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Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) hat den Plan einer Partnerschaft für Demokratie und wirtschaftliche Entwicklung in Nordafrika bekräftigt. In ihrer Regierungserklärung am Donnerstag, 26. Mai 2011, zum Gipfeltreffen der führenden Industrienationen (G8) im französischen Deauville am 26. und 27. Mai sprach Merkel von der "historischen Verpflichtung, den Menschen, die für Freiheit und Demokratie auf die Straße gegangen sind, zur Seite zu stehen". Deutschland müsse seiner Verantwortung für Nordafrika gerecht werden, in dem es in Ländern wie Ägypten und Tunesien einen Beitrag zur Entwicklung von Parteiendemokratie, Pluralismus und Marktwirtschaft leiste. Dafür solle etwa "Partnerschaft für Beschäftigung" geschlossen werden. Deutschland und deutsche Unternehmen sollten sich in Ägypten vor allem in der Berufsausbildung engagieren und für 10.000 zusätzliche Ausbildungsplätze sorgen.
Zum Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästinensern sagte die Bundeskanzlerin: "Am Ende führt kein Weg daran vorbei, dass die Verhandlungen wieder aufgenommen werden." Das Ziel blieben zwei Staaten, die friedliche nebeneinander existieren.
Dazu müsse die palästinensische Seite allerdings der Gewalt abschwören und Israels Existenzrecht anerkennen, Israel müsse seinerseits den Siedlungsausbau stoppen. "Frieden zwischen Israel und der arabischen Welt, insbesondere den Palästinensern, das ist der beste Schutz Israels", sagte Merkel.
Die Kanzlerin kündigte außerdem an, eine Überprüfung der Sicherheitsstandards auch auf internationaler Ebene auf die Agenda des Gipfels zu setzen. Die Gruppe der acht großen Industriestaaten müsse eine "führende Rolle bei der Verbesserung der nuklearen Sicherheit einnehmen". Sie selbst wolle sich bei dem Gipfel "für höchste Standards" einsetzen.
Zudem sei es ihr ein wichtiges Anliegen, beim Treffen auch die Entwicklungszusammenarbeit mit dem südlich der Sahara gelegenen Afrika nicht aus den Augen zu verlieren. Als wichtiges Ziel nannte die Bundeskanzlerin den Abschluss der sogenannten Doha-Verhandlungsrunde der Welthandelsorganisation WTO: "Freier Welthandel ist der beste Wachstumsmotor, den wir uns vorstellen können", sagte Merkel.
In der anschließenden 90-minütigen Aussprache warf die Opposition der Bundesregierung "fehlende Strategie" und "mangelnde Glaubwürdigkeit" vor. Der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Dr. Frank-Walter Steinmeier, nannte Merkels Erklärung einen "leidenschaftslosen Rechenschaftsbericht" und wertete ihn als ein Zeichen einer "Außenpolitik in Lethargie".
Die Bundesregierung lasse jeden außenpolitischen Gestaltungsanspruch vermissen: "Wir sind in Gipfel- und Erklärungsroutinen erstarrt", sagte Steinmeier. "Unterstützen, beitragen, begrüßen" - das seien die am häufigsten auftauchenden Begriffe in der Regierungserklärung gewesen. "Das ist zu wenig für ein Land wir Deutschland", sagte Steinmeier.
Die Maghrebstaaten benötigen nichts Geringeres als eine Art Marshall-Plan. Er hätte sich gewünscht, eine EU-Nordafrika-Partnerschaft zu diskutieren, die konkret "ausformuliert" von Rechtsstaatlichkeit über die wirtschaftliche Entwicklung bis hin zur Öffnung der europäischen Märkte reiche.
"Was Sie und die SPD anders machen wollen, haben Sie nicht gesagt", hielt der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer Brüderle seinem Vorredner entgegen. Deutschlands Position sei keinesfalls eine Position der Schwäche, wie von Steinmeier dargestellt: Die Bundesregierung stehe für ein "starkes Europa" und "Währungsstabilität". Deutschland habe eine "hervorragende wirtschaftliche Entwicklung" vorzuweisen, um die es die ganze Welt beneide.
"Freiheit ohne Marktwirtschaft ist nicht denkbar", sagte Brüderle mit Blick auf Nordafrika und verwies auf Fördermöglichkeiten durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung und auf die deutsche Transformationserfahrung nach 1989.
Gelinge es nicht, in Nordafrika die wirtschaftlichen Perspektiven zu verbessen, werde es eine Abstimmung mit Füßen geben. "Eine ungesteuerte Migration liegt nicht im Interesse der EU", sagte Brüderle. Er plädierte dafür, dass die Teilnehmer des Gipfels sich zu einem Abschluss der Doha-Runde durchringen müssten.
Der Fraktionsvorsitzende der Linken, Dr. Gregor Gysi, begrüßte die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat in der Frage eines militärischen Einsatzes gegen Libyen: "Krieg löst keine Probleme. Er schafft nur neue Probleme, und das wird nun täglich in Libyen bewiesen", sagte Gysi.
Zudem müsse Deutschland "endlich" seine Rüstungsexportstrategie überdenken: "Die lybische Armee hat gegen Demonstranten mit deutsche Waffen gekämpft", sagte der Fraktionsvorsitzende und verwies auf einen Antrag seiner Fraktion, solche Exporte zu verbieten, über den das Parlament namentlich abstimmen solle.
Außerdem nahm Gysi die Aussprache zum Anlass, den Blick auf die Währungsstabilität des Euro zu lenken: Er halte nichts davon, Länder wie Griechenland immer stärker unter Druck zu setzen, Löhne, Sozialleistungen und Renten zu kürzen. Damit fehlten am Ende Steuereinnahmen, und eine "Steigerung von pleite wäre ja noch mehr pleite", sagte Gysi.
CDU/CSU-Fraktionschef Volker Kauder widersprach den Vorwürfen der Opposition, der Bundesregierung fehle der außenpolitische Kompass: "Es war diese Bundesregierung, die schon sehr früh, gleich unmittelbar nach den Entwicklungen in Tunesien und Ägypten, in der EU die Transformationspartnerschaft auf die Tagesordnung gesetzt hat", sagte Kauder.
Von seiner Reise nach Ägypten am vergangenen Wochenende bringe er zudem die Erfahrung mit, dass dort insbesondere beim Thema Bildung die Menschen auf Europa und auf Deutschland mit seinem dualen System der Berufsausbildung setzen würden. Es gehe nun auch darum, über die europäischen Strukturfonds zu diskutieren: Nicht in Brücken und Autobahnen, "in die Köpfe" und in Bildung müsse stärker investiert werden, sagte Kauder.
Zudem wies er auf die Situation der koptischen Minderheit in Ägypten hin: "Die koptischen Christen machen sich zu Recht Sorgen um ihre Sicherheit", sagte er und forderte, bei der künftigen Entwicklung Ägyptens Rechtsstaatlichkeit und Minderheitenschutz einzufordern.
Frithjof Schmidt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen kritisierte, dass sich die Bundeskanzlerin um das Problem nicht erfüllter Zusagen an Entwicklungsländer herumgeredet habe.
Deutschland habe seine Verpflichtungen im Rahmen der Millennium-Ziele lediglich zu 23 Prozent erfüllt. Die USA und Kanada hingegen hätten ihre Ziele übererfüllt. "Wer große Versprechen macht und nicht einhält, wird seiner internationalen Verantwortung nicht gerecht", sagte Schmidt.
Der bevorstehende Gipfel sei ein Test für die Glaubwürdigkeit der Kanzlerin: Dazu gehörten etwa die Frage der Marktöffnung Europas, der Ausstieg aus der Kernenergie und nicht zuletzt Europas Umgang mit den Flüchtlingen aus Nordafrika. Statt zu helfen werde über neue Grenzkontrollen diskutiert - und das sei "schlicht beschämend", sagte Schmidt. (ahe)