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Der Missbrauch von Leiharbeit steht im Mittelpunkt der 45-minütigen Bundestagsdebatte am Donnerstag, 24. März 2011, ab 16.55 Uhr. Dabei werden die Parlamentarier in zweiter und dritter Lesung über eine entsprechende Anpassung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes beraten. Die hierfür zu Grunde liegende EU-Leiharbeitsrichtlinie soll spätestens bis 5. Dezember 2011 in deutsches Recht umgesetzt werden.
Grundlage für die Debatte sind die Gesetzentwürfe der Bundesregierung (17/4804) sowie der Linksfraktion (17/3752). In ihrem Entwurf untermauert die Bundesregierung ihr Ziel, den Missbrauch der Arbeitnehmerüberlassung zu unterbinden.
Durch die Einführung einer gesetzlichen Regelung, der so genannten Drehtürklausel, will sie künftig verhindern, dass Arbeitnehmer entlassen oder nicht weiter beschäftigt werden und anschließend unmittelbar oder nach kurzer Zeit als Leiharbeiter zu schlechteren Arbeitsbedingungen als die Arbeitnehmer des Entleihers wieder in ihrem ehemaligen Unternehmen oder einem anderen Unternehmen des selben Konzerns eingesetzt werden.
Zwar soll laut Antrag die Möglichkeit, diese Personen als Leiharbeitnehmer in ihren ehemaligen Unternehmen oder einem anderen Unternehmen desselben Konzerns einzusetzen, auch künftig bestehen.
Die Schlechterstellung der Arbeitskräfte und damit der missbräuchliche Einsatz der Arbeitnehmerüberlassung solle jedoch künftig dadurch verhindert werden, dass vom Gleichstellungsgrundsatz abweichende Regelungen in Tarifverträgen für sie keine Anwendung finden können.
Zugleich, heißt es weiter, erfordere die Umsetzung der Leiharbeitsrichtlinie Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Die Richtlinie begrenze etwa den Anwendungsbereich nicht wie im geltenden Recht auf gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung, sondern gelte für wirtschaftlich tätige Unternehmen insgesamt - unabhängig davon, ob sie Erwerbszwecke verfolgen oder nicht.
Zudem würden die Entleiher verpflichtet, den Leiharbeitern Zugang zu den Gemeinschaftseinrichtungen im Unternehmen zu gewähren.
Insgesamt jedoch, so wird im Antrag betont, solle die Arbeitnehmerüberlassung als flexibles arbeitsmarktpolitisches Instrument gestärkt und es sollen ihre positiven Beschäftigungseffekte erhalten werden. Denn die Arbeitnehmerüberlassung leiste einen wichtigen Beitrag dazu, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung schnell in neue Beschäftigungschancen umgesetzt wird.
Gleichzeitig sei die Arbeitnehmerüberlassung ein wichtiges Instrument für die Unternehmen, die durch die Nutzung flexibel auf Nachfragespitzen oder Auftragsflauten reagieren könnten.
Eine strikte Regulierung der Leiharbeit fordert dagegen die Fraktion Die Linke. In ihrem Gesetzentwurf spricht sie sich dafür aus, Leiharbeit lediglich dafür zu nutzen, personelle Engpässe und Auftragsspitzen abzufedern.
Leiharbeiter sollen zudem laut Antrag nicht schlechter entlohnt werden dürfen als ihre festangestellten Kollegen, und die Dauer des Verleihs dürfe einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten. Damit werde gewährleistet, dass Leiharbeitskräfte nicht dauerhaft eingesetzt werden, um Stammbeschäftigte zu ersetzen.
Außerdem müsse das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit" vom ersten Einsatztag an gelten. Angesichts der hohen Flexibilität, die von Leiharbeitsbeschäftigten verlangt werde, müsse eine zwingend zu zahlende Flexibilitätsprämie eingeführt werden, und zwar zehn Prozent vom Bruttolohn.
Zum anderen sei ein Verbot von Befristungen für Arbeitsverträge in der Arbeitnehmerüberlassung einzuführen und der Einsatz von Leiharbeitskräften für Streikbrechertätigkeiten zu verbieten. Sozialeinrichtungen im Einsatzbetrieb sollten auch Leiharbeitsbeschäftigten zugänglich gemacht werden.
Gleiches gilt nach dem Willen der Fraktion für das Angebot an Maßnahmen der beruflichen Weiterbildung. Für Betriebsräte fordert Die Linke ein zwingendes Mitbestimmungsrecht über den Einsatz von Leiharbeit in ihrem Betrieb.
Die geforderten Änderungen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz begründet die Fraktion mit "den verheerenden Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt" durch die bestehende Regelung, die eine Regulierung sowie die strikte Begrenzung der Arbeitnehmerüberlassung dringend notwendig machten.
Der Ausschuss Arbeit und Soziales hat mit Mehrheit der Koalitionsstimmen den Gesetzentwurf der Bundesregierung angenommen. Für einen Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen zur Einführung eines Mindestlohns nach Vorbild des Arbeitnehmerentsendegesetzes stimmten alle Fraktionen bei Enthaltung der Linksfraktion.
Die SPD kritisierte im Ausschuss, der Regierungsantrag enthalte nur marginale Verbesserungen für die Leiharbeit. "Eine Drehtürklausel in das bestehende Gesetz aufzunehmen, ist zwar richtig“, sagte ein Sprecher der Fraktion. "Allerdings ist der vorgesehene Zeitraum von sechs Monaten unzureichend.“
Die CDU/CSU-Fraktion lobte den Gesetzentwurf. "Dies ist ein sehr guter Gesetzentwurf, der sich an den aktuellen Problemen orientiert.“ Der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit in der EU ab dem 1. Mai werde Rechnung getragen. "Für einen Unterbietungswettkampf sind wir damit gut aufgestellt“, hieß es aus der Unionsfraktion, die außerdem betonte, mit der angestrebten Lohnuntergrenze werde man der Tarifautonomie der Zeitarbeitsbranche gerecht.
Die Liberalen betonten, bei der Umsetzung einer Lohnuntergrenze sei ebenso deren Kontrolle wichtig. Sie forderten die Tarifpartner auf, die Frage des Equal-Pay-Prinzips der gleichen Bezahlung für gleiche Arbeit anzugehen. "Wenn es dort im Laufe dieses Jahres keine überzeugenden Lösungen gibt, müssen wir als Gesetzgeber tätig werden“, sagte er.
Demgegenüber kritisierte eine Vertreterin der Linksfraktion, seit Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes 2003 habe sich die Lage in der Zeitarbeit verschärft. "Inzwischen hat die Situation dort nichts mehr mit Equal Pay zu tun“, sagte sie. Das aktuelle Entgeltniveau werde einem reichen Land wie der Bundesrepublik nicht gerecht.
Auch Bündnis 90/Die Grünen kritisierten die aktuelle Situation der Leiharbeitskräfte. "Die Probleme, die aus der Doppelrolle der Leiharbeiter sowohl als Beschäftigte des Verleiher als auch des Entleiherbetriebs resultieren, ist der Regierung offenbar nicht klar“, hieß es aus der Fraktion. "Equal Pay ist nicht Sache der Tarifparteien. Der politische Rahmen ist Ihr Job als Regierung.“
Den Gesetzentwurf der Linksfraktion (17/3752) lehnte der Ausschuss mit Koalitionsmehrheit ab. Darin hatte die Fraktion gefordert, "eine strikte Regulierung der Zeitarbeit“ vorzunehmen und diese „wieder auf die Funktion zurückzuführen, personelle Engpässe und Auftragsspitzen abzufedern“.
Das Prinzip "Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ müsse deshalb ab dem ersten Einsatztag gelten. (jmb)