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Am Donnerstag, dem 2. Dezember 2010, will der Bundestag in einer 90-minütigen Debatte über den erstmals von der Bundesregierung vorgelegten Bericht über die Anhebung des Rentenalters auf 67 berat (17/3814). Mit Verabschiedung der Rente mit 67 verpflichtete sich die Bundesregierung, ab 2010 alle vier Jahre Bilanz über die Beschäftigungs- situation älterer Arbeitnehmer zu ziehen. Der Bericht soll klären, ob die Anhebung des Rentenalters sozial und wirtschaftlich vertretbar ist. Beraten werden soll auch der Rentenversicherungsbericht 2010 mit dem Gutachten des Sozialbeirats (17/3900). Die SPD hat einen Antrag mit dem Titel "Chancen für die Teilhabe am Arbeitsleben nutzen - Arbeitsbedingungen verbessern - Rentenzugang flexibilisieren" angekündigt, der anschließend im Ausschuss für Arbeit und Soziales weiterberaten werden soll. Auch Bündnis 90/Die Grünen haben einen Antrag (17/4046) vorgelegt, in dem die Regierung aufgefordert wird, die Voraussetzungen für die Rente mit 67 zu schaffen.
Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) erklärte, die Teilhabe von Älteren auf dem Arbeitsmarkt habe sich deutlich verbessert. Gleichzeitig kämen immer mehr junge Menschen nach und der Fachkräftemangel werde in den kommenden Jahren noch zunehmen.
"Deswegen halte ich es nicht nur für notwendig, sondern auch für vertretbar, an der behutsamen, schrittweisen Anhebung des Renteneintrittsalters bis zum Jahr 2029 festzuhalten", betonte von der Leyen bei der Vorstellung des 152-seitigen Berichts.
Als einzige aller im Bundestag vertretenen Fraktion verlangt Die Linke eine sofortige Rücknahme der Rente mit 67 und hatte bereits im Bundestag einen entsprechenden Antrag (17/2935) gestellt. Sie argumentiert, dass lediglich 7,5 Prozent aller Menschen, die 2008 mit 65 in Rente gegangen seien, unmittelbar zuvor sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren.
Die Linksfraktion befürchtet deshalb eine Welle von Altersarmut und verlangt den Umbau der Renten- in eine Erwerbstätigenversicherung, in die alle Arbeitnehmer einzahlen müssen. Nach Angaben der Bundesregierung gehen die die Menschen derzeit durchschnittlich mit rund 63 Jahren in Rente.
Die SPD setzt sich in einem eigenen Antrag unter dem Titel "Chancen im Arbeitsleben nutzen“ für einen flexiblen Übergang in den Ruhestand und mehr Beschäftigungsmöglichkeiten für Ältere ein. Sie fordert, den für 2012 vorgesehenen Einstieg in die Rente mit 67 auszusetzen, weil die Voraussetzungen für eine Erhöhung gegenwärtig nicht gegeben seien. Als Begründung führt die Fraktion an, dass derzeit 40,5 Prozent der Männer und nur 32,2 Prozent der Frauen aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in den Ruhestand wechseln.
Die SPD verlangt einen eigenen Gesetzentwurf, in dem geregelt ist, dass ein Einstieg in die Rente mit 67 erst dann möglich ist, wenn die rentennahen Jahrgänge, also die 60- bis 64-Jährigen, mindestens zu 50 Prozent sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind.
Im Bericht der Bundesregierung heißt es: "Das Ziel muss sein, die aus der demografischen Entwicklung resultierende Belastung gerecht auf alle Generationen zu verteilen." Eine Stärkung des Generationenvertrags vermeide Verteilungskonflikte zwischen Jung und Alt. Voraussetzung dafür seit, dass notwendige Weichenstellungen frühzeitig erfolgen.
Die wirtschaftliche und soziale Situation von Älteren auf dem Arbeitsmarkt habe sich verbessert. Zudem sei die Generation 65plus so gesund und leistungsfähig wie noch nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik, heißt es in dem Rentenbericht.
Vor diesem Hintergrund kommt die Regierungskoalition zu dem Schluss, dass die 2007 beschlossene Anhebung der Regelaltersgrenze auf 67 Jahre angemessen auf die demografische Entwicklung und die sich abzeichnende Veränderung im Altersaufbau der Bevölkerung reagiert. Ziel sei die Stärkung der Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung.
Die Altersgrenzen werden ab 2012 von derzeit 65 Jahren schrittweise über 18 Jahre hinweg auf das vollendete 67. Lebensjahr angehoben. Erst für die Jahrgänge ab 1964, also die heute 46-Jährigen und Jüngeren, gilt die Regelaltersgrenze von 67 Jahren.
Ministerin von der Leyen mahnte jedoch zugleich, "wir müssen die noch vor uns liegenden 19 Jahre nutzen, um die Rahmenbedingungen für erfülltes Arbeiten bis 67 deutlich zu verbessern". Das bedeute: mehr betriebliche Gesundheitsförderung und altersgerechte Arbeitsplatzgestaltung, mehr Qualifizierung und ständige Weiterbildung bereits im mittleren Alter.
Dazu gehöre auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder Pflege. "Der Staat kann Anstöße geben. Unverzichtbar ist aber die Weitsicht und tätige Verantwortung der Sozialpartner in der täglichen betrieblichen Praxis", sagte die Ministerin.
Nach Einschätzung der Bundesregierung ist die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt mit aktuell weniger als drei Millionen Erwerbslosen positiv. Dieser Trend zeige sich auch bei der Erwerbstätigkeit der Älteren. Deutschland habe auch das EU-Ziel, die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen bis 2010 auf mindestens 50 Prozent zu erhöhen, bereits im Jahr 2007 überschritten, heißt es in dem Bericht.
Auch die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Älteren sei deutlich gestiegen. Seit dem Jahr 2000 habe sich die Erwerbstätigenquote der über 55-Jährigen nahezu verdoppelt und liege aktuell bei rund 40 Prozent.
"In Zukunft droht eine erhebliche Arbeitskräftelücke. Auf das Potenzial der Älteren kann die deutsche Wirtschaft daher nicht länger verzichten", schreibt die Bundesregierung. Die in der Vergangenheit häufig praktizierte Frühverrentung habe zu einem negativen Bild der Leistungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer beigetragen.
Als wichtigste demografische Trends listet der Bericht auf, dass es bis 2030 rund sechs Millionen weniger Menschen im Alter zwischen 20 und 64 geben wird. Dafür wird aber die Zahl der 65-Jährigen um fünf Millionen ansteigen. 1960 waren zwölf Prozent der Bevölkerung 65 Jahre oder älter. Heute sind es schon 21 Prozent, 2030 werden es 28 Prozent sein.
Gleichzeitig hat die Lebenserwartung zugenommen und ist in den vergangenen 50 Jahren bei Männern und Frauen um elf Jahre gestiegen. Damit hat sich auch die durchschnittliche Rentenbezugsdauer in den vergangenen 50 Jahren von 9,9 Jahren im Jahr 1960 auf 18,2 Jahre im Jahr 2009 nahezu verdoppelt. (sn)