Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Der Bundestag hat am Freitag, den 9. Juli 2010, in einer rund 90-minütigen Debatte über die Konsequenzen der Heraufsetzung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre beraten. In einer Großen Anfrage (17/169) hatte die Fraktion Die Linke von der Bundesregierung Aufklärung über die Beschäftigungssituation von älteren Arbeitnehmern verlangt.
Das tatsächliche Renteneintrittsalter liege heute bei 63 Jahren, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Fraktion Die Linke, Klaus Ernst. Er hielt der Bundesregierung vor, die Menschen mit zusätzlichen Sparmaßnahmen in Altersarmut zu treiben. Die SPD-Fraktion verlangte existenzsichernde Löhne als Voraussetzung für eine armutsfeste Rente und erneuerte ihre Forderung nach einem gesetzlichen Mindestlohn.
Ernst verwies darauf, dass eine Beitragserhöhung von lediglich 0,5 Prozent notwendig sei, um das Renteneintrittsalter weiterhin bei 65 Jahren zu halten. Damit müssten die Menschen im Durchschnitt fünf Euro mehr im Monat zahlen. Dazu sei jeder Arbeitnehmer bereit.
Er hielt der Bundesregierung vor, sich hinter dem Argument der Demografie zu verstecken. "In Wirklichkeit machen Sie Politik für die großen Versicherungsunternehmen, damit sich möglichst viele Menschen privat versichern", sagte Ernst.
Die Produktivitätsentwicklung sei viel höher als der demografische Faktor. Es sei aber ein Fakt, dass sich dies nicht in den Löhnen widerspiegele. "Deshalb haben wir ein Gerechtigkeits- und Verteilungsproblem", sagte Ernst.
In der Anfrage, die insgesamt 234 Fragen an die Bundesregierung enthält, heißt es unter anderem, wissenschaftliche Studien untermauerten die Befürchtungen, "dass die Rente ab 67 zu vermehrter Arbeitslosigkeit und Armut im Alter führen wird".
Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesarbeitsministerium, Hans-Joachim Fuchtel (CDU), kündigte für Herbst einen umfangreichen Bericht der Bundesregierung über die Beschäftigungssituation älterer Arbeitnehmer an. Er sagte, bis 2030 werde die Lebenserwartung um durchschnittlich 2,5 Jahre zunehmen.
Gleichzeitig werde das Potenzial der erwerbsfähigen Bevölkerung um sechs Millionen Menschen zurückgehen. "Die Große Koalition hatte den Mut gehabt, sich dieser großen Herausforderung zu stellen", sagte der CDU-Politiker. Das sei keine leichte, aber eine notwendige Entscheidung gewesen. Er betonte, dass sich die Beschäftigungschancen der über 55-Jährigen schon verbessert hätten und die Erwerbstätigkeit in dieser Altersgruppe auf mehr als fünf Millionen gestiegen sei.
Der CSU-Arbeitsmarktexperte Paul Lehrieder verwies auf die Initiative "50 plus" der Bundesregierung, mit der entscheidende Weichen für eine verbesserte Beschäftigungssituation von Älteren gestellt worden seien. "Die Fakten widerlegen das von der Linken beschriebene Schreckgespenst von Armut im Alter", sagte er.
Die SPD-Fraktion zeigte sich enttäuscht über die Antworten der Bundesregierung auf die Anfrage der Linksfraktion. "Wir hätten uns gewünscht, dass Sie Vorschläge machen", sagte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Elke Ferner. Die zentrale Frage sei, wie Beschäftigung sozial abgesichert werde. Nur so könne Armut im Alter verhindert werden.
Ferner hielt der Bundesregierung vor, mit dem Sparpaket und den Kürzungsmaßnahmen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik soziale Unsicherheit zu fördern. Die SPD sprach sich für einen flexiblen Übergang in den Ruhestand aus.
Der sozialpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Dr. Heinrich Kolb, sagte, seine Partei wolle, dass die Menschen selbst über ihren Eintritt in den Ruhestand entscheiden. "Wer grundsicherungsfrei ist, kann mit 60 Jahren in den Ruhestand wechseln. Gleichzeitig fallen alle Zuverdienstgrenzen weg", erläuterte Kolb den FDP-Vorschlag.
Er widersprach der Fraktion Die Linke und sagte, dass Altersarmut kein Massenphänomen in Deutschland sei und auch zukünftig nicht sein werde.
Der Arbeitsmarktexperte die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Dr. Wolfgang Strengmann-Kuhn, plädierte dafür, dass ein selbstbestimmter Übergang in den Ruhestand für alle Menschen möglich sein müsse. "Wir müssen weg vom starren Rentenalter", sagte er. "Flexibilisierung des Renteneintritts ist eine wichtige Voraussetzung für die Verlängerung der Lebensarbeitszeit."
Zudem trete seine Fraktion für eine garantierte Mindestrente ein, die den Grundbedarf decke, sagte Strengmann-Kuhn.
In ihrer insgesamt 256 Seiten starken Antwort (17/2271) stellt die Bundesregierung unter anderem klar, dass die Altersgrenze stufenweise angehoben werde. Der Bundestag hatte im März 2007 die schrittweise Anhebung des Rentenalters ab dem Jahr 2012 beschlossen. Ab 2029 soll es dann bei 67 Jahren liegen.
Eine Sonderregel gilt für Menschen mit 45 Beitragsjahren: Sie können auch künftig ohne Abschläge ab 65 in Rente gehen. Andere können nach 35 Beitragsjahren zwar auch ab 63 in den Ruhestand wechseln, müssen aber erhebliche Einbußen verkraften. Von den Unternehmen verlangt die Bundesregierung, sich mehr auf die veränderte demografische Entwicklung einzustellen.