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Die Koalition wird die Regelungen zur Strafbarkeit der Abgeordneten- bestechung keinesfalls verschärfen. Dies wurde in der Debatte am Freitag, 8. April 2011, zu einem entsprechenden Antrag der Linksfraktion (17/1412) deutlich. Während die Opposition Abgeordnete und Amtsträger gleich behandeln will, lehnt Schwarz-Gelb dies kategorisch ab. Für die Fraktion Die Linke sagte die stellvertretende Parteivorsitzende Halina Wawzyniak zum Beginn der Debatte, dass der Stimmenkauf strafbar sei, sei gut, es „reicht aber nicht aus“. Es gebe genügend Motive und Gelegenheiten für Politiker, bestimme Entscheidungen zu treffen oder dies eben nicht zu tun. Abgeordnete dürften aber nicht korrumpierbar sein. Seien sie es doch, müsse dies Folgen haben – anderenfalls werde das Vertrauen der Bürger in die Politik weiter sinken.
Die Linke will deshalb den Paragraphen 108 des Strafgesetzbuches ändern und um die Formulierung erweitern, „dass alle Handlungen und Unterlassungen, die im Zusammenhang mit der Wahrnehmung des Mandats erfolgen, vom Tatbestand erfasst und auch Drittzuwendungen einbezogen werden“. Sowohl das Versprechen eines mittelbaren als auch das eines unmittelbaren Vorteils sollen demnach als tatsbestandsmäßig angesehen werden.
Die SPD und die Fraktion Bündnis 90/Grünen unterstützen dieses Vorhaben. Es sei „höchste Zeit“, sagte der SPD-Innenexperte Michael Hartmann, dass Deutschland die UN-Konvention gegen Korruption, die es im Jahr 2003 unterschrieben habe, auch ratifiziere.
Allein die Entscheidung dieser Woche, in den Normenkontrollrat eine „sächsische Verfassungsrichterin“ und „einen JU-Vorsitzenden aus Niedersachsen“ zu berufen, sei ein „eklatanter Rechtsverstoß“ und belege, dass es „Einflussnahme und Kumpanei“ gebe, die abgestellt werden müssten. Die Linke gehe in ihrem Antrag zwar in einigen Punkten zu weit, so Hartmann, seine Fraktion sei aber „gesprächsbereit“ und teile die „Gesamtstoßrichtung“.
Für die Bündnisgrünen sagte der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Jerzy Montag, er finde die Debatte um die Abgeordnetenbestechung, die der Bundestag seit Jahren über mehrere Legislaturen hinweg geführt habe, „unwahrhaftig“ und „zum Teil erbärmlich“.
Es sei „peinlich“, dass das Strafrechtsübereinkommen über Korruption des Europarates bislang von 43 Staaten ratifiziert worden sei, Deutschland aber unter den letzten sieben, die dies nicht getan hätten, „die rote Laterne“ trage. Man sei von der EU aufgefordert worden, die strafrechtlichen Regelungen zur Abgeordnetenbestechung zu verschärfen; in dieser Sache nichts zu tun, sei „nicht akzeptabel“.
Die Koalition dagegen lehnt das Vorhaben strikt ab. Abgeordnete und Amtsträger könnten nicht gleich behandelt werden, betonte der Vorsitzende des Rechtsausschusses und CDU-Justizexperte Siegfried Kauder. Amtsträger seien in ihren Entscheidungen an das Gesetz gebunden, während das Abgeordnetenmandat frei sei. Politik sei „ein eigenes Geschäft“, der Sachverhalt der Abgeordnetenbestechung sei „juristisch nicht in den Griff zu bekommen“.
Diese Einschätzung teilt auch die FDP. Der 1. Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion, Jörg van Essen, stellte fest, die Kontrolle der Abgeordneten erfolge über die Öffentlichkeit – der Verlust des Mandats beim Verdacht auf Verfehlungen gehe mit gesellschaftlicher Ächtung einher – eine höhere Strafe könne auch „ein Strafrichter nicht verhängen“.
Abgeordnete seien immer Interessenvertreter etwa ihres Wahlkreises, denen unter Umständen Stimmen versprochen würden, wenn sie bestimmte Projekte umsetzen. Dabei sei es schwierig abzugrenzen, was hinnehmbar und nicht hinnehmbar sei. (suk)