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Einen Fünf-Punkte-Plan zur Umsetzung der Energiewende hat Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung "Der Weg zur Energie der Zukunft" am Donnerstag, 9. Juni 2011, im Bundestag vorgestellt. Er umfasst die Novelle des Atomgesetzes, ein Entsorgungskonzept für Atommüll, die Versorgungssicherung, die zukünftige Energiegewinnung und die Einrichtung eines lückenlosen Monitoring-Programms. Diese Punkte zusammen bezeichnete Merkel als "Herkulesaufgabe“. Sie sind Inhalte des Gesetzespakets zu Atomausstieg und Energiewende, die der Bundestag im Anschluss an die Regierungserklärung in erster Lesung beriet und anschließend zur weiteren Beratung an die Ausschüsse überwies.
Als Begründung für die geplante Energiewende nannte Merkel das Reaktorunglück von Fukushima, das ein "Einschnitt für die Welt" und auch für sie persönlich sei. "Wir trauern mit den Menschen in Japan“, betonte die Kanzlerin. Die Risiken der Kernenergie seien, das habe Fukushima gezeigt, nicht beherrschbar. "Wer das erkennt, muss eine neue Bewertung vornehmen“.
"Ich habe eine neue Bewertung vorgenommen“, sagte Merkel weiter. Die Bundesregierung habe direkt nach der Katastrophe die Reaktorsicherheitskommission für die Sicherheitsüberprüfung der deutschen Atomkraftwerke und die Ethikkommission zur Energieversorgung mit konkreten Arbeitsaufträgen versehen. Die Ergebnisse beider Kommissionen lägen nun vor. Auf deren Basis habe das Kabinett am 6. Juni acht Gesetze beschlossen.
Das 13. Änderungsgesetz des Atomgesetzes legt den Zeitplan des Atomausstiegs fest. Die sieben älteren Atomkraftwerke, die während des dreimonatigen Atommoratoriums abgeschaltet wurden, und die Anlage in Krümmel (Schleswig-Holstein) sollen demnach nicht wieder ans Netz gehen.
Für die Abschaltung der übrigen Atomkraftwerke ist ein Stufenplan vorgesehen. Die letzten sollen bis 2022 aus dem Betrieb genommen werden. Dabei sollen die Reststrommengen der abgeschalteten Anlagen auf die übrigen übertragbar bleiben. Ein weiteres Gesetz soll die Endlagerfrge klären. Bis Jahresende soll eine verbindliche Lösung gefunden werden, kündigte die Kanzlerin an.
Der Bundesnetzagentur will die Regierung entgegenkommen und für die kommenden zwei Winterhalbjahre eines der abgeschalteten Kernkraftwerke als sogenannte Kaltreserve zur Verfügung stellen. Dieses soll notfalls wieder befristet in Betrieb genommen werden, um einen möglichen Blackout zu vermeiden. Dies halte die Bundesnetzagentur für notwendig, sagte Merkel.
Die zukünftigen Säulen der Energieversorgung in Deutschland müssten die erneuerbaren Energien sein, betonte sie. Bereits bisr 2020 sollen 35 Prozent des Stromsaus Wind-, Solar- und Wasserenergie gewonnen werden. Zudem sollen die Emissionen bis 2020 um 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent gegenüber dem Emissionsaufkommen des Jahres 1990 reduziert werden.
Merkel unterstrich, dass ein "Ausstieg ohne Umstieg nicht möglich“ sei. "Die Energieversorgung in Deutschland ist ein hohes Gut. Ihr verdanken wir unseren Wohlstand“, so die Kanzlerin weiter. Deshalb müssten die Stromnetze zwingend modernisiert werden. Bislang seien nur 100 von geplanten 800 Kilometern der Erweiterung des Stromnetzes ferti gestellt worden.
Das Planungsverfahren würde bis zu zehn Jahren dauern, was nach Ansicht der Kanzlerin "nicht akzeptabel“ ist. Aus diesem Grunde habe die Bundesregierung den Entwurf eines Netzausbaubeschleunigungsgesetzes beschlossen.
SPD-Fraktionschef Dr. Frank-Walter Steinmeier warf der Regierung "Unaufrichtigkeit und falsches Pathos“ vor. Sie sei "genau dort jetzt angekommen, wo Rot-Grün die Dinge schon gestaltet“ habe. Die Novelle des Atomgesetzes sei bloß ein "Irrtumbereinigungsgesetz“.
In diesem Zusammenhang griff er Merkels Formulierung der "Herkulesaufgabe“ auf, der sich seine Partei bereits "vor zehn Jahren gewidmet“ habe. Trotz aller Kritik deutete Steinmeier an, dass seine Fraktion die Verabschiedung des Gesetzespakets nicht blockieren werde: "Wenn Sie das phasenweise gestalten, werde ich nicht taktisch und krampfhaft nach Gründen suchen abzulehnen.“
Auf die Kritik der SPD-Fraktion entgegnete Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP), dass die Berücksichtigung der Versorgungssicherheit im Konzept von Rot-Grün komplett gefehlt habe. Doch sie sei im Sinne von Netzstabilität besonders notwendig: "Ein Blackout wäre volkswirtschaftlich nicht zu verantworten“.
Weiter betonte Rösler die Bedeutung der neuen Gesetzentwürfe: "Wir brauchen neue Gesetze, um neue Kraftwerke zu bauen und den Bau zu beschleunigen, um Versorgungssicherheit zu garantieren.“ Zudem müssten energieintensive Unternehmen entlastet werden, "um international wettbewerbsfähig zu bleiben“.
Dr. Gregor Gysi, Vorsitzender der Linksfraktion, kritisierte die 700 Seiten starken Unterlagen, die das Kabinett den Abgeordneten erst am 6. Juni habe zukommen lassen, das aber in der Kürze der Zeit bis zum heutigen Tag niemand habe lesen können: "Diese Art von Tempo zerstört die parlamentarische Demokratie.“
Weiter kritisierte Gysi den späten Ausstieg, da nach Ansicht verschiedener Experten ein kompletter Ausstieg bereits bis 2014 möglich wäre. Die Pläne der Regierung würden lediglich "elf weitere Jahre Fukushima-Risiko“ bedeuten.
Jürgen Trittin, Fraktionsvorsitzender von Bündnis90/Die Grünen, kritisierte zwar Details der Kabinettsbeschlüsse ("Bei all diesen Gesetzen gibt es massiven Änderungsbedarf“) und verlangte Nachbesserungen: "Wir werden im Gesetzgebungsprozess darauf achten.“
Allerdings begrüßte er, dass 25 Jahre nach Tschernobyl die CDU endlich Konsequenzen ziehe: "Das ist spät, aber es ist richtig.“ Ebenso wie Frank-Walter Steinmeier signalisierte auch Trittin die grundsätzliche Unterstützung seiner Fraktion für die Abschaltung der 17 Atomkraftwerke und die dabei vorgesehene sofortige Stilllegung der acht ältesten.
"Der Strom darf nicht ausfallen“, sagte Gerda Hasselfeldt, Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, im Hinblick auf einen möglichen Blackout, der ausgeschlossen werden müsse: "Deshalb müssen wir, wenn wir aus der Kernenergie aussteigen, für den entsprechenden Ersatz sorge.“
Abschließend betonte sie die Bedeutung der neuen Gesetzesentwürfe. An die Abgeordneten richtete Hasselfeldt ihre Hoffnung, dass der Konsens der Koalition "auch in diesem Hohen Haus erzielt“ werde.
CDU/CSU und FDP haben insgesamt acht Gesetzentwürfe vorgelegt: ein 13. Gesetz zur Änderung des Atomgesetzes (17/6070), ein Gesetz zur Neuregelung des Rechtsrahmens für die Förderung der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien (17/6071), ein Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften (17/6072), ein Gesetz über Maßnahmen zur Beschleunigung des Netzausbaus Elektrizitätsnetze (17/6073), ein Gesetz zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen an Wohngebäuden (17/6074), ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Errichtung eines Sondervermögens "Energie- und Klimafonds" (17/6075), ein Gesetzes zur Stärkung der klimagerechten Entwicklung in den Städten und Gemeinden (17/6076) und ein Gesetz zur Änderung schifffahrtsrechtlicher Vorschriften (17/6077).
Die SPD hatte zur ersten Lesung einen Antrag mit dem Titel "Die Energiewende gelingt nur mit Kraft-Wärme-Kopplung (KWK)" (17/6084) vorgelegt. Die Linke fordert in einem Antrag (17/6092) ein Ende der Nuklearenergie bis zum Jahr 2014.
Bündnis 90/Die Grünen treten in einem Gesetzentwurf (17/5931) dafür ein, die Kernkraftwerke bis 2017 abzuschalten. Die Fraktion verlangt, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromversorgung bis 2020 auf deutlich über 40 Prozent anzuheben.
Darüber hinaus fordern sie in einem Antrag (17/6119), Rückstellungen der Atomwirtschaft in Ökowandel-Fonds zu überführen und Sicherheit, Transparenz und ökologischen Nutzen zu schaffen statt an Wettbewerbsverzerrungen und Ausfallrisiko festzuhalten (17/6119). In einem weiteren Antrag (17/6109) verlangt die Fraktion Versorgungssicherheit transparent zu machen und wendet sich gegen Experimente mit atomarer "Kaltreserve". (ver)