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Für Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen (CDU) war es ein guter Tag: Am Donnerstag, 8. September 2011, diskutierte das Bundestagsplenum den Etat des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, der mit Ausgaben von 126,6 Milliarden Euro den größten Einzelposten im Bundeshaushalt 2012 stellt. Und trotz der Einsparungen von fast vier Milliarden Euro gegenüber dem Vorjahr gab es aus Sicht der Ministerin keinen Grund zur Klage: „Die Zahl der Erwerbstätigen war noch nie so hoch wie jetzt, die Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland liegt deutlich unter dem europäischen Durchschnitt", stellte von der Leyen fest. Auf dem Gebiet der Arbeitsmarktpolitik sei die Merkel-Regierung deshalb „die erfolgreichste Regierung der letzten 20 Jahre".
Mit diesen und mit noch einer anderen Zahl verteidigte die Ministerin dann auch vehement die Kürzungen und Umstrukturierungen bei den Förderinstrumenten für Arbeitslose gegen Kritik aus den Reihen der Opposition. „Wir haben derzeit eine Million offene Stellen und einen Fachkräftemangel", führte von der Leyen aus. Deshalb könne man bei der Arbeitsmarktförderung nicht mehr die „alten Rezepte aus Zeiten der Massenarbeitslosigkeit" anwenden.
Deshalb würden die Schwerpunkte künftig mit der Konzentration auf „Aktivierung, Qualifizierung und Weiterbildung" neu gesetzt und passgenaue Lösungen für die Betroffenen vor Ort entwickelt. Im aktuellen Etat sind 4,40 Milliarden Euro für den Eingliederungstitel eingeplant und damit fast 1 Milliarde weniger als noch 2011 (5,30 Milliarden Euro).
Anette Kramme (SPD) ließ sich von dem selbstwussten Auftritt der Ministerin nicht beeindrucken und warf ihr wegen der Einsparungen vor: „Sie lassen sich von Wolfgang Schäuble die Butter vom Brot nehmen und vergessen ihre Klientel."
Kramme kritisierte vor allem, dass viele „strukturelle Probleme" des Arbeitsmarktes nicht angegangen würden: „Wir sehen keine Ansätze zur Lösung des Fachkräftemangels, denn es fehlt eine Qualifizierungsinitiative", die auch die Langzeitarbeitslosen anspreche.
Die Haushaltsexpertin der FDP, Claudia Winterstein, konnte dem nicht zustimmen. „Wir haben einen Rückgang der Langzeitarbeitslosen von sechs Prozent gegenüber dem Vorjahr" und insgesamt einen „massiven Beschäftigungsaufbau", entgegnete sie.
Deshalb komme es jetzt darauf an, die Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente „passgenau" auszugestalten.
So positiv bewerte Priska Hinz (Bündnis 90/Die Grünen) die Lage allerdings nicht. Sie warf der Regierung vor, bei den Langzeitarbeitslosen zu sparen und forderte gezielte Qualifizierungsmaßnahmen für diese Gruppe.
„Natürlich haben wir eine gute Konjunktur, aber das betrifft die Langzeitarbeitslosen nicht", sagte sie. Und weiter: „Die Bundesregierung diskutiert seit einem Jahr über den Fachkräftemangel und die Ministerin, die dafür zuständig ist, tut nichts dafür."
Dem entgegnete der arbeitsmarktpolitische Sprecher der CDU/CSU, Karl Schiewerling, dass zwar die Summe im Haushaltstitel zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt gesunken sei.
Tatsächlich werde aber pro Kopf mehr Geld für jeden Arbeitslosen ausgegeben, weil deren Zahl gesunken sei.
Die Vorsitzende des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Katja Kipping (Die Linke), prangerte dagegen an, dass der Haushalt für 2012 „deutlich weniger Mittel" für das Arbeitslosengeld II einplane. Gegenüber dem Vorjahr sinken diese Ausgaben um 1,1 Milliarden Euro von 20,4 Milliarden auf 19,5 Milliarden Euro.
Sie bezeichnete in diesem Zusammenhang die Berechnungen der schwarz-gelben Bundesregierung als „verfassungswidrig". Wenn man es „ordentlich" berechne, dann müssten die Regelsätze bei 500 Euro im Monat liegen, sagte sie.
Insgesamt werden die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende mit 33,07 Milliarden Euro im Haushalt verbucht. Das sind 1,1 Milliarden Euro weniger als 2011 (34,19 Milliarden). Dagegen steigt die Beteiligung des Bundes an den Kosten für Unterkunft und Heizung von 3,6 Milliarden im Vorjahr auf 5,1 Milliarden Euro.
Die Kosten der Grundsicherung für Arbeitsuchende stellen nach der Rente den größten Posten im Etat des Arbeitsministeriums dar. Für letztere sind 81,76 Milliarden Euro eingeplant und damit 1,4 Milliarden Euro mehr als 2011 (80,34 Milliarden). (che)