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Am 1. Juli dieses Jahres startet der Bundesfreiwilligendienst. Mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen hat der Bundestag am Donnerstag, 24. März 2011, den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes (17/4803) in einer durch den Familienausschuss leicht geänderten Fassung (17/5249) angenommen. Bis zu 35.000 Männer und Frauen werden nun jährlich einen freiwilligen und gemeinwohlorientierten Dienst im sozialen, ökologischen und kulturellen Sektor oder im Bereich der Integration und des Zivil- und Katastrophenschutzes leisten können. Die Dienstzeit wird mindestens sechs und höchstens 18 Monate dauern, in Ausnahmefällen 24 Monate.
In die Trauer um den Verlust des Zivildienstes mische sich bei ihm die Freude auf den neuen Bundesfreiwilligendienst, sagte der Unionsabgeordnete Markus Grübel. Das mit der Aussetzung des Wehrdienstes verbundene Ende des Zivildienstes stelle die Gesellschaft vor eine große Herausforderung. Mit dem Bundesfreiwilligendienst sei in kurzer Zeit "etwas Großes und Gutes geschaffen worden“, sagte Grübel. Dies sei auch das Fazit einer Sachverständigenanhörung.
"Wir ermöglich nun freiwilliges Engagement in einer ganz großen Breite in Deutschland“, betonte der CDU-Politiker. Künftig könnten sich Menschen "allen Alters im Bundesfreiwilligendienst engagieren“. Die von der Opposition geäußerte Kritik am Nebeneinander von Bundesfreiwilligendienst und Jugendfreiwilligendiensten nannte Grübel "kleinkariert und wenig konstruktiv“.
Es herrsche Einigkeit in der Einschätzung, dass diese "langfristig zusammengeführt werden“. Derzeit scheitere dies jedoch an verfassungsrechtlichen Fragen.
Er habe bei der besagten Anhörung viele kritische Stimmen gehört, entgegnete der SPD-Abgeordnete Sönke Rix. Diese hätten sich unter anderem auf die staatliche Steuerung und die Doppelstrukturen mit anderen Diensten und die Regelung bezogen, wonach ein Kindergeldbezug während des Bundesfreiwilligendienstes nicht möglich ist.
Die Experten hätten zudem eine einheitliche Struktur gefordert. Diesen Kritikpunkten schließe sich seine Fraktion an, sagte Rix. "Wir hätten von ihnen ein Gesamtkonzept erwartet statt einer Regelung, mit der Lücken gefüllt werden sollen.“ Zudem sei die von Grübel gemachte Zusage, man plane Änderungen beim Kindergeld in einem künftigen Steuergesetz, nicht ausreichend. "Wir sollen heute über das Gesetz entscheiden“, sagte Rix.
Durch das Gesetz erhalte die Freiwilligkeit einen starken Impuls, sagte die FDP-Abgeordnete Miriam Gruß. Besonders positiv sei, dass künftig der Bundesfreiwilligendienst für Männer und Frauen aller Altersgruppen geöffnet sei. Ihrer Fraktion sei es besonders wichtig, dass auch in dem Bereich Integration Möglichkeiten der freiwilligen Arbeit eröffnet würden.
Junge Menschen, so Gruß, wollten sich engagieren, da sie dadurch Möglichkeiten erhielten, „Einblicke zu gewinnen und den Horizont zu erweitern“. Gerade im europäischen Jahr der Freiwilligkeit sei das Gesetz „ein tolles Signal der Koalition“.
„Der Bundesfreiwilligendienst wird schnell wieder Geschichte sein“, prognostizierte Harald Koch (Die Linke). Bei der Anhörung habe es Kritik an den Doppelstrukturen und die Forderung nach Zusammenführung der Dienste gegeben. Umso mehr sei es falsch, einen Platzhalter zu schaffen, gegen den die bisherigen zivilgesellschaftlich organisierten Freiwilligendienste in Rückstand geraten könnten.
Der Bundesfreiwilligendienst sei zudem ein Bürokratiemonster, kritisierte Koch. Er sei unnötig und zugleich das „einzige Aushängeschild der Bundesregierung in der Jugendpolitik“. Seine Fraktion fordere hingegen die endgültige Abschaffung der Wehrpflicht und die Schaffung von regulären Arbeitsplätzen.
Auch wenn die Grünen bei der Aussetzung der Wehrpflicht auf der Seite der Regierung seien, könne der Gesetzentwurf nur als „unausgegorenes Ergebnis einer beispiellosen Hauruckaktion“ angesehen werden, kritisierte Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen). Der Bundesfreiwilligendienst werde als Lückenbüßer für den Zivildienst nicht funktionieren und kein Erfolgsmodell sein, sagte er.
Wer aus den Pflichtdiensten aussteige, müsse 150.000 jungen Männern zusätzliche Ausbildungs- oder Studienplätze anbieten. Das habe Bildungsministerin Schavan „lange übersehen, dann ausgesessen und nun plempert es so dahin“. Zudem schaffe man mit dem Bundesfreiwilligendienst ineffektive Doppelstrukturen. Es sei ein „Kardinalfehler“, Dienste erster und zweiter Klasse zu schaffen, urteilte Gehring. Benötigt, so der Grünenabgeordnete, werde ein Gesamtkonzept und eine breite gesellschaftliche Debatte zu dem Thema.
Im Anschluss an die Debatte verabschiedete der Bundestag einen Antrag der Koalitionsfraktionen (17/4692), der eine Stärkung der Jugendfreiwilligendienste fordert. Anträge der SPD-Fraktion (17/2117, 17/3429), der Linksfraktion (17/4845) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/3436) fanden hingegen keine Mehrheit. (hau)