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Von einer kontroversen Debatte zwischen den Sachverständigen geprägt war am Mittwoch, 7. Juli 2010, der Auftakt einer öffentlichen Anhörung des Umweltausschusses unter Vorsitz von Eva Bulling-Schröter (Die Linke) über die zwischen Koalition und Opposition umstrittene Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken. Die Befürworter einer längeren Nutzung der Atommeiler wie Dr. Rolf Martin Schmitz vom RWE-Vorstand argumentierten, die weitere Nutzung des Nuklearstroms fördere den Ausbau der erneuerbaren Energien und reduziere den Kohlendioxidausstoß.
Die Verteidiger des bisherigen Ausstiegsszenarios wie der Hannoveraner Oberbürgermeister Stephan Weil (SPD) betonten hingegen, nur bei einer Abkehr von der Kernkraft lasse sich auf dem Elektrizitätsmarkt die Wettbewerbsposition der regenerativen Energien stärken.
Rainer Baake, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe, wies auf die Sicherheitsrisiken von Atommeilern hin. Dem Hearing lag ein auf die Beschleunigung des Ausstiegs zielender Antrag der Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen zugrunde (17/1766).
RWE-Vorstand Schmitz erklärte, der vor allem von den Konzernen vorangetriebene Ausbau der erneuerbaren Energien sei sehr kostenintensiv. Dieses Geld stamme in hohem Maße aus Einnahmen, die mit dem Betrieb von Kernkraftwerken erzielt würden. Jede Abschaltung schwäche diese Finanzkraft.
Zudem sorge die nukleare Grundlastelektrizität, so der RWE-Vertreter, für Stabilität im Stromnetz, weil mit diesen Kapazitäten die Schwankungen bei der Einspeisung von Elektrizität aus regenerativen Quellen ausgeglichen werden könnten. Wie Prof. Dr.-Ing. Alfred Voß (Universität Stuttgart) hob Schmitz hervor, dass eine Laufzeitverlängerung bei den Atommeilern zur Reduzierung des Kohlendioxidausstoßes beitrage. In diesem Fall, so Voß, verringere sich auch der Import von Strom aus fossilen Trägern.
Aus Sicht von Schmitz, Voß und Prof. Dr. Justus Haucap (Universität Düsseldorf) profitieren die Verbraucher bei den Elektrizitätspreisen erheblich von einer längeren Nutzung der Nuklearenergie. Voß rechnete den Abgeordneten vor, dass die Konsumenten je nach Ausgestaltung einer Laufzeitverlängerung in einer Größenordnung von 50 bis 140 Milliarden Euro entlastet würden.
Die zusätzlichen Gewinne der Konzerne würden sich, so der Wissenschaftler, auf 40 bis 160 Milliarden Euro summieren, doch sollte dieses Geld ja zum Großteil vom Staat abgeschöpft werden. Laut Haucap lässt sich das Ziel, bis 2020 die Kohlendioxidemissionen um 40 Prozent zu senken, ohne drastische Preissteigerungen nur im Falle einer Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke erreichen.
Nuklearstrom sei eine günstige Grundlastkapazität. Haucap räumte indes ein, dass eine längere Inbetriebnahme zu einer "Zementierung“ der Marktstrukturen bei konventionellen Energien zulasten des Wettbewerbs führe. Für Stephan Weil schadet eine Laufzeitverlängerung hingegen der Energiewende. Die Zukunft liege im Ausbau einer dezentralen Stromerzeugung auf kommunaler Ebene, wobei bei den 750 Stadtwerken die Kraft-Wärme-Kopplung eine große Rolle spiele, so der Präsident des Verbands Kommunaler Unternehmen.
Die Stadtwerke mit einem Anteil von bislang zehn Prozent an der Elektrizitätsherstellung wollten ihre Kapazitäten von rund 13.000 Megawatt um mehrere tausend Megawatt erhöhen. Diese Investitionen drohten sich jedoch nicht mehr zu rechnen, wenn sich die mit den neuen Kraftwerken produzierte Elektrizität wegen der längeren Nutzung von Atomstrom nicht mehr verkaufen lasse, kritisierte der SPD-Politiker. Weil sagte: "Eine Laufzeitverlängerung perpetuiert den Status quo.“
Nach den Worten Prof. Dr. Uwe Leprichs verringert sich der Bedarf an nuklearem Grundlaststrom in dem Maße wie der Anteil erneuerbarer Energien am Elektrizitätsmarkt steigt. Der Saarbrücker Wirtschaftsprofessor warf den Konzernen vor, bislang wenig Interesse am Ausbau der erneuerbaren Energien an den Tag zu legen. Der aus solchen Quellen erzeugte Strom steuere bei RWE nur 3,5 Prozent zur Elektrizitätsproduktion bei.
Für Rainer Baake von der Umwelthilfe haben die Gründe, die ursprünglich zum Beschluss über den Atomausstieg führten, nach wie vor Gültigkeit: das Risiko eines unbeherrschbaren Unfalls, die ungelöste Entsorgungsfrage und die Furcht vor einer unkontrollierten Weitergabe von nuklearem Material.
Zudem müsse man zwischenzeitlich die von möglichen terroristischen Luftangriffen auf Atommeiler ausgehenden Gefahren beachten, so der Sprecher der Umwelthilfe. Vor allem die sieben ältesten Kernkraftwerke, bei denen jetzt eine Laufzeitverlängerung zur Debatte stehe, seien gegen solche Risiken in keiner Weise gesichert.