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Die globale Armutsbekämpfung gehört ebenso dazu wie das Erreichen der von den Vereinten Nationen beschlossenen Millenniumsentwicklungsziele. Umweltfragen sowie Herausforderungen durch den Klimawandel und ihre Auswirkungen speziell auf die ärmeren Länder sind weitere Themen, mit denen sich der von der CSU-Abgeordneten Dagmar G. Wöhrl geleitete Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung - kurz AwZ genannt - beschäftigt. Ein besonderes Augenmerk gilt zudem laut Wöhrl der Verbesserung der Bedingungen eines fairen Welthandels. "In dem Bereich gibt es Schäden für die Entwicklungsländer im Umfang von 700 Milliarden Euro“, sagt die Ausschussvorsitzende. "Das ist sechsmal mehr als die gesamte 'Entwicklungshilfe‘ der Welt.“
Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist die Bekämpfung von Krankheiten wie HIV/Aids, Malaria und Tuberkulose. Dazu, so Wöhrl, habe man sogar einen Unterausschuss "Gesundheit in den Entwicklungsländern“ gegründet, dem der Abgeordnete Uwe Kekeritz (Bündnis 90/Die Grünen) vorsitzt.
So vielfältig die Aufgaben sind, so einig ist sich laut Wöhrl der Ausschuss in vielen Fragen. Als langjähriges Bundestagsmitglied sei sie schon in einigen Ausschüssen gewesen, erzählt sie. "Noch nie habe ich aber erlebt, dass man sich so einig über die Zielstellungen ist wie im AwZ.“
Bei aller Übereinstimmung gebe es aber unterschiedliche Auffassungen über die Wege zu diesen Zielen. Die Koalitionsfraktionen, so die Unionsabgeordnete, wollten die Entwicklungspolitik zu diesem Zweck "effektiver und effizienter“ machen. Andere Fraktionen seien der Ansicht, "es muss einfach nur mehr Geld aufgewendet werden“.
Daher gibt es in den Ausschusssitzungen auch immer wieder kontrovers diskutierte Anträge der einzelnen Fraktionen. "Es gibt aber auch fraktionsübergreifende Initiativen“, sagt Wöhrl. Und das seien nicht wenige.
Konsens herrscht auch in der Frage, zu welchen Themen mit welchen Experten öffentliche Anhörungen stattfinden sollten. "Die Vorschläge für die Themen kommen von den Abgeordneten selbst, aber auch von außen“, sagte die Ausschussvorsitzende. Die in der Entwicklungszusammenarbeit engagierten Organisationen trügen ihre Wünsche an die Abgeordneten heran.
Im Gespräch mit den Obleuten der Fraktionen, zu denen Jürgen Klimke (CDU/CSU), Sascha Raabe (SPD), Harald Leibrecht (FDP), Heike Hänsel (Die Linke) und Ute Koczy (Bündnis 90/Die Grünen) gehören, werde dann besprochen, ob es dazu eine Anhörung geben soll. Über die einzuladenden Sachverständigen wird ebenfalls im Konsens und nicht mit Mehrheitsentscheidung entschieden. "Wichtig ist, dass die geladenen Sachverständigen in dem Thema wirklich kompetent sind.“
Immer öfter, so macht Wöhrl deutlich, finden neben den Anhörungen auch die eigentlichen Ausschusssitzungen öffentlich statt. Es würden so viele Wünsche auf Teilnahme etwa von Nichtregierungsorganisationen an den Ausschuss herangetragen, dass vielfach zu nichtöffentlichen Sitzungen mit Zustimmung der Obleute interessierten Vertretern von im Deutschen Bundestag registrierten Institutionen der Entwicklungszusammenarbeit Zugang gewährt werde.
Einer grundsätzlichen Öffnung aller Ausschusssitzungen des Bundestages für die Öffentlichkeit steht sie jedoch skeptisch gegenüber. Es gebe manche Ausschüsse, in denen es besonders wichtig sei, "dass man sehr detailliert und konzentriert“ auf gewisse Themen eingeht. "Wenn da Medienvertreter dabei sind, besteht die Gefahr, dass es zu vielen 'Fensterreden‘ kommt.“
Auch das Zeitkontingent könnte dafür zu knapp werden, befürchtet die Vorsitzende. Schließlich werde die Anzahl der Themen immer größer, die in der für die Ausschusssitzung zur Verfügung stehenden Zeit behandelt werden müssen. "Schauen Sie sich doch nur die zahlreichen derzeitigen Katastrophen in der Welt an“, sagt Wöhrl.
Auf der Tagesordnung des Ausschusses stand auch die derzeit am intensivsten diskutierte Katastrophe. Japan sei zwar "kein Partnerland für uns im Sinne der Entwicklungszusammenarbeit“. Und dennoch: "Wir haben auf der einen Seite die Mittel des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die auf die Entwicklungszusammenarbeit beschränkt sind. Aber wir haben auch die GIZ, die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit, als Durchführungsorganisation. Und die kann auch im Auftrag von Dritten, also etwa des Auswärtigen Amtes, tätig werden.“
Erst unlängst, erzählt Wöhrl, habe sie der Kanzlerin einen Brief geschrieben mit dem Hinweis, dass der Satzungszweck der GIZ erweitert worden sei und die GIZ auch im Auftrag von Dritten tätig werden könne. "Das heißt: Die großen Erfahrungen der GIZ etwa im Katastrophenschutz oder der Aufbauhilfe können wir den Japanern anbieten.“
Die unter der christlich-liberalen Koalition begonnene Reform der Durchführungsorganisation ist aus ihrer Sicht "ein wichtiger Schritt“. Die GIZ sei die Organisation, mit der Deutschland in der Welt tätig wird: "Das ist unser Gesicht.“ Bisher habe es neben der Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit noch verschiedene kleiner, andere Durchführungsorganisationen der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit gegeben.
Mit der Folge, dass im Ausland oftmals nicht zu erkennen gewesen sei, wer "hier überhaupt agiert". Die Reform sei schnell auf den Weg gebracht worden, sagt Wöhrl. Dafür gebühre auch dem Ministerium Dank. Eine Abschaffung des Ministeriums, wie im Wahlprogramm der FDP aus dem Jahr 2009 noch gefordert, war aus ihrer Sicht nie wirklich ein Thema.
Im Gegenteil: "In den Verhandlungen zum Koalitionsvertrag hat das Ministerium einen sehr hohen Stellenwert gehabt.“ So sei auch dort festgelegt worden, dass es zu einer Reform der Durchführungsorganisationen kommen solle. "Hätte man das Ministerium abschaffen wollen, hätte man sich nicht die Mühe zu machen brauchen“, sagt die Ausschussvorsitzende.
Um zu prüfen, wie die bewilligten Gelder vor Ort verwendet werden, muss sicherlich auch viel gereist werden - der etwa nicht? "Ach, das hält sich in Grenzen“, sagt die CSU-Abgeordnete, "ist ja schließlich auch ein Zeitproblem.“ Gleichwohl seien solche Reisen sinnvoll, wenn auch sehr anstrengend. "Wer einmal auf so einer Reise dabei war, wird das Wort 'Lustreise’ nicht mehr in den Mund nehmen“, sagt sie.
Der Terminkalender sei prall gefüllt mit Terminen bis spät in den Abend. Wichtig seien die Reisen, weil schließlich "viel Geld in der Entwicklungsarbeit ausgegeben wird“. Der Etat des Ministeriums liege bei sechs Milliarden Euro und sei der zweitgrößte Investitionsetat der Bundesregierung: "Da muss man schon schauen: Ist das sinnvoll, was mit dem Geld gemacht wird? Und vor allem: Ist das nachhaltig?“
Dass die Parlamentarier bei solchen Reisen möglicherweise einer Inszenierung aufsitzen können nach dem Motto "Seht her, das Geld ist gut angelegt", glaubt die Ausschussvorsitzende nicht. "Über die Jahre haben wir einen gewissen Erfahrungsschatz angehäuft“, sagt sie.
Viele Kollegen seien zudem auch schon sehr lange in diesem Bereich tätig, so dass man durch Nachfragen auch merken könne, "wo es hapert, ob es etwas bringt, ob das Projekt schon auf eigenen Beinen stehen kann, oder ob es ewig subventioniert werden muss“.
Im laufenden Jahr 2011 steht laut Wöhrl mit der ländlichen Entwicklung noch ein ganz großer Bereich auf der Agenda, der "sträflich vernachlässigt wurde in den Entwicklungsländern“. Es gehe darum, Nahrung für die Ärmsten der Armen zur Verfügung zu stellen ,aber auch dafür zu sorgen, dass sie sich selbst ernähren können: "Hilfe zur Selbsthilfe ist schließlich unser Ansinnen.“
Dazu gehöre es, Anschubhilfen zu geben, zu beraten und Know-how bereitzustellen, "damit sich die Länder irgendwann selber helfen können“. Weiterhin beschäftigen wird sich der Ausschuss unter anderem mit der Entwicklung der Lebensmittelpreise und der Rohstoffsituation. Und auch in den Gebieten, in denen es zuletzt zu Katastrophen gekommen ist, wie etwa in Pakistan durch die Flut, müsse geholfen werden. "Das Schlimmste steht den Menschen dort noch bevor“, vermutet Wöhrl.
Es fehle an Nahrung und Zukunftsperspektiven, sagt die Ausschussvorsitzende, die Pakistan im Oktober 2010 selbst besucht hat. Nach wie vor stehe zudem auch Haiti auf der Agenda, und schließlich kämen leider "immer wieder Katastrophen und Konflikte hinzu“.
Über Arbeitsmangel, so scheint es, werden die Mitglieder des Ausschusses für Entwicklung und Zusammenarbeit also auch künftig nicht zu klagen haben. (hau)