesamt 1.924 Gesetze und 3.440 Verordnungen mit insgesamt 76.382 Artikeln und Paragrafen in Kraft. Jährlich werden es mehr. Rechtssetzung bedeutet heute überwiegend, bereits bestehende Gesetze und Verordnungen zu ändern.
Impulse zu Gesetzentwürfen können verschiedene Ursprünge haben: das Regierungsprogramm, Veränderungen in der politischen Gesamtsituation wie die Wiedervereinigung, Probleme der sozialen Sicherungssysteme. Anstöße können auch von einzelnen Bürgern durch Petitionen, von Interessenverbänden, von den Kirchen oder von anderen gesellschaftlichen Gruppen kommen.
Manchmal erfordert auch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ein neues Gesetz oder die Änderung bestehender Gesetze. Oftmals stehen auch die Vorgaben der Europäischen Union auf der Tagesordnung des Gesetzgebers, die in nationales Recht umgesetzt werden müssen.
Ungefähr ein Drittel aller Gesetzesinitiativen kommt aus "der Mitte des Bundestages“, also von den Fraktionen. Ein Entwurf für ein neues Gesetz oder die Änderung eines Gesetzes muss von den Abgeordneten unterschrieben und mit einer Begründung versehen werden.
Manchmal schließen sich einzelne Abgeordnete auch über Parteigrenzen hinweg zusammen und starten zu besonderen Themen fraktionsübergreifende Initiativen.
Mehr als die Hälfte der eingebrachten Entwürfe kommen von der Regierung. Regierungsvorlagen werden meistens im fachlich zuständigen Ministerium auf Referatsebene erarbeitet, daher heißt ein noch nicht von der Bundesregierung beschlossener Gesetzentwurf "Referentenentwurf“.
Der Referentenentwurf wird inhaltlich mehrfach überarbeitet. Seine Rechtsförmlichkeit wird dann im Justizministerium geprüft. Hier und im Bundesinnenministerium wird die Vereinbarkeit mit dem geltenden Recht, vor allem mit dem Grundgesetz und mit benachbarten oder betroffenen Gesetzen, begutachtet.
Über jeden Entwurf stimmt das Kabinett, also alle an der Regierung beteiligten Minister unter der Leitung der Bundeskanzlerin, ab. Der Beschluss des Kabinetts macht das Gesetzesvorhaben zu einem förmlichen Regierungsentwurf.
Gesetzentwürfe bestehen aus dem Entwurf des Gesetzestextes, der Begründung zum Gesetzentwurf und einer vorangestellten Übersicht, dem Vorblatt. Gibt der Nationale Normenkontrollrat eine Stellungnahme ab, findet sie sich ebenfalls in der Gesetzesvorlage.
Das Vorblatt
Das so genannte Vorblatt stellt das Gesetzesvorhaben nach einer bestimmten Gliederung von A. bis F. vor. Im einzelnen werden beschrieben:
Problem und Ziel, Lösung, Alternativen, finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte, sonstige Kosten (zum Beispiel für die Wirtschaft, für soziale Sicherungssysteme, Auswirkungen auf das Verbraucherpreisniveau) und Bürokratiekosten.
Gesetzentwurf
Dem Vorblatt folgt der eigentliche Gesetzentwurf, der ebenfalls nach dem im Handbuch der Rechtsförmlichkeit beschriebenen Standard aufgebaut ist. Dort sind Muster für Stammgesetze und Änderungsgesetze zu finden, von der Überschrift über die Eingangsformel bis zu Gliederung und Schlussformel.
Begründung
In einen Gesetzentwurf gehört die ausführliche Begründung. Dort finden sich unter anderem Aussagen über die Zielsetzung und Notwendigkeit des Gesetzentwurfs und seiner Einzelvorschriften, über die Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz, dem Recht der EU und völkerrechtlichen Verträgen sowie über die voraussichtlichen Gesetzesfolgen.
Beabsichtigt, unbeabsichtigt und nachhaltig: die Gesetzesfolgen
Unter Gesetzesfolgen sind die wesentlichen Auswirkungen des Gesetzes zu verstehen. Sie umfassen die beabsichtigten Wirkungen und die unbeabsichtigten Nebenwirkungen. Nach einer Novelle der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien im Mai 2009 sind Gesetzentwürfe auch auf die nachhaltige Entwicklung zu prüfen, das heißt, ob die Wirkungen des Vorhabens einer nachhaltigen Entwicklung entsprechen. Damit sind ökologische Ziele gleichberechtigt neben wirtschaftlichen und sozialen Zielen zu berücksichtigen. Zur Abschätzung von Gesetzesfolgen gehören auch die Auswirkungen auf die Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte sowie auf die Verbraucher.
Bürokratiekosten
Besonders beachtet werden die voraussichtlichen Bürokratiekosten, die ermittelt und dargestellt werden müssen. Das sind Kosten, die Bürgern, der Wirtschaft und der Verwaltung durch die Erfüllung gesetzlicher Informationspflichten entstehen. Darunter fallen nicht etwa Kosten, die durch das Befolgen inhaltlicher Pflichten entstehen, wie etwa der Einbau eines Rußpartikelfilters. Bei Bürokratiekosten geht es vielmehr um Daten und sonstige Informationen für Behörden oder Dritte, die zu beschaffen, verfügbar zu halten oder zu übermitteln sind, zum Beispiel Bilanzierungspflichten von Unternehmen.
Als unabhängiges Beratungs- und Kontrollorgan hat der Nationale Normenkontrollrat die Aufgabe, die Bundesregierung dabei zu unterstützen, die durch Gesetze verursachten Bürokratiekosten zu reduzieren. Er begutachtet Gesetzesvorhaben, prognostiziert nach einem bestimmten Modell Bürokratiekosten und gibt eine Stellungnahme ab.
Das Einmaleins für Gesetzesgestalter ist das Handbuch der Rechtsförmlichkeit, das vom Bundesministerium der Justiz herausgegeben wird. Es gibt Empfehlungen zur Formulierung und hält Detailvorschriften zur rechtsförmlichen Gestaltung von Gesetzen bereit.
Das Verfahren bei der Erarbeitung von Gesetzentwürfen durch die Bundesministerien wird durch die Gemeinsame Geschäftsordnung der Bundesministerien vorgegeben.
Gesetzentwürfe müssen sprachlich richtig und möglichst für jedermann verständlich abgefasst sein. Deshalb prüft der Redaktionsstab der Gesellschaft für deutsche Sprache beim Bundestag grundsätzlich jeden Gesetzentwurf.
In den 16 Wahlperioden zwischen 1949 und 2009 wurden fast 11.000 Gesetzentwürfe in den Bundestag eingebracht. Rund 56 Prozent davon waren Regierungsvorlagen, knapp neun Prozent Initiativen des Bundesrates und fast 34 Prozent Initiativen aus der Mitte des Bundestages. Von diesen Entwürfen wurden knapp zwei Drittel (7.030) als Gesetze verabschiedet, die anderen scheiterten im Laufe des Verfahrens.