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Die Verkleinerung der Bundeswehr wird deutlicher ausfallen, als dies der ehemalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) noch geplant hatte. Dies machte sein Nachfolger Dr. Thomas de Maizière (CDU) in seiner Regierungserklärung zur Neuausrichtung der Bundeswehram Freitag, 27. Mai 2011, vor dem Bundestag deutlich. Nach seinen Plänen soll die Truppenstärke von derzeit 220.000 auf bis zu 175.000 Soldaten gesenkt werden. Zukünftig sollen 170.000 Zeit- und Berufssoldaten in den Streitkräften dienen. Darüber hinaus plant de Maizière fest mit 5.000 Freiwilligen, die einen zwölf bis 23 Monate dauernden Wehrdienst leisten. Es sollen aber Dienstposten für bis zu 15.000 Freiwilligen geschaffen werden. Zu Guttenberg hatte diese 15.000 Freiwilligen noch fest eingeplant und eine Truppenstärke von 185.000 Soldaten anvisiert.
Als Hauptaufgaben der Bundeswehr benannte de Maizière die Bündnisverteidigung und die Beteiligung an internationalen Einsätzen im Ausland im Rahmen der Vereinten Nationen und der Europäischen Union. Hinzu kämen die Landesverteidigung, Amtshilfe bei Naturkatastrophen und schweren Unfällen im Inland, humanitäre Hilfe im Ausland und die Rettung und Evakuierung deutscher Staatsbürger aus dem Ausland sowie Geiselbefreiungen. Dies sei ein "breites Aufgabenspektrum“.
Ziel der Reform sei es, die Streitkräfte strukturell, personell und finanziell in die Lage zu versetzen, diese Aufgaben zu bewältigen. De Maizière betonte, dass die Bundeswehr zukünftig auch dann in internationalen Einsätze entsendet werden soll, wenn nicht vorrangig nationale Interessen betroffen seien.
"Deutschland ist bereit, als Ausdruck nationalen Selbstbehauptungswillens und staatlicher Souveränität zur Wahrung seiner Sicherheit das gesamte Spektrum nationaler Handlungsinstrumente im Rahmen des Völkerrechts einzusetzen. Dies beinhaltet auch den Einsatz von Streitkräften.“ Nach den Plänen des Verteidigungsministeriums sollen zukünftig 10.000 Soldaten gleichzeitig für zwei große und mehrere kleine Auslandseinsätzen zur Verfügung stehen.
Abspecken will de Maizière auch im zivilen Bereich der Streitkräfte. Er plant, die Zahl der Zivilbeschäftigten von derzeit 76.000 auf 55.000 zu senken. Von den Personalkürzungen sei auch sein Ministerium betroffen. Dieses werde von 3.500 auf 2.000 Mitarbeiter verkleinert. Zudem sollen die Führungsstrukturen im Ministerium verschlankt werden.
Bis zum Herbst will der Verteidigungsminister das künftige Stationierungskonzept für die Streitkräfte präsentieren. Keine Angaben machte de Maizière über die Finanzplanung. Diese werde im Rahmen der Haushaltsberatungen nach der parlamentarischen Sommerpause verhandelt.
Er machte allerdings deutlich, dass die Bundeswehr "strukturell unterfinanziert“ sei. Bislang hatte die Bundesregierung ein Sparziel von 8,3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2015 anvisiert. Der Minister kündigte an, dass die grundlegenden Teile der Streitkräftereform in den kommenden zwei Jahren umgesetzt werden. In sechs bis acht Jahren werde sie dann abgeschlossen sein.
Zustimmung für seine Reformpläne bekam Thomas de Maizière auch aus den Reihen der Opposition. Der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rainer Arnold, lobte, mit Thomas de Maizière sei wieder "ein Stück weit Vernunft und Sachlichkeit“ in das Verteidigungsministerium zurückgekehrt sei.
Zugleich griff er scharf dessen Vorgänger Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) an, der die Streitkräftereform "oberflächlich“ betrieben habe. De Maizière habe einige "gravierende Fehler“ der Reform korrigiert.
Allerdings müsse auch er an seiner Reform noch nachjustieren. Die SPD könne zwar die Reduzierung der Zeit- und Berufssoldaten auf 170.000 mittragen, allerdings sei es problematisch, dass in diese Zahl bereits die Reservisten eingerechnet seien.
Kritik übte Arnold am Freiwilligenkonzept der Regierung. Der Minister lasse den klaren Willen vermissen, dass er die 15.000 Freiwilligen überhaupt will. Die Sparziele der Regierung im Verteidigungshaushalt bezeichnete Arnold als unseriös.
Prinzipielle Zustimmung für die Streitkräftereform signalisierte für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen deren Fraktionsvorsitzender Jürgen Trittin. Das "Schaulaufen“ von zu Guttenberg habe jetzt ein Ende. Er bemängelte jedoch, dass die Pläne de Maizières noch immer "von Halbherzigkeit“ geprägt seien.
Trittin bemängelte, dass der Verteidigungsminister noch immer die Bündnisverteidigung als Hauptaufgabe der Bundeswehr ansehe. Dies entspreche aber nicht den sicherheitspolitischen Realitäten. Vernünftiger sei es, die Streitkräfte konsequent auf die Herausforderungen kommender multinationaler Einsätze auszurichten. Er sprach sich für eine Verkleinerung der Truppe auf 160.000 Soldaten aus, wie dies auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Volker Wieker, vorgeschlagen habe. Es sei aber richtig, 10.000 Soldaten für Auslandseinsätze bereitzuhalten.
Selbst Paul Schäfer, verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke, bescheinigte de Maizière zumindest, dass sein Auftreten im Gegensatz zu seinem Vorgänger mehr "seriös als glamourös“ sei. In der Sache lehne seine Fraktion den Umbau der Bundeswehr trotzdem ab.
Der Minister wolle einen "Blankoscheck“ für Interventionen im Ausland. Notwendig sei aber eine "schonungslose“ Bilanz der bisherigen Auslandseinsätze. Er forderte eine Halbierung der Bundeswehr auf 125.000 Soldaten und die Beschränkung der Bundeswehr auf die Landesverteidigung, wie dies auch im Grundgesetz vorgesehen sei.
Uneingeschränkte Zustimmung zu den Plänen de Maizières äußerten hingegen die Vertreter der Koalitionsfraktionen. Der CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder bedankte sich ausdrücklich beim Minister für seine "nüchterne, klare und logische“ Planung.
Die Bundeswehr müsse jene Aufgaben erfüllen können, die "wir außenpolitisch formuliert haben“. Kauder sprach sich für eine gesellschaftliche Aufwertung des Dienstes in den Streitkräften aus. Es müsse klar werden, dass der Dienst in der Bundeswehr lebensgefährlich sei. Für ihren "Dienst am Vaterland“ verdienten die Soldaten die entsprechende Anerkennung.
Die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion, Elke Hoff, mahnte jedoch auch an, dass Auslandseinsätze in Zukunft in der Öffentlichkeit besser begründet werden müssten. Vor allem dann, wenn es auf den ersten Blick um nationale Interessen Deutschlands gehe.
Die nationalen Interessen müssten emotionslos und klar formuliert werden, forderte Hoff. Bei der Entscheidung über zukünftige Auslandseinsätze müssten Interessen, Ziele und Mittel genau abgewogen werden. (aw)