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Das "Haus Europa“, von dem die Politik so gerne spricht, hat 269 Zimmer und rund 100 Hektar Garten, in dem garagenhohe Rhododendren blühen. Der schlossähnliche Bau der "Villa Hügel" in Essen, steingewordene Machtdemonstration der bedeutenden Industriellendynastie Krupp, ist wohl ein passender Ort für eine deutsch-polnisch-französische, europäische Begegnung.
Hier, im Herzen des Ruhrgebiets und damit der Europäischen Kulturhauptstadt 2010, verweben sich die Historien dieser drei Nationen: Im 19. Jahrhundert belebt und besiedelt von Millionen Zuwanderern, gerade aus Polen, Zentrum der Rüstungsschmieden, die auf deutscher Seite zwei Weltkriege industriell ermöglichten, besetzt von Frankreich - und seit Jahrzehnten Schauplatz einer der größten industriellen Transformationen der Geschichte, weg von der Schwerindustrie, hin zu Techniken und Fertigungen des dritten Jahrtausends.
Bei ihrem ersten Treffen im "Weimarer Format“ vom 28. bis 30. Mai haben die Parlamentspräsidien Deutschlands, Frankreichs und Polens gemeinsam festgestellt: Das zusammenwachsende Europa kann nicht allein Aufgabe der Regierungen sein, sondern muss unter Beteiligung der Parlamente erfolgen.
Die aktuelle Debatte um die nationalen Haushalte und die Frage, ob und in welchem Maße diese von Seiten der Europäischen Kommission schon im Vorfeld kontrolliert werden sollen, stand im Mittelpunkt des Treffens, das am Samstag auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen stattfand.
"Es kann sicherlich nicht schaden, wenn die EU-Kommission zwischen der Einbringung des Haushaltsentwurfs und den Beratungen dazu im Parlament ihre Einschätzung in Bezug auf die Euro-Stabilitätskriterien abgibt“, sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. "Das tastet die Souveränität nicht nur nicht an, sondern gibt willkommene Orientierung.“
Bernard Accoyer, Präsident der französischen Assemblée nationale, wies auf die Doppelfunktion der Parlamente hin: Sie sind nicht nur Gesetzgeber, sondern sie geben auch aktiv Anstöße in der Politik. Accoyer sprach sich für die Bildung einer europäischen Wirtschaftsregierung aus, damit das Jahr 2010 nicht als Jahr der Spekulationen in Erinnerung bleibe.
Wolfgang Thierse, Vizepräsident des Deutschen Bundestages, erinnerte daran, dass Krisen immer Stunden der Exekutive seien - aber in Zeiten einer dauerhaften Krise könnte dies zu einer dauerhaften Entmachtung der Parlamente führen. Er warnte davor, dass die Politik der Krise atemlos hinterherhetze.
In einer lebhaften Debatte sprach sich Sejm-Marschall Bronisław Komorowski für eine EU-weite Schuldenbremse aus und führte das Beispiel Polen an, wo sie bei 50 Prozent liege.
Gunther Krichbaum, Vorsitzender des Europaausschusses des Bundestages, bekräftigte den Primat der Parlamente und warnte vor einer faktischen Kontrolle nationaler Parlamente durch europäische Institutionen wie EuroStat, das statistische Amt der EU.
Lammert betonte, es seien immer die nationalen Parlamente, die die Haushalte aufstellten und zu verantworten hätten. Diese Kompetenz könne letztlich nicht abgegeben werden. "Die Diskussion hat gezeigt, dass wir drei Parlamentspräsidenten da eine praktisch beinahe identische Einschätzung haben."
Als sehr selbstkritisch zeigten sich die drei Präsidien beim Thema Haushaltsdisziplin und erinnerten an die Aufweichung der selbstgesetzten Stabilitätskriterien. "Wenn große Länder wie Deutschland und Frankreich sich für ihre kleinen Probleme Großzügigkeiten erlauben, dann dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich kleine Länder mit großen Problemen das ebenfalls herausnehmen, wenn sie die gleiche Großzügigkeit für sich reklamieren", sagte Lammert in Anspielung auf Griechenland.
Der Berater in sicherheitspolitischen Fragen dürfe nicht die Angst, sondern die Erfahrung der überwundenen Angst sein, sagte Komorowski in Bezug auf den zweiten, sicherheitspolitischen Themenkomplex der Begegnung. Einigkeit bestand unter den Parlamentspräsidien darin, dass kein Mitgliedstaat der EU alle Sicherheitsaspekte abbilden könne; es bedürfe der arbeitsteiligen Verteidigungsfähigkeit. Dazu müsse man jedoch vorher einen Konsens über eine gemeinsame Sicherheitspolitik finden.
Die Parlamente Deutschlands, Frankreichs und Polens wollen ihre Zusammenarbeit künftig noch verstärken. Mitglieder des Europäischen Parlaments sollen künftig in die Zusammenarbeit zwischen den Ausschüssen der Parlamente einbezogen werden, etwa in gemeinsamen Sitzungen.