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"Ich sehe das hier nicht als Festveranstaltung, sondern als ein Arbeitstreffen, auf dem wir uns den aktuellen parlamentarischen Fragen stellen." Mit diesen Worten begrüßte Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert Mitglieder und Gäste im CDU/CSU-Fraktionssaal des Reichstagsgebäudes und gab gleichzeitig den "Blick nach vorn" als Motto für das 40. Jubiläum der Deutschen Vereinigung für Parlamentsfragen am Mittwoch, 19. Mai 2010, aus.
Für den Versuch einer Zwischenbilanz sowie die Erörterung aktueller Fragen des Parlamentarismus waren prominente Gäste zu einer Podiumsdiskussion unter dem Motto "Das Parlament in der Bewährung" geladen worden, moderiert durch den Vorsitzenden der Vereinigung, den CDU-Bundestagsabgeordneten Joachim Hörster.
Neben Bundestagspräsident Norbert Lammert beteiligten sich hieran auch Prof. Dr. Alfred Grosser vom Institut d'études politiques de Paris, Prof. Dr.Gerhard Loewenberg von der University of Iowa, Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, ehemaliger Präsident des Bundesverfassungsgerichts und Prof. Dr. Rita Süssmuth, ehemalige Präsidentin des Deutschen Bundestages.
Einig waren sich die Diskutanten darin, dass das Parlament nicht in der Bedeutungslosigkeit versunken sei, wie es die Medien öfter suggerierten. "Nicht wenige in der Exekutive hätten gerne, dass das Parlament so willfährig ist, wie es so oft in der Zeitung steht", sagte Norbert Lammert und fügte an: "Das Parlament hat natürlich auch keinen überragenden, flächendeckenden Einfluss auf die Regierungsebene. Aber es ist dennoch keinesfalls ein zahnloser Tiger, wie es so gerne behauptet wird. Das Parlament ist weder allmächtig noch ohnmächtig. Ich finde, das eine ist so beruhigend wie das andere."
Die Medien, mit denen sich der Bundestagspräsident nach eigenen Worten "in einem geordneten Dauerkonflikt" befindet, identifizierten die Podiumsteilnehmer als entscheidende Größe, die mehr und mehr die öffentliche Wahrnehmung des Parlaments präge.
Rita Süssmuth ließ jedoch Klagen über eine angebliche Medienherrschaft über das Parlament nicht gelten. Durch die medialen Gesetze der permanenten Aufmerksamkeit, so Süssmuth, entstehe für die Parlamentarier auch die Verlockung, "in die Populismusfalle zu tappen" und sich in ihren Äußerungen und ihrem Verhalten so sehr der vermeintlichen Erwartung der Öffentlichkeit anzupassen, dass sie in Wirklichkeit genau das Gegenteil erreichten: "Sie verlieren ihre Glaubwürdigkeit", so Süssmuth.
Auch Hans-Jürgen Papier schloss sich dieser Meinung an und sagte, Parlamentarier müssten gar nicht immer und überall beliebt sein, sondern glaubwürdig in der Sache.
Gleichzeitig machte Papier eine "schleichende Entparlamentarisierung" aus. "Immer mehr politische Weichenstellungen finden außerhalb des Parlaments statt. Das ist gegen die Prinzipien der Transparenz und der Beteiligung."
Zudem fehle es an Nachhaltigkeitsüberlegungen, um Gefahren rechtzeitig vorzubeugen. "Das Parlament darf nicht zur bloßen Gefahrenabwehr verkommen und nur dann für eine schnelle Entscheidungsfindung in der Lage sein, wenn der Ausnahmezustand eingetreten ist - so wie jetzt in der Euro-Krise." Wenn einzelne Parlamentarier jedoch gleichzeitig suggerierten, sie hätten auf alles eine Antwort, wachse eben die Skepsis in der Bevölkerung. "Nicht aber am parlamentarischen System", betonte Papier.
Dieses den deutschen Bürgerinnen und Bürgern näherzubringen und insgesamt weiterzuentwickeln - dies hatten sich 1970 Wissenschaftler, Parlamentarier und Journalisten auf die Fahnen geschrieben, als sie die Deutsche Vereinigung für Parlamentsfragen gründeten.
Damit wollten sie eine Lücke schließen in einer Zeit, in der viele Deutsche Sinn und Zweck des Parlaments nicht recht zu erkennen vermochten, die Außerparlamentarische Opposition (APO) parlamentarische Grundsprinzipien aus den Angel zu heben versuchte und in der auch die journalistische Berichterstattung nicht in der Lage war, der Bevölkerung Funktion und Aufgaben des Parlaments zu vermitteln.
Mehr als 110 öffentliche Veranstaltungen hat die die Vereinigung in den letzten vier Dekaden zu Themen rund um den Parlamentarismus organisiert. Der Vorsitzende Joachim Hörster äußerte die Gewissheit, dass auch künftig noch viele weitere folgen werden. "In jeder Generation muss das Verständnis für den Parlamentarismus neu erkämpft werden."