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Es ist eines der größten Reform- projekte der schwarz-gelben Koalition in dieser Legislatur und soll in dieser Woche abgeschlossen werden: Am Freitag, 12. November 2010, stimmt der Bundestag über den Gesetzentwurf zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) namentlich ab. Ab 9 Uhr werden die Abgeordneten 90 Minuten lang über die Gesetzentwürfe der Koalition (17/3040) und der Bundesregierung (17/3360, 17/3441) debattieren und anschließend auf der Basis der Beschlussempfehlung des Gesundheitsausschusses (17/3696) abstimmen. Die SPD (17/3707), Die Linke (17/3708) und Bündnis 90/Die Grünen (17/3709) haben jeweils Entschließungsanträge zum Gesetzentwurf vorgelegt. Über den Entschließungsantrag der Linksfraktion soll namentlich abgestimmt werden.
Die Pläne der Koalition, nach denen der GKV-Beitragssatz im kommenden Jahr von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen wird, hatten in den vergangenen Monaten für heftige Auseinandersetzungen im Parlament gesorgt. Während Union und FDP immer wieder betonten, nur über die geplante Reform könne das drohende Defizit in der GKV von bis zu 11 Milliarden Euro abgewendet werden, hatten die Oppositionsfraktionen darin einen massiven Angriff auf das Solidarsystem gesehen.
Nach den Plänen von Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler (FDP) werden Arbeitgeber ab dem 1. Januar 2011 einen Beitrag von 7,3 Prozent zahlen, der auf diesem Niveau eingefroren werden soll. Mehrkosten für Kliniken, Ärzte und Medikamente müssen dann von den Versicherten allein getragen werden.
Vorgesehen ist auch, dass gesetzliche Krankenkassen künftig Zusatzbeiträge in unbegrenzter Höhe von ihren Versicherten verlangen können. Der für Geringverdiener geplante Sozialausgleich, der dann greifen soll, wenn der durchschnittliche Zusatzbeitrag zwei Prozent des Einkommens eines Versicherten übersteigt, wird von der Opposition allerdings als unzureichend bemängelt.
Befürworter der Reform versprechen sich davon mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen. Weil in Folge der Anhebung des Beitragssatzes Mehreinnahmen in die GKV fließen werden und der Gesundheitsfonds 2011 Einnahmen in Rekordhöhe von 181,1 Milliarden haben wird, rechnet Minister Rösler jedoch damit, dass im kommenden Jahr noch keine Zusatzbeiträge erhoben werden.
Im Gesetzentwurf heißt es, die Reform sei nötig, um die "strukturellen Probleme des heutigen Finanzierungssystems im Hinblick auf die zukünftige Entwicklung" zu beheben.
Damit die Leistungsfähigkeit und die Qualität der medizinischen Versorgung trotz des steigenden Anteils älterer Menschen und der Möglichkeiten des medizinischen Fortschritts auch weiterhin gewährleistet werden könne, müsse damit begonnen werden, die Finanzierungsgrundlagen für die GKV auf eine solide Basis zu stellen.
Die Ausgaben der GKV wüchsen seit vielen Jahren schneller als die beitragspflichtigen Einnahmen. Geplant ist daher, neben der Einnahme- auch die Ausgabenseite zu verändern: So dürfen die Verwaltungskosten der Krankenhäuser in den kommenden beiden Jahren nicht steigen, zudem wird der Ausgabenzuwachs bei der Vergütung in der vertragsärztlichen Versorgung in den Jahren 2011 und 2012 insgesamt begrenzt.
Insgesamt sollen im kommenden Jahr Einsparungen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro und im Jahr 2012 in Höhe von 4 Milliarden Euro erreicht werden. Darin enthalten sind auch die erwarteten Ausgabensenkungen aufgrund des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes (17/2413) in Höhe von knapp 2 Milliarden Euro, das ebenfalls zum 1. Januar 2011 in Kraft treten soll.
Zur Abstimmung steht auch Anträge der SPD (17/3427), aus Gründen des Patientenschutzes keine "Vorkasse" in der gesetzlichen Krankenversicherung zuzulassen, sowie der Linksfraktion (17/1238), die eine "solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung in Gesundheit und Pflege" einführen will. Zur Beratung steht ferner ein Bericht des Spitzenverbandes der gesetzlichen Krankenversicherungen über die Erfahrungen mit Rechtsänderungen im zweiten Absatz des Paragrafen 13 des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (16/12639). Darin geht es um die zum 1. April 2007 eingeführte Möglichkeit, die Kostenerstattung auf die ambulante ärztliche oder zahnärztliche Versorgung zu beschränken oder sie ausschließlich für veranlasste Leistungen oder Krankenhausbehandlung zu wählen. (suk)