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7.30 Uhr: Die Frühstücksidylle mit ihrem Mann Siegfried am Samstagmorgen ist schnell vorbei. Die Bundestagsabgeordnete Marlene Mortler (CDU/CSU) macht sich auf zu ihrem ersten Termin. Für die Politikerin aus dem fränkischen Dehnberg (Landkreis Nürnberger Land) in Bayern gibt es nur selten ein richtiges Wochenende: "Ich habe eben eine Siebentagewoche", kommentiert sie ihren Terminkalender. Denn wenn die Sitze im Berliner Plenarsaal leer sind und viele Wähler die Abgeordneten in der Freizeit wähnen, steht für diese die Arbeit im Wahlkreis an.
50 Minuten Fahrt alleine mit ihrem Auto hat Mortler, die seit 2002 im Deutschen Bundestag sitzt, nun vor sich, ehe sie ihren ersten Termin an diesem Samstag wahrnehmen wird: den CSU-Bezirksparteitag mit Neuwahlen im mittelfränkischen Ansbach. Bereits vor Beginn der Veranstaltung ist sie damit beschäftigt, Kontakte zu pflegen - hier ein kurzer Plausch, dort ein Händeschütteln. Jedem möchte sie das Gefühl geben, wahrgenommen zu werden. "Das gehört einfach zu meinem Beruf", sagt die 55-Jährige aus dem Wahlkreis Roth.
Im mit rund 450 Personen voll besetzten Ansbacher Onoldiasaal nimmt sie den ihr zugedachten Platz in der ersten Reihe ein. Diesmal soll sie nicht nur zuhören und mitstimmen, sondern steht selbst an vorderster Front als Kandidatin für einen Posten im Bezirksvorstand. Für eine Bundestagsabgeordnete eine wohl eher leicht zu nehmende Hürde. Nach Bekanntgabe der Wahlergebnisse erwarten neben Parteifreunden auch Vertreter der Medien kurze Statements.
Doch so gerne sie mit den Menschen spricht, auch ihre Zeit ist begrenzt. Ihre Grundregel für die Terminauswahl lautet deshalb: "Ich entscheide selbst, welche Anfragen ich wahrnehme. Priorität haben für mich diejenigen, die mit meiner Arbeit im Bundestag oder meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten zusammenhängen."
In Berlin hat sie ihre Schwerpunkte bei den Themen Ernährung, Wirtschaft, Verbraucherschutz und Tourismus gesetzt. In der Heimat ist sie unter anderem Vorsitzende der Landfrauen in Bayern sowie Kreisrätin im Nürnberger Land. Da es nicht selbstverständlich sei, dass sich Menschen ehrenamtlich engagieren, ist es ihr besonders wichtig, diesen Menschen durch ihre Anwesenheit Dank und Respekt zu zollen.
Mit zwei Stunden Verspätung geht es daraufhin zum nächsten Termin: Den Business-Dress hat sie gegen ein legereres Outfit getauscht. Begleitet wird sie nun von ihrem Ehemann. Es ist der Versuch, ein wenig Zeit gemeinsam zu verbringen. Das Paar erscheint am Spätnachmittag zum Bürgerfest in der mittelfränkischen Kleinstadt Hersbruck.
Während Mortler im Mittelpunkt steht, hält sich ihr Partner im Hintergrund. "Er war früher der Dominante. Nun ist er meine Basis", erklärt sie. Sofern es der eigene Betrieb zulässt, chauffiert er sie zu den Terminen quer durch den Wahlkreis: "Ich genieße es, wenn er fährt." Rund 294.000 Einwohner zählt ihr ländlich geprägter Wahlkreis, der die Landkreise Nürnberger Land und Roth umfasst.
Marlene Mortler wechselt einige Worte mit Hersbrucker Persönlichkeiten. "Das Netzwerken ist wichtig", sagt die Abgeordnete. Der Besuch einer Bundestagsabgeordneten ist für Norbert Winkler, den Vorsitzenden des Fördervereins der Freiwilligen Feuerwehr, eine Wertschätzung seiner Arbeit: "Es ist eine gewisse Anerkennung und nicht der Regelfall, dass Politiker dieser Größenordnung vorbeischauen."
Nach einer schnellen Apfelschorle steht der Besuch der Deutschen Schnupf-Meisterschaft in Kucha, einem Ortsteil von Offenhausen, auf dem Plan. Rund 200 Teilnehmer kämpfen um den Titel im Schnupftabak-Schnupfen. Ein Event in einer riesigen Scheune, das Mortler amüsiert verfolgt. Nach einer kurzen Ansprache in zünftigem Fränkisch bricht die Abgeordnete zum nächsten und letzten Termin auf.
Inzwischen ist es dunkel geworden im kleinen Örtchen Dehnberg, wo die Freiwillige Feuerwehr eine Sonnwendfeier veranstaltet. Die Kinder toben, die Erwachsenen sitzen dicht gedrängt im kleinen Haus der Feuerwehr und reden. Es geht um die Schule, den Nachbarn, die Kinder. Auch Mortler beteiligt sich an den Gesprächen.
Es ist ihr Heimatort, es sind ihre Nachbarn, für die sie nicht die Abgeordnete, sondern "die Marlene" ist. So zum Beispiel auch für den 65-jährigen Manfred Scheld: "Vor 20 Jahren habe ich bereits mit ihrem Vater Karten gespielt. Es ist eine gewisse Ehre, dass wir in unserem kleinen Dorf jemanden haben, der ein gewisses Feeling nach oben hat."
"Berlin ist eine ganz andere Welt. Aber das wahre Leben spielt sich woanders ab", kommentiert Marlene Mortler solche Aussagen: "Es muss einem immer bewusst sein: Man kann ganz schnell oben sein, aber genauso schnell auch wieder unten." Diese Bodenständigkeit schätzen die Dehnberger an ihrer Marlene. Ihre Berufsausbildung als Hauswirtschaftsmeisterin und der eigene landwirtschaftliche Familienbetrieb tragen dazu bei, dass sie die Bodenhaftung nicht verliert: "Der Betrieb verschafft mir Unabhängigkeit und lässt mich kritisch sein."
Während die Nachbarn noch das gemütliche Beisammensein genießen, möchte Mortler um spätestens halb zwölf Uhr abends zuhause sein: "Dann noch kurz fernsehen mit meinem Mann und danach ab ins Bett." Ein Blick in den Terminkalender verrät: Morgen erwartet ein Soldaten- und Reservistenverein Marlene Mortler zu seinem Festzug im Wahlkreis. Die Arbeit kennt eben kein Pardon und schon gar keinen Sonntag. (aha)