Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2010
Die von der Koalition von CDU/CSU und FDP geplante Anhebung der Tabaksteuer im Rahmen des Sparprogramms ist von der Zigarettenindustrie als maßvoll begrüßt worden. Zoll und Zollgewerkschaft warnten dagegen in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses am Dienstag, 30.November 2010, zum Gesetzentwurf zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (17/3025) und des Antrags zur Änderung des Tabaksteuergesetzes vor einer drohenden Ausweitung des Schwarzmarktes. So erklärte der Deutsche Zigarettenverband, die vorgesehenen "moderaten“ jährlichen Steuerschritte würden nicht nur den Herstellern, sondern auch Staat, Industrie und Handel verlässliche Planungssicherheit geben. Die Anhebung sei "nachvollziehbar und ausgewogen“.
Im Gegensatz zu früheren stärkeren Erhöhungen werde diesmal keine Abwanderung von Konsumenten zu unversteuerten Zigaretten erwartet. Nach Vorstellungen der Koalition sollen Zigaretten pro Packung jährlich um vier bis acht Cent teurer werden. Feinschnitttabak soll allerdings erheblich verteuert werden, und bei ECO-Zigarillos sollen Raucher in zwei Schritten um insgesamt über 50 Cent pro Stück belastet werden.
Wie schon der Zigarettenverband sprach auch der Vertreter des Herstellers Philipp Morris von einem Schritt in die richtige Richtung und nannte die im Vergleich zu Zigaretten geplante stärkere Besteuerung von Zigarillos und Tabak "mit Blick auf die in der Begründung angeführten gesundheits- und finanzpolitischen Ziele folgerichtig“.
Auch Prof. Dr. Michael Adams (Universität Hamburg) verlangte eine höhere Besteuerung von Feinschnitt, um das Steueraufkommen zu sichern. Dagegen verwies der Verband der Rauchtabakindustrie auf den "Puffereffekt“ bei Feinschnitt-Tabak. Bei früheren Steuererhöhungen seien viele Verbraucher auf den preiswerteren und legal besteuerten Tabak ausgewichen und hätten nicht zur Schmuggelware gegriffen.
Kritisch befasste sich der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mit dem Sparpaket. Auf den ursprünglich vorgesehenen Abbau von Subventionen für energieintensive Betriebe sei verzichtet worden. Statt dessen sollte jetzt die Tabaksteuer angehoben werden. Der DGB verwies darauf, dass die Steuererhöhung Menschen mit geringem Einkommen stärker belaste. Außerdem erschwere Deutschland die Angleichung der Steuersätze in Europa, wo es schon heute Preisunterschiede bis zu 600 Prozent gebe.
Prof. Dr. Berthold Wigger vom Karlsruher Institut für Technologie sprach von "regressiven Verteilungseffekten“. Einkommensschwächere Schichten würden nicht nur einen höheren Anteil ihres Einkommens für Tabakprodukte ausgeben, sondern es gebe innerhalb einkommensschwächerer Schichten auch einen höheren Anteil an Rauchern.
"Aus verteilungspolitischer Perspektive sind höhere Tabaksteuern deshalb problematisch, wenn sie keinen Lenkungszweck haben, sondern nur Einnahmezwecken dienen sollen“, schrieb Wigger in seiner Stellungnahme.
Die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft bezweifelte die Annahme, dass Konsumenten nicht stärker auf Schmuggelware oder legale Grenzeinkäufe zurückgreifen würden. Trotz der fünf Tabaksteuererhöhungen zwischen 2002 und 2005 würden die Einnahmen zwischen 13 und 14 Milliarden Euro stagnieren. Der Absatz versteuerter Zigaretten sei in Deutschland von 143 Milliarden Stück im Jahr 2002 auf 85 Milliarden im vergangenen Jahr gesunken.
Die Gewerkschaft sprach von "dramatischen Zahlen“ beim Anteil unversteuerter Zigaretten. So seien in der Region Oder-Spree im östlichen Brandenburg 60 Prozent der Zigaretten nicht versteuert, in Berlin 54,8 Prozent, im Ruhrgebiet 17,8 Prozent und in München 16,1 Prozent. (hle)