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"Muss i denn, muss i denn zum Städtele hinaus, Städtele hinaus“, tönt es musikalisch aus dem Sitzungssaal der CDU/CSU-Fraktion im Berliner Reichstagsgebäude. Die Sängerinnen und Sänger kommen aus Amerika und sind Stipendiaten des 27. Jahrgangs des Parlamentarischen Patenschafts-Programm (PPP) des Deutschen Bundestages. Im August 2010 waren 372 junge Menschen zwischen 15 und 23 Jahren aus den Vereinigten Staaten in die Bundesrepublik gekommen, um hier in die Schule zu gehen oder zu arbeiten.
Viele hatten zuvor den eigenen Kontinent noch nie verlassen. Groß war die Neugier, aber auch die Angst vor dem Unbekannten. "Ich hielt die Deutschen für kalt und recht verschlossen. Außerdem dachte ich, hier trinken alle immer Bier. Aber so ist es nicht“, berichtet beispielsweise die 18-jährige Hannah, die aus Connecticut kommt und nahe Osnabrück eine zweite Familie gefunden hat.
Nun neigt sich das Austauschprogramm dem Ende entgegen. Doch bevor es Ende Juni, Anfang Juli wieder in die Heimat geht, machte die Gruppe junger Amerikaner am Freitag, 27. Mai 2011, noch den Bundestag unsicher: Ein Vortrag über dessen Arbeitsweise, die Teilnahme an einer Plenarsitzung und eine Podiumsdiskussion über aktuelle politische Themen mit Abgeordneten des Bundestages standen auf der Tagesordnung.
"Ich glaube, es war für uns alle ein Jahr, das uns sehr verändert hat und aus dem wir viel mitnehmen“, bedankte sich eine junge Stipendiatin bei Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert. Stürmischer Applaus der Stipendiaten im Saal, darunter etwa 275 Schüler und 75 junge Berufstätige, gibt ihr Recht.
Erstes Ziel der Gäste war im vergangenen Herbst ein vier- bis sechswöchiger Sprachkurs in einem Sprachcamp, da Deutschkenntnisse nicht vorausgesetzt werden. Und so berichtet Stipendiatin Miranda Quast (17), die derzeit in Augsburg lebt: "Zuvor konnte ich kein Wort Deutsch.“ Nun kann sie sich durchaus als zweisprachig bezeichnen.
Die Monate seit dem Sprachcamp lebten die jungen Amerikaner quer über die Bundesrepublik verteilt. "Wir sind einfach überall“, sagt Erik Pust, in der Bundestagsverwaltung zuständig für das PPP, nicht ohne Stolz und fährt fort: "Unsere Stipendiaten leben in den großen Städten ebenso wie in der Provinz. Je nach dem, wo sich eben Gastfamilien finden und die Austauschorganisationen passende Schulen oder Arbeit haben.“
An seine ersten Tage in Deutschland erinnert sich der 17-jährige Steven Anderson aus New Jersey, der bei einer Familie nahe Hannover untergebracht ist, genau: "Das war so aufregend. Alles war anders, so deutsch.“
Heimweh sei gar kein oder nur kurzzeitig ein Problem gewesen, sind sich Steven, Hannah und Miranda einig. Facebook, Skype, Twitter und Co habe es leichter gemacht. "Manchmal aber auch schwieriger“, meint Steven und berichtet: "Eine Woche lang hatte ich Heimweh, als zuhause an der Schule das Homecoming-Fest war und ich über Facebook die Bilder sah. Aber dann dachte ich: Hey, ich bin in Deutschland. Das ist viel besser als so ein blöder Ball!“
So groß die Skepsis zu Beginn war, so groß ist nun die Wehmut: "Natürlich freuen wir uns auf die Familie und die Freunde zuhause. Wir haben sie fast ein Jahr nicht gesehen“, sind sich Miranda und Hannah einig und Steven ergänzt: "Doch nun haben wir zwei Familien. Eine hier in Deutschland und eine in Amerika. Es wird wohl ein schwerer Abschied…“
Bundestagspräsident Lammert ist sich als Schirmherr der Besonderheit dieses Projekts bewusst: Er bekomme viele Schirmherrschaften angeboten, doch diese sei "etwas ganz Besonderes“. Es gehe beim PPP darum, "Eindrücke zu vermitteln und Vorurteile abzubauen“.
Und Philip D. Murphy, US-Botschafter in Deutschland: "Wir müssen die Kulturen verstehen, Freundschaften pflegen und Verbindungen knüpfen.“ Dies sei eine Investition in die Zukunft: "Ich hoffe, dass es hohe Zinsen bringt.“
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen, seit vielen Jahren Berichterstatter für Internationale Austauschprogramme der Kommission des Ältestenrates für Innere Angelegenheiten, rief den jungen Gästen zu: "Ihr seid die Führungskräfte der Zukunft. Denn wer solch eine Erfahrung durchhält, der schafft noch viel viel mehr!"
Abgeordnete des Bundestages betreuen patenschaftlich die jungen Amerikaner in ihren Wahlkreisen. Zur gleichen Zeit verbringt eine vergleichbare Zahl deutscher PPP-Stipendiaten ein Jahr in den USA.
Der Bundestag und der Kongress der USA hatten das als Stipendium angelegte Austauschprogramm im Jahr 1983 vereinbart. Seit 1984 reisen die Stipendiaten ins jeweilige Austauschland.
Bisher haben knapp 20.000 Jugendliche aus beiden Ländern am PPP teilgenommen. (aha)