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Der Streit um die Laufzeiten für Atomkraftwerke hat die Debatte um zwei Anträge von SPD Bündnis 90/Die Grünen zur Brennelementesteuer geprägt. SPD, Grüne und Die Linke pochten auf den von der damaligen rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2000 beschlossenen Ausstieg aus der Atomkraft. Vertreter von Union und FDP hielten dagegen, dass eventuell deutlich längere Laufzeiten notwendig seien.
Die SPD-Politikerin Ingrid Arndt-Brauer sah den Beschluss der Bundesregierung, im kommenden Jahr 2,3 Milliarden Euro von den vier Atomkonzernen zu kassieren, als Fortführung der Idee des SPD-Vorsitzenden Sigmar Gabriel. Dieser habe eine Brennelementesteuer schon im vergangenen Jahr gefordert. Für die Steuer gebe es gute Gründe.
Zum einen würden Konzerne begünstigt, weil sie für Atomenergie keine Emissionszertifikate kaufen müssten. Ihr Strom sei somit günstiger, aufgrund der Vorgänge an der Börse könne sie ihn aber zu einem höheren Preis als nötig verkaufen. Außerdem kämen hohe Kosten auf die Gesellschaft zur Sanierung der Endlager zu.
Das Bundesumweltministerium schätze allein 7,5 Milliarden Euro für die Instandsetzung von Morsleben und der Asse. Die Steuer sei europakonform. "Eine Brennelementesteuer gibt es in ähnlicher Form seit den achtziger Jahren in Schweden, daran hat sich niemand gestört", sagte Arndt-Brauer. Sie verwies auf den Antrag der SPD (17/2410), in dem eine Steuer ab dem 1. Januar 2011 in Höhe von 3,1 Cent pro Kilowatt gefordert wird.
Die Grünen, die eine Brennelementesteuer von netto 2,5 Cent pro Kilowattstunde in ihrem Antrag (17/2425) fordern, warfen der Bundesregierung vor, sich von der Atomindustrie erpressen zu lassen. "Sie trauen sich doch gar nicht, die Steuer ohne das Geschenk der Laufzeitverlängerung einzuführen", rief Sylvia Kotting-Uhl.
Bärbel Höhn unterstellte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), nach einem Gespräch mit den Leitern der vier großen Energiekonzerne seine Meinung geändert zu haben. Vorher habe er sich für eine Brennelementesteuer unabhängig von der Frage der Laufzeitverlängerung ausgesprochen. Jetzt verfahre er nach dem Motto "Sicherheit gegen Geld".
Sie kündigte eine Klage der Grünen vor dem Bundesverfassungsgericht an für den Fall, dass die Regierung eine Laufzeitverlängerung umsetzen wolle, ohne den Bundesrat einzubeziehen. "Wir werden gewinnen, Sie kommen damit nicht einfach durch", gab sich Höhn kämpferisch.
Dr. Frank Steffel (CDU/CSU) verteidigte dagegen eine mögliche Verlängerung der Laufzeit von Atomkraftwerken und damit eine Abkehr von der Politik von SPD und Grünen. Atomkraft sei nur eine "Brückentechnologie", sagte Steffel. Das Ziel der Regierung sei es, "so schnell wie möglich den Energiebedarf der Deutschen aus regenerativen Energien zu decken".
Für die Übergangszeit seien die Meiler jedoch notwendig, "auch das gehört zur Wahrheit dazu", meinte Steffel. Die Atomindustrie werde in der Tat ungerechtfertigt begünstigt. Mit der Abgabe, die die Bundesregierung einführen wolle, würden Subventionen abgebaut und auf dem Strommarkt entstehe mehr Chancengleichheit.
"Lieber jetzt als nie", sagte Eva Bulling-Schröter (Die Linke) zur Brennelementesteuer. Damit werde ein "unhaltbarer Zustand", nämlich die Subventionierung der Atomindustrie durch den Emissionshandel, beendet. Bei der Höhe der Steuer sollten aber auch die Kosten für die Sanierung der Endlager, etwa die "Bruchbuden Asse und Morsleben", berücksichtigt werden.
Sie kritisierte jedoch die Schwerpunkte des vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachten sogenannten Sparpakets, mit dem die Regierung den Haushalt verbessern will. "Atomkonzerne saftig besteuern statt Sozialleistungen abzubauen, das wäre Sozialpolitik", sagte Bulling-Schröter.
Dr. Birgit Reinemund (FDP) verteidigte das Sparpaket. Es beziehe die ganze Gesellschaft ein, auch die Finanz- und Atomsektoren. Viele Fragen in Bezug auf die Brennelementesteuer seien noch offen, unter anderem, wie mit den Auswirkungen auf die Gewerbesteuer umgegangen werden könne.
Den Forderungen, mit dem Geld Endlager zu sanieren, hielt sie entgegen, dass eine Steuer per se nicht zweckgebunden sein dürfe. Werde dagegen eine Abgabe eingeführt, könne man bestimmen, wo genau die Gelder hingingen. Zusammenfassend sagte sie: "Es ist beschlossen, dass die Atomwirtschaft einen Beitrag leisten wird. Er wird mindestens 2,3 Milliarden Euro betragen. In welcher Form der Beitrag kommt, werden wir noch sehen."