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Der CSU-Bundestagsabgeordnete Hartmut Koschyk begrüßt, dass die Bundesregierung die Versenkung der südkoreanischen Korvette "Cheonan" durch Nordkorea als "schwerwiegenden Bruch internationalen Rechts" scharf verurteilt hat. Deutschland stehe in engstem Kontakt mit Südkorea, Japan, den USA und den EU-Partnern, was eine angemessene internationale Reaktion auf die "nordkoreanische Aggression" betrifft, sagt der Vorsitzende der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe und parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium in einem am Montag, 7. Juni 2010, erschienenen Interview mit der Wochenzeitung "Das Parlament". Entscheidend werde sein, China für ein international abgestimmtes Vorgehen zu gewinnen. Das Interview im Wortlaut:
Seit vielen Jahren engagieren Sie sich für einen Austausch mit Korea. Was hat Sie zu dem Thema gebracht?
Meine intensive Beschäftigung mit der deutschen Teilung und Einheit: 1990 kam ich in den Bundestag. Ich arbeitete in zwei Enquete-Kommissionen mit, die sich mit der deutschen Teilung und der Einheit befassten. 1998 suchte man einen neuen Vorsitzenden der deutsch-koreanischen Parlamentariergruppe. Aufgrund meiner Befassung mit der deutschen Einheit übernahm ich den Vorsitz. Das entsprach auch dem Wunsch des damaligen koreanischen Botschafters in Deutschland. Seoul bat um Wiedervereinigungsexpertise.
Was sagen Sie Südkoreanern, die Sie nach den Erfahrungen der deutschen Wiedervereinigung fragen?
Über die Einheit Deutschlands hat die Zwei-plus-Vier-Konferenz entschieden, bestehend aus den vier Siegermächten des Zweiten Weltkriegs und den beiden deutschen Staaten. Es gibt einen ähnlichen Rahmen für Korea: die Sechs-Parteien-Gespräche mit den USA, Russland, China, Japan und den koreanischen Staaten. Zwar sind die Verhandlungen ins Stocken geraten, und es geht in erster Linie um die Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel. Aber man hat auch ins Auge gefasst, über Sicherheit, Zusammenarbeit und Stabilität in Nordostasien zu sprechen. Südkorea sollte versuchen, einen internationalen Rahmen zu finden, der die Situation entspannt.
In Korea hat der Krieg, der vor 60 Jahren ausbrach, die Teilung zementiert. War der Einigungsprozess einfacher für Deutschland, weil Deutsche nie Krieg gegeneinander führten?
Glücklicherweise blieb uns ein heißer Bruderkrieg erspart. Dafür hatten wir den Kalten Krieg; wir hatten eine Blockkonfrontation von Ost und West mitten durch Deutschland. Auf der koreanischen Halbinsel stehen sich heute keine Blöcke mehr gegenüber. Die US-Truppen im Süden sind nicht mehr Ausdruck einer amerikanisch-chinesischen Konfrontation. Diese Konfrontation ist heute überwunden. Amerikaner und Chinesen sind gleichermaßen an Stabilität auf der koreanischen Halbinsel interessiert.
Aber eine Wiedervereinigung bedeutete, dass US-Soldaten an Chinas Grenze stehen. Widerspricht eine mögliche koreanische Einheit Pekings Interessen?
Die Sowjetunion war zunächst auch nicht an einer Wiedervereinigung interessiert. Dann hat sie aber erkannt, dass dadurch mehr Stabilität gewonnen werden kann. Auch für China könnte sich einmal die Frage stellen, was besser wäre: einen Einigungsprozess zu behindern oder zu fördern. Die Einschätzung einer Weltmacht, was besser für sie ist, kann sich sehr schnell ändern. Wenn die Nuklearfrage einmal gelöst ist, wird man schnell zur Frage dauerhafter Kooperationen in der Region kommen.
Die jüngste Entwicklung stimmt wenig optimistisch. Nach dem Bericht eines Ermittlerteams hat Nordkorea die südkoreanische Korvette "Cheonan" versenkt. Sind internationale Sanktionen notwendig?
Die Bundesregierung hat die Versenkung der Korvette zu Recht als "schwerwiegenden Bruch internationalen Rechts" scharf verurteilt. Deutschland steht in engstem Kontakt mit Südkorea, Japan, den USA und den EU-Partnern, was eine angemessene internationale Reaktion auf die nordkoreanische Aggression betrifft. Es wird entscheidend sein, China für ein international abgestimmtes Vorgehen zu gewinnen.
Durch den Angriff starben 46 Menschen. Was will Nordkorea damit erreichen?
Darüber kann man nur spekulieren. Möglich ist etwa, dass Hardliner des nordkoreanischen Militärs diese menschenverachtende Aggression bewusst durchgeführt haben, um die Wiederaufnahme der Sechs-Parteien-Gespräche zu verhindern, zu der China die nordkoreanische Seite entschieden drängt.
Nordkorea spielt immer dasselbe Spiel: Bedrohung Südkoreas, Abbruch der Gespräche, dann Wiederaufnahme der Verhandlungen mit Zugeständnissen an Pjöngjang. Was ist Ihre Meinung: Wie kann man Nordkorea zur Kooperationsbereitschaft bringen?
Nur durch entschiedenes internationales Vorgehen unter Einbeziehung Chinas und Russlands. Auch die südkoreanische Seite will eine diplomatisch-politische Lösung des Konflikts und wirbt aktiv um chinesische Unterstützung.
Was steckt hinter Nordkoreas Konfrontationskurs?
Die Führungsfrage ist ungeklärt. Es gibt zwar das Bemühen Kim Jong-ils, die Macht auf seinen Sohn Kim Jong-un zu übertragen. Aber das wird nicht reibungslos gelingen. Derzeit findet ein Ringen statt zwischen mehr auf Kooperation und mehr auf Konfrontation setzenden Kräften. Das Machtvakuum führt zu keinen klaren Entscheidungen. Man wird vor überraschenden Entwicklungen nicht gefeit sein. Ich kenne viele Deutschland-Experten, die damals mit Blick auf die DDR bis zum Herbst 1989 sagten: Alles stabil, Honecker sitzt fest im Sattel. Dann hat sich herausgestellt, wie wenig das stimmte.
In Seoul ist mit Lee Myung-bak ein Präsident an der Macht, der härtere Töne gegenüber dem Norden anschlägt als seine beiden Vorgänger. Ist Pjöngjangs Konfrontationskurs eine Reaktion darauf?
Das Umschalten auf Konfrontation ist ein Ausdruck der ungeklärten Machtfrage in Pjöngjang. Ich teile die Einschätzung der jetzigen südkoreanischen Regierung, dass man im Verhältnis zu Nordkorea mehr Gegenleistung einfordern muss. Wenn Südkorea dem Norden bei der Nahrungsmittelsituation hilft, dann muss dieser beispielsweise auch mehr menschliche Erleichterungen im innerkoreanischen Austausch gewähren.
Für Vereinbarungen braucht es immer zwei. Aber weder Belohnungen noch Sanktionen führten bislang nachhaltig zu Erfolgen in den Verhandlungen über atomare Abrüstung Nordkoreas. Was soll man tun?
Die internationale Gemeinschaft kann sich gelassen zurücklehnen. Die Zeit spielt für sie. Das nordkoreanische Regime ist auf Kooperation und Öffnung angewiesen. Es ist nicht in der Lage, ohne Hilfe zu überleben. Deshalb wird es an den Tisch der Sechs-Parteien-Gespräche zurückkehren. Daher überlegt Südkorea, ob man Nordkorea nun ein Gesamtpaket anbieten soll: dauerhafter Verzicht auf Nuklearwaffen gegen Sicherheitsgarantien und internationale Unterstützung.
Warum sollte Nordkorea darauf eingehen?
Niemand weiß, wie es im Inneren Nordkoreas aussieht. So führte der Versuch, jede Marktstruktur in Nordkorea zu unterbinden, zu Protesten.
Schließlich lenkte das Regime ein. 1989 hieß es auch, die Regimes in Rumänien und in Albanien würden noch lange halten. Wir wissen heute, dass die Veränderungen von Teilen der Nomenklatura unter Einbeziehung des Sicherheitsapparats ausgingen. Niemand kann ähnliche Entwicklungen für Nordkorea ausschließen.
Der deutsche Einigungsprozess ist bis heute nicht abgeschlossen. Die wirtschaftliche Belastung wäre für Korea noch viel höher als für Deutschland. Was sagen Sie Koreanern, die skeptisch gegenüber einer Wiedervereinigung sind?
Auch Teilung und Konfrontation kosten Geld und bergen Unsicherheiten. Die Überwindung von Teilung und dauerhafter Frieden sind immer besser. In Deutschland problematisiert heute niemand mehr ernsthaft die Kosten der Überwindung der Teilung. Denn wir haben durch die Einheit an Lebensqualität, Sicherheit und an Perspektive gewonnen. Das gilt auch für die koreanische Halbinsel.