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Die internationale Unterstützung für die nordafrikanischen Reformländer müsse vor allem dazu beitragen, öffentliche Strukturen aufzubauen, damit die Bevölkerung Vertrauen in ein funktionierendes Staatswesen gewinnt, fordert die Abgeordnete Doris Barnett im Interview. Wichtig sei auch die Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE), so die SPD-Politikerin, könne mit ihren Beobachtungsteams bei der Ausrichtung transparenter demokratischer Wahlen helfen. Barnett leitet die Bundestagsdelegation beim Treffen der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, das vom 7. bis 10. Oktober 2011 im kroatischen Dubrovnik stattfindet. Das Interview im Wortlaut:
Die komplizierten und teils blutigen Umwälzungen in Nordafrika machen auch um die OSZE-Konferenz in Dubrovnik keinen Bogen. Sind Sie eigentlich optimistisch, dass diese Weltgegend letztlich eine demokratische Region wird?
Wir dürfen die Entwicklung in Nordafrika nicht unter unserem europäischen Blickwinkel sehen. Diese Länder haben ihre eigenen politisch-kulturelle Traditionen. Die Bevölkerung wollte sich von Tyrannei und Korruption befreien, man hofft auf eine Art „faire Regierung“, die Arbeitsplätze schafft und so ein menschenwürdiges Leben ermöglicht. Wir sollten respektieren, wie solche Anliegen politisch umgesetzt werden, und diesen Staaten nicht sagen, wo es langzugehen hat.
Die OSZE-Abgeordneten wollen mit Parlamentariern aus nordafrikanischen Ländern diskutieren. Aber gibt es denn aus diesen Nationen derzeit überhaupt demokratisch legitimierte Volksvertreter?
Tunesien und Ägypten befinden sich in einer Übergangsphase, die Parlamente in Algerien und Jordanien sind nicht aus lupenreinen demokratischen Wahlen hervorgegangen, in Marokko sind gewissen Reformen zu spüren. Klassisch demokratischen Maßstäben wird nur Israel gerecht. Aber wir sollten den arabischen Delegierten, die nach Dubrovnik reisen, nicht die Tür weisen, sondern sie ernst nehmen, ihnen zuhören und mit ihnen diskutieren. Wir dürfen keine Entfremdung aufkommen lassen.
Die alten Regimes haben gegenüber Israel eine zurückhaltende Politik betrieben und so zur Stabilisierung im Nahen Osten beigetragen, das trifft vor allem auf Ägypten unter Mubarak zu. Besonders der Angriff auf die israelische Botschaft in Kairo vor wenigen Wochen demonstriert nun, dass die Lage plötzlich sehr fragil ist. Drohen die demokratischen Umwälzungen in Nordafrika den arabisch-israelischen Konflikt neu aufzuheizen?
Da müssen wir in der Tat genau aufpassen. Aus dem arabischen Frühling darf keine neue Bedrohung für Israel erwachsen. Dies zu verhindern ist auch die OSZE gefordert. Im Nahostkonflikt darf man nicht nur mit dem Finger auf Israel zeigen, man muss die Araber ebenfalls an ihre Verantwortung erinnern. Dieser Appell richtet sich auch an jene, die in den Reformländern inzwischen das Sagen haben oder in Zukunft die Macht ausüben werden.
In Dubrovnik sollen bei der Debatte mit arabischen Parlamentariern auch israelische Abgeordnete zu Wort kommen. Liegt da vielleicht ein Eklat in der Luft? Oder leisten solche Diskussionen auf OSZE-Ebene einen Beitrag zur Entspannung?
Wenn die Debatte nur von Vorwürfen und Gegenvorwürfen geprägt ist, führt das zu nichts außer vielleicht zu einem Eklat. Wenn alle Beteiligten jedoch mit kühlem Kopf an die Sache herangehen, dürften sich vernünftige Gespräche ergeben, das ist dann auch eine Chance für Annäherung und Verständigung. In Dubrovnik werden Abgeordnete aus verschiedenen OSZE-Ländern und auch ich selbst alles daran setzen, bei Kontakten mit beiden Lagern auf konstruktive Diskussionen zu dringen.
Die G-8-Staaten, also die führenden Industrieländer und Russland, wollen die Reformen in Nordafrika mit fast 40 Milliarden Euro unterstützen. Wie sollte diese gewaltige Summe aus Sicht der OSZE-Parlamentarier sinnvoll investiert werden?
Zunächst einmal geht es darum, öffentliche Strukturen, Verwaltungsapparate, ein Rechtssystem, die Polizei aufzubauen, um Vertrauen in ein funktionierendes Staatswesen zu schaffen. Aber diese Länder müssen auch wirtschaftlich auf die Beine kommen, damit Arbeitsplätze entstehen und man den Lebensunterhalt mit eigener Kraft verdienen kann. Wenn hingegen Andrang bei Suppenküchen herrscht, dann dürften die Demokratien schlechte Chancen haben. Sehr nützlich könnten Joint-Ventures von europäischen mit einheimischen Unternehmen sein. Nach Libyen muss im Übrigen keine finanzielle Hilfe fließen: In diesem Land gibt es allein schon wegen des Öls genügend Geld.
Wie können die OSZE-Abgeordneten ihrerseits die Demokratisierung in Nordafrika befördern?
Wir sind in der Lage, bei der Abwicklung demokratischer Wahlen zu helfen, über unsere Beobachtungsteams vermögen wir für Transparenz und Fairness bei Urnengängen zu sorgen. Das hat die OSZE nach dem Fall des Eisernen Vorhangs bereits in Osteuropa unter Beweis gestellt, auch wenn dort hie und da leider Rückschläge zu beklagen sind. Wir könnten als „Paten“ die arabischen Länder mit Ratschlägen unterstützen, wenn es darum geht, Parlamente und Verwaltungen in der politischen Praxis funktionsfähig zu machen. Das muss natürlich ohne Bevormundung geschehen.
(kos)