Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Die Kredithilfen für Griechenland sind weiterhin auf dem parlamentarischen Weg. Am Mittwochabend, 5. Mai 2010, passierte der Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen zur Übernahme von Gewährleistungen zum Erhalt der für die Finanzstabilität in der Währungsunion erforderlichen Zahlungsfähigkeit der hellenischen Republik (17/1544) in geänderter Fassung den Haushaltsausschuss (17/1561). Für den Entwurf stimmten CDU/CSU und FDP, die Linksfraktion stimmte dagegen. Die SPD-Fraktion und Bündnis 90/Die Grünen enthielten sich der Stimme. In weiteren Verhandlungen solle noch geklärt werden, ob die beiden Fraktionen bei der Schlussabstimmung am Freitag, 7. Mai, zustimmen könnten oder nicht, hieß es zur Begründung.
Nach dem Gesetzentwurf soll die bundeseigene KfW-Bankengruppe Griechenland in den kommenden drei Jahren insgesamt 22,4 Milliarden Euro an Kredit gewähren können. Davon entfallen auf dieses Jahr 8,4 Milliarden Euro. Diese Gewährleistungen dienen Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit Griechenlands, um die Finanzstabilität in der Währungsunion sicherzustellen.
Der Sprecher der Union betonte, dass der Bund für den Kredit lediglich bürge. "Nicht zu handeln, wäre schädlicher gewesen“, sagte er. Es müsse alles getan werden, um entsprechende Notlagen in Zukunft zu vermeiden. Die FDP-Fraktion sah auch "keine andere Lösung“. Es müsse geholfen werden, damit Griechenland sich wieder Geld am Kapitalmarkt beschaffen könne.
Die Linksfraktion forderte verbindliche Zusagen des Finanzsektors, sich an den Kosten zu beteiligen. Die SPD kritisierte, dass Deutschland einspringen solle, wenn andere Länder der Eurozone nicht zahlen könnten. So könnte der deutsche Beitrag sich erhöhen, befürchtete der Sprecher. Einen Änderungsantrag dazu lehnten alle anderen Fraktionen ab.
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) erklärte, dass es keine "Nachschusspflicht“ gebe. Angenommen wurde ein Änderungsantrag der Koalition, in dem klargestellt wird, dass die bilateralen Kredite der Staaten der Eurogruppe und die Kredite des Internationalen Währungsfonds im Rahmen eines gemeinsamen Vorgehens und auf Grundlage der unter Mitwirkung der Europäischen Zentralbank vereinbarten Maßnahmen ausgereicht werden sollen.
In der vorangegangenen erstenLesung im Bundestag am Mittwochvormittag kam es zu einem zu einem leidenschaftlichen Wortgefecht zwischen Koalition und Opposition geführt.
Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU/CSU) verteidigte zunächst in einer rund 20-minütigen Regierungserklärung die Hilfe für Griechenland.
Es gehe dabei um nichts weniger "als um die Zukunft Europas - und damit um die Zukunft Deutschlands in Europa“, betonte Merkel vor dem Plenum des Bundestages. Europa stehe "am Scheideweg“. Das von den Koalitionsfraktionen gemeinsam eingebrachte Gesetz sei von "enormer Tragweite“ für Deutschland und Europa. Der damit verbundenen Verantwortung sei man sich aber bewusst, versicherte die Regierungschefin.
Daher habe sie als Kanzlerin aber auch vor der Zusage deutscher Hilfen für Griechenland konsequent auf die Erbringung eigener Konsolidierungsanstrengungen gepocht. Jetzt, da sich Griechenland verpflichtet habe, "alles zu tun, um die exorbitante Staatsverschuldung abzubauen“ und auch der Internationale Währungsfonds in die Hilfsleistungen eingebunden sei, werde Deutschland die Kredite gewähren.
Zu frühe Versprechungen ohne Entschuldungsgrundlage hätten dagegen die Erwartungen anderer hoch verschuldeter Staaten erhöht, Hilfe ohne Anstrengungen zu bekommen, verteidigte Merkel ihre zunächst abwartende Haltung.
Sie zeigte sich nun aber sicher, dass der Bundestag das geplante Rettungspaket beschließen werde. „Mit uns kann und wird es eine Entscheidung geben, die der politisch historischen Dimension der Situation Rechnung trägt“, sagte die Kanzlerin.
Die Opposition warf der Kanzlerin in der 90-minütigen Debatte jedoch ein schlechtes Krisenmanagement vor: Die Griechenland-Krise sei zur "größten Belastungsprobe für die EU seit den Römischen Verträgen geworden“, betonte der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dr. Frank-Walter Steinmeier. Dieser Situation sei die Bundeskanzlerin nicht gerecht geworden: Durch ihr Zögern, Griechenland früher Kredite zu gewähren, habe sie „viel Unheil angerichtet“, rügte der Oppositionsführer.
Statt frühzeitig zu Handeln, habe Merkel taktiert und gehofft, dass Griechenlands sein Hilfsgesuch erst nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen stelle. Trotz dieser Kritik schloss Steinmeier die Zustimmung seiner Fraktion für das Gesetz nicht aus.
Die Kredite zu gewähren, sei nicht nur ein Gebot der europäischen Solidarität, sondern auch der ökonomischen Vernunft. Dennoch: Ein Ja zu einer „nackten“ Kreditgewährung werde die SPD nicht geben: "Das ist keine angemessene Reaktion auf die Bedrohung“.
Der SPD-Politiker forderte als Konsequenz die Einführung einer europäischen Finanztransaktionssteuer. Die Kosten der Krise dürften nicht wieder auf die Steuerzahler abgewälzt werden. Es müssten auch die Verantwortlichen zur Kasse gebeten werden.
Dafür plädierte auch Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen. Nur so sei es möglich, "hochspekulative Geschäfte zu belasten“ und die an den Kosten der Krise zu beteiligen, die sie verursacht hätten.
Auch der Grüne ging mit der Kanzlerin in seiner Rede hart ins Gericht: Ihr Zögern habe nicht nur Deutschlands Ansehen und Vertrauen in Europa beschädigt, sondern auch viel Geld gekostet: Dass man jetzt "mit 22 Milliarden ins Risiko gehe“, dafür trage Merkel mit "ihrem Zaudern die Verantwortung“.
Zudem habe sie mit ihrer anfänglich harten Haltung gegenüber den Griechen auch nationale Ressentiments geschürt, monierte der Abgeordnete.
Außerdem gab er zu bedenken, dass der Vorwurf, die Griechen hätten zu lange über ihre Verhältnisse gelebt, nur die "halbe Wahrheit“ sei. "Das griechische Rekordhaushaltdefizit spiegelt sich im deutschen Handelsüberschuss wider!“
Die Anschuldigungen der Opposition, die Koalition habe zu spät auf die Lage Griechenlands reagiert, wehrte Birgit Homburger, Fraktionsvorsitzende der FDP, jedoch strikt als "puren Populismus“ ab. Die Bundesregierung habe "überlegt und klug reagiert“. Krisensituationen erforderten eben "Besonnenheit, keinen Aktionismus“. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf spanne die Koalition einen "Schutzschirm für den Euro und die Ersparnisse der Bürger“ auf.
"Wir bauen eine Brandmauer, damit die Krise nicht von einem Staat auf andere übergreifen kann“, unterstrich die Liberale. Forderungen nach einer Finanztransaktionssteuer lehnte sie aber ab: Dieses Instrument sei nicht zielgenau, das sehe auch der Internationale Währungsfonds so.
Als sinnvoller erachtete Homburger dagegen die von der schwarz-gelben Koalition angestrebte Bankenabgabe. Um ähnliche Krisen in Zukunft zu vermeiden, plädierte sie dafür, den "europäischen Stabilitätspakt zu erneuern und zu schärfen“.
Man brauche Sanktionen gegen die, die die Stabilitätskriterien nicht einhielten, betonte die Politikerin. Dazu gehöre etwa auch die Sperrung von EU-Direktzahlungen an das jeweilige Mitgliedsland.
Für Dr. Gregor Gysi (Die Linke) war dies jedoch nicht das Vordringlichste: Er forderte zur künftigen Krisenprävention, die Finanzmärkte endlich stärker zu regulieren. Hedge-Fonds und so genannte Leerverkäufe an den Börsen müssten generell verboten sowie Ratingagenturen verstaatlicht werden, verlangte er.
Auch sollten Zweckgeschäfte von Banken stärker kontrolliert werden. Darüber hinaus brauche man eine internationale Finanztransaktionssteuer sowie eine Bankenabgabe nach dem Modell des US-amerikanischen Präsidenten Barack Obama, so Gysi.
Die von CDU/CSU und FDP angestrebte Bankenabgabe, bei der alle Institute in einen Zukunftsfonds einzahlen sollten, greife hingegen zu kurz. "Da bekommen Sie jährlich nur 1,2 Milliarden Euro zusammen.“ Zu wenig, um die Kosten einer weiteren Krise abzufedern, monierte der Linspolitiker.
Sorge die Bundesregierung nicht für eine wirksame Regulierung - mit den Aspekten, wie er sie genannt habe - könne seine Fraktion dem Gesetz nicht zustimmen, sagte Gysi.
Volker Kauder, Fraktionschef der Union, gab zwar zu, es sei notwendig, die Spekulation insbesondere gegen Währungen zu unterbinden. Dennoch sei dies nicht das Kernproblem, sondern die hohe Staatsverschuldung: "Ohne die hätten Spekulanten keine Chance“, so Kauder.
Die Erfahrungen mit Griechenland hätten zudem gezeigt, dass die EU in Zukunft stärker ihre Stabilitätskriterien wahren müsse. "Es darf keine Geschenke mehr zulasten der Stabilität des Euro geben“, verlangte Kauder. Diese klare Haltung habe die Bundesregierung auch in den Verhandlungen über die Griechenland-Hilfe gezeigt: Dass sie nicht bereit gewesen sei, „konditionslose Hilfe“ zu leisten, lobte Kauder ausdrücklich. „Es geht hier nicht um Solidarität, sondern Stabilität.“
Auch er betonte, der europäische Stabilitätspakt müsse neu justiert werden. Die europäische Statistikbehörde müsse dazu etwa auch früher Einblick in die Bücher eines Mitgliedstaates nehmen können. Zudem forderte Kauder, es müsse für die Staaten auch ein Verfahren für geordnete Insolvenz - und damit eine Umschuldung - gelten. Dies bringe viel mehr als eine Finanztransaktionssteuer.
Der Gesetzentwurf wurde zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwiesen. Der federführende Haushaltsausschuss hörte am Mittwoch dazu Sachverständige in einer öffentlichen Anhörung. Der Bundestag wird am Freitagvormittag, 7. Mai, über den Gesetzentwurf namentlich abstimmen. Zudem wird über einen Antrag der Linken, die Eurozone zu reformieren und Staatsbankrotte zu verhindern (17/1058) abgestimmt. Der Haushaltsausschuss hat Ablehnung empfohlen (17/1602). Dem Gesetz soll auch der Bundesrat am Freitag zustimmen.