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Ob Lohnerhöhungen ein geeignetes Mittel zur Überwindung der Krise durch höheres Wachstum sein können, ist unter Experten umstritten. Bei einer Anhörung des Ausschusses für Wirtschaft und Technologie zum Thema "Wirtschaftspolitik für mehr Wachstum und Beschäftigung in der Europäischen Union - Außenhandel, Arbeitsmärkte, öffentliche Finanzen“ am Mittwoch, 16. Juni 2010, bezeichnete Prof. Dr. Michael Hüther vom Institut der deutschen Wirtschaft "Lohnanpassungen nicht als erste Wahl“. Die Angebotsseite müsse für nachhaltige Dynamik sorgen.
Dr. Heiner Flassbeck von der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung in Genf (UNCTAD) wies dagegen darauf hin, dass es nicht zu der gesetzten Inflationsobergrenze von zwei Prozent passe, dass die Lohnstückkosten in Deutschland geringer anstiegen als um eben diese zwei Prozent.
Es gebe wegen der Einführung des Euro kein Wechselkurssystem mehr, das diese Diskrepanz ausgleichen könnte. Daher müsse der Ausgleich über Lohnerhöhungen erfolgen, wenn man nicht in eine deflationäre Phase geraten wolle.
In Deutschland müssten die Löhne stärker steigen als in anderen Ländern: "Sonst ist die Währungsunion am Ende“, sagte Flassbeck. Länder wie Frankreich und die südeuropäischen Staaten würden mit der Situation nicht mehr klarkommen, es sei denn, man richte eine Transferunion ein.
Prof. Dr. Henrik Enderlein (Hertie School of Governance) wies darauf hin, dass es Länder in Europa gebe, die schnell gewachsen seien, aber den Boom nicht zur Sanierung ihrer Haushalte genutzt hätten. Als Beispiele nannte er Griechenland und Spanien.
Andere Länder wie Deutschland müssten aber genauso darauf achten, die Staatsschuldenregel einer Höchstverschuldung von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts einzuhalten. Deutschland solle nicht auf die französischen Rufe hören, jetzt die Konjukturlokomotive zu spielen.
In diesem Zusammenhang lehnte Hüther die auch von Frankreich geforderte EU-Wirtschaftsregierung ab. Die EU habe ihre Politik 2009 erfolgreich koordiniert und damit wieder für Vertrauen gesorgt. Dafür brauche man keine europäische Wirtschaftsregierung. Außerdem sei der Anteil der Industrie in den nationalen Volkswirtschaften in Europa viel zu unterschiedlich, als dass eine europäische Wirtschaftsregierung Vorgaben machen könnte.
Auch Prof. Dr. Claudia Buch (Universität Tübingen) verwies auf die Unterschiede zwischen den Ländern und ergänzte, dass es auch innerhalb der Industrie sehr viele Unterschiede gebe. Einheitliche Regelungen könne es dennoch in einigen Bereichen geben, etwa bei der Bankenaufsicht.
Nach Ansicht von Dr. Daniela Schwarzer (Stiftung Wissenschaft und Politik) kann der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt durch Sanktionsmöglichkeiten für Defizitsünder und andere Variablen erweitert werden. Möglich sei die Einbeziehung der Verschuldung des privaten Sektors. Es gehe, wie der Fall Griechenland zeige, nicht nur um Haushaltsprobleme, sondern auch um die Wettbewerbsfähigkeit.
Nach Ansicht von Enderlein könnten die Leistungsbilanzen als Kriterium in den Stabilitätspakt aufgenommen werden.
Liste der geladenen Sachverständigen