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Für eine Änderung des Lissabon-Vertrags, die nötig wird, damit der geplante Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) eingesetzt werden kann, hat der Bundestag am Donnerstag, 17. März 2011, grünes Licht gegeben. Somit kann Kanzlerin Angela Merkel zusammen mit den anderen Staats- und Regierungschefs beim EU-Gipfel am 24./25. März die Einrichtung des ESM jetzt auch mit der Rückendeckung des Parlaments beschließen. Einem entsprechenden Antrag der Koalitionsfraktionen (17/4880), der die "Einvernehmensherstellung von Bundestag und Bundesregierung" über diese Frage zum Ziel hat, stimmte der Bundestag gegen die Stimmen der Opposition zu. In dem Antrag fordern die Koalitionsfraktionen, dass die Finanzierungslasten eines ESM „intergouvernemental nach festen Anteilsregelungen ausgestaltet“ werden sollen. Auch „gemeinsam finanzierte oder garantierte Schuldenankaufprogramme“ müssten ausgeschlossen werden. Zudem solle der Mechanismus „Teil eines Gesamtpakets werden, welches die Haushaltsdisziplin durch konsequente Verschärfung des Stabilitäts- und Wachstumspakts verbessert“.
Zu Beginn der Debatte hatte Michael Link, Sprecher für Haushalt und Finanzen der EU in der FDP-Fraktion, deutlich gemacht, dass der Parlamentsvorbehalt unbedingt eingehalten werden müsse. Wenn der ESM eingesetzt und dann aktiviert würde, berühre das das Königsrechts des Parlaments: die Haushaltssouveränität.
Er erinnerte die Regierung auch an die „zentrale Forderung der Koalition“: eine absehbare und kalkulierbare obligatorische Gläubigerbeteiligung.“An diesem Punkt dürften in den Verhandlungen „keinerlei Aufweichungen“ zugelassen werden. Wichtig sei ebenfalls, dass Hilfe aus dem ESM „Ultima Ratio unter strengsten Bedingungen“ bleibe.
Das unterstützte auch Michael Meister (CDU/CSU). Der ESM solle ein dauerhafter Rettungsschirm sein, der aber nicht dauerhaft in Anspruch genommen werde. „Es darf keinen Automatismus geben“, forderte Meister. „Nur mit der Zustimmung des Bundestages soll die Aktivierung möglich sein.“
Meister sagte, er freue sich, dass die SPD-Fraktion dem ESM, der beim EU-Gipfel am 24./25. März auch formell beschlossen werden soll, zustimmen wolle, wenn die Ratifizierung im Bundestag ansteht.
Dies hatte der europapolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Michael Roth, zuvor in der Debatte angekündigt. Die Zustimmung seiner Fraktion sei allerdings an Bedingungen geknüpft, vor allem daran, dass der Bundestag künftig früher an solchen Entscheidungen beteiligt werde.
Zustimmen wolle seine Fraktion aber aus ganz bestimmten Gründen: „Es geht um Solidarität im wohlverstandenen europäischen Sinne und im nationalen Interesse“, so Roth. „Wir als Exportnation müssen Interesse an stabilen Märkten und einem starken Euro haben, und an einer EU, die sich nicht ständig mit sich selbst beschäftigt.“
Es sei seiner Fraktion nicht leicht gefallen, dem "Zickzack-Kurs der Regierung" zu folgen, sagte Roth. Zunächst sei ein Rettungsschirm abgelehnt worden, dann habe die Regierung ihn befürwortet. Dann hätte sie gefordert, er müsse zeitlich befristet sein. Nun sei der ESM als dauerhafter Rettungsmechanismus geplant.
Manuel Sarrazin (Bündnis 90/Die Grünen) sagte, dass die Position der Regierung und der Koalitionsfraktionen nichts mehr mit der Haltung von vor einem Jahr zu tun habe. „Aber niemandem ist vorzuwerfen, dass er dazu lernt“, so Sarrazin. Auch seine Fraktion wolle dem ESM zustimmen, wenn diese Entscheidung im Bundestag anstünde.
Er kritisierte ebenfalls, dass der Bundestag in der Vergangenheit „seiner Informationsrechte beraubt“ worden sei. „Verbessern Sie das“, mahnte er die Regierung.
Alexander Ulrich von der Linksfraktion bemängelte, dass mit dem ESM die „Symptome und nicht die Ursachen" der Krise behandelt würden. Die Regierung betreibe Placebopolitik. Aus Sicht seiner Fraktion sei der geplante ESM ein „dauerhafter Bankenrettungsplan“. Maßnahmen, die auch die Verursacher der Krise zur Bewältigung mit heranziehen, seien dagegen nicht geplant, so Ulrich.
Ein Antrag seiner Fraktion (17/4882), mit dem die Regierung aufgefordert werden sollte, dem Europäischen Stabilitätsmechanismus beim Europäischen Rat Ende März nicht zustimmen, wurde wie je ein Antrag von SPD (17/4881) und Bündnis 90/Die Grünen (17/4883) abgelehnt. (nt)