Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Der Bundestag hat den Koalitionsentwurf zur Stabilisierung des Euro (17/1685) auf Empfehlung des Haushaltsausschusses (17/1740, 17/1741) am Freitag, 21. Mai 2010, in namentlicher Abstimmung verabschiedet. 319 Abgeordnete stimmten für, 73 gegen das Gesetz. 195 Abgeordnete enthielten sich. Zuvor hatten SPD und Bündnis 90/Die Grünen angekündigt, sich zu enthalten, Die Linke lehnte das Gesetz ab.
In namentlicher Abstimmung abgelehnt hat der Bundestag ferner zwei Entschließungsanträge der SPD (17/1809, 17/1810) und einen Entschließungsantrag von Bündnis 90/Die Grünen (17/1808). Ohne namentliche Abstimmung verweigerte die Mehrheit einem Entschließungsantrag der Linksfraktion die Zustimmung (17/1811).
Das Gesetz "zur Übernahme von Gewährleistungen im Rahmen eines europäischen Stabilisierungsmechanismus" sieht vor, dass Deutschland von einem Gesamtpaket von 750 Milliarden Euro Gewährleistungen bis zur Höhe von 123 Milliarden Euro übernimmt, sofern diese Kredite als Notmaßnahmen zum Erhalt der Zahlungsfähigkeit des betroffenen Euro-Mitgliedstaates erforderlich sind. Bei unvorhergesehenem oder unabweisbarem Bedarf könnte die Garantieermächtigung mit Einwilligung des Haushaltsausschusses um 20 Prozent überschritten werden.
Die Bundesregierung muss sich vor Übernahme von Gewährleistungen bemühen, Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss des Bundestages herzustellen. Der Haushaltsausschuss hat das Recht zur Stellungnahme.
Sollte aus zwingenden Gründen eine Gewährleistung übernommen werden müssen, bevor das Einvernehmen mit dem Haushaltsausschuss hergestellt werden kann, dann muss der Haushaltsausschuss sofort nachträglich informiert werden. Es muss eingehend begründet werden, warum die Übernahme der Gewährleistung unabweisbar ist, bevor das Einvernehmen mit den Haushältern hergestellt werden kann.
Darüber hinaus muss der Haushaltsausschuss vierteljährlich über die übernommenen Gewährleistungen und die ordnungsgemäße Verwendung unterrichtet werden.
In ihrem ersten Entschließungsantrag (17/1809), dem 131 Abgeordnete zustimmten und den bei 128 Enthaltungen 328 Abgeordnete ablehnten, hatte die SPD die Regierung aufgefordert, sich international für die Durchsetzung einer Finanztransaktionssteuer einzusetzen, um sicherzustellen, dass sich der Finanzsektor künftig an der Finanzierung der öffentlichen Hand und den Folgekosten der Krise beteiligt.
Dem zweiten Entschließungsantrag (17/1810) stimmten128 Abgeordnete zu, 330 lehnten ihn ab und 124 enthielten sich. Darin wird die Bundesregierung aufgefordert, die Mitwirkungsrechte des Parlaments in Artikel 23 des Grundgesetzes zu achten, wonach dem Bundestag Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müsse. Auch müssten alle weiteren politischen Schritte begleitet sein von einer grundlegenden Veränderung der Informationspolitik und des Krisenmanagements.
Dem Entschließungsantrag der Grünen (17/1808) stimmten 59 Abgeordnete zu. 393 lehnten ihn ab, 131 enthielten sich. Die Fraktion hatte die Regierung darin aufgefordert, dem Bundestag alle entscheidungsnotwendigen Informationen vorzulegen und die Beteiligungsrechte des Parlaments zu achten. Zudem sollten die Spekulation bekämpft, die wirtschaftspolitische Koordinierung gestärkt und die Kosten der Krise gerecht verteilt werden.
Die Linke hatte in ihrem Entschließungsantrag (17/1811) nationale und internationale Sofortmaßnahmen verlangt und eine Reform von EU und Eurozone angemahnt. Unter anderem sollten sich die Mitgliedstaaten dazu verpflichten, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht einzuhalten und eine europaweite Ratingagentur zu gründen.
Die Oppositionsfraktionen kritisierten in einer von vielen Zwischenrufen unterbrochenen Debatte vor allem das Eilverfahren, in dem das Gesetz durch den Bundestag gebracht wurde.
Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin, hielt der Bundeskanzlerin Wortbruch vor, weil sie das Vertragswerk über die so genannte Zweckgesellschaft, die die Milliardenbeträge verwalten soll, dem Parlament nicht vorgelegt habe.
Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) informierte in seiner Rede die Abgeordneten über die Konsultationen der Finanzminister in der Euro-Runde und die Absprachen auf europäischer Ebene. Er versicherte, dass er unverzüglich alle Informationen an das Parlament weitergegeben habe. Richtig sei, dass "wir schnell entscheiden mussten, weil die Märkte mehr auf Deutschland als auf Malta oder Zypern schauen“.
Das sei wichtig, um für Vertrauen zu werben. Den Oppositionsfraktionen hielt er Ausflüchte vor, wenn sie gegen den Rettungsschirm stimmten. "Wir befinden uns auf einer einwandfreien rechtlichen Grundlage“, sagte Schäuble. Es müsse dafür gesorgt werden, dass Defizite in allen europäischen Ländern beseitigt und der Stabilitäts- und Wachstumspakt geschärft werde.
Außenminister Dr. Guido Westerwelle (FDP) mahnte eine Gesamtverantwortung für Europa an. "Sie suchen nach Ausflüchten, weil Sie innenpolitisch eine Abrechnung mit der Regierung wollen“, sagte er an die Adresse der Opposition. Es gehe aber um die Frage, ob Europa stehe oder falle. "Innenpolitik ist Ihr Motiv, aber nicht Verantwortung für unser Land.“ Europa müsse zu einer stabilen Wirtschaftspolitik zurückkehren und die Finanzmärkte müssten reguliert werden, mahnte Westerwelle. Der Wohlstand in Europa hänge auch von der heutigen Entscheidung im Bundestag ab.
Der Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Dr. Gregor Gysi, entgegnete: "Wir sind für eine europäische Integration, aber für eine vernünftige.“ Bislang sei nur über Geld entschieden worden, aber nicht über eine längst überfällige Regulierung der Finanzmärkte. Er forderte die Bundesregierung auf, endlich eine Steuer auf alle internationalen und nationalen Bankgeschäfte einzuführen. "Nur so können Spekulationen begrenzt werden“, betonte Gysi. Zudem kritisierte er die Auflagen für Griechenland als ungerecht, weil damit der Sozialabbau vorangetrieben und die Wirtschaft gedrosselt werde. Das Land brauche aber Wirtschaftswachstum, um seine Schulden zurückzahlen zu können.
Sigmar Gabriel (SPD) hielt der Regierung Taktiererei und Unglaubwürdigkeit vor. "Wir sind nicht gegen das Rettungspaket“, sagte er. Es müsse aber darum gehen, endlich eine andere Richtung in der Wirtschaftspolitik einzuschlagen und die wahren Schuldigen der Krise zur Kasse zu bitten.
Die Bundeskanzlerin fragte er, warum sie nicht im Parlament für eine Finanztransaktionssteuer eintrete, so wie sie es öffentlich geäußert habe. Gabriel hielt ihr vor: "Seit Konrad Adenauer ist nie ein deutscher Bundeskanzler in Europa so vorgeführt worden und hat nie die deutsch-französische Achse so gründlich ruiniert wie Sie.“
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, Fritz Kuhn, kritisierte das Eilverfahren der Gesetzgebung mit scharfen Worten. "Die Bundesregierung geht mit dem Parlament schäbig um“, sagte er. In einer Demokratie sei die Frage des korrekten Verfahrens keine technische Petitesse.
Der CSU-Haushaltsexperte Bartholomäus Kalb erwiderte, die dramatische Entwicklung habe schnelles Handeln notwendig gemacht. Die Grundpfeiler der europäischen Währungsunion dürften nicht in Frage gestellt werden.
In einem gemeinsam von den Fraktionen CDU/CSU, SPD, FDP und den Grünen eingebrachten Antrag (17/1756) wird eine Überarbeitung der Eigenkapitalvorschriften für Banken verlangt und die Bundesregierung aufgefordert, sich im Rahmen der führenden Industrie und Schwellenländer (G20) für eine wirksame Regulierung des Finanzmarktes einzusetzen.
In erster Lesung wurde außerdem ein Gesetzentwurf zur Neuordnung der Bankenrichtlinie (171720, 17/1803) beraten. Damit sollen Schwachstellen bei der Beaufsichtigung der Kreditinstitute geschlossen werden, um krisenhaften Entwicklungen künftig besser vorzubeugen. Außerdem soll die Zusammenarbeit der Bankenaufseher auch über nationale Grenzen hinweg verbessert werden. Die Vorlagen wurden zusammen mit einem Bericht der Bundesregierung über die Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neue gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie (16/13741) zur weiteren Beratung an den Finanzausschuss überwiesen.