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Ob der Bundestag künftig bei Exporten von Rüstungsgütern mitentscheiden soll, war eine der zentralen Fragen während der Debatte zur Rüstungsexportpolitik am Donnerstag, 20. Oktober 2011. Während der Unionsabgeordnete Reinhard Brandl ebenso wie der FDP-Abgeordnete Martin Lindner dies ablehnte, sprachen sich Oppositionsvertreter für eine Parlamentsbeteiligung aus, um so zu mehr Transparenz zu kommen.
In der Frage der Rüstungsexporte sei exekutives Handeln gefragt, sagte Martin Lindner (FDP). „Dabei wird es auch bleiben“, machte er deutlich. Bei den Exporten müsse „restriktiv und maßvoll unter Wahrung der sicherheitspolitischen und wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik Deutschland vorgegangen werden“, so Linder.
SPD und Grünen warf er vor, unter einer Teilamnesie zu leiden, wenn der Eindruck erweckt werden solle, dass unter Schwarz-Gelb Rüstungsexporte dramatisch gestiegen seien. Tatsächlich seien Waffenexporte mit einem seitdem nicht mehr erreichten Umfang von 33 Millionen Euro 2005 unter Rot-Grün nach Tunesien und mit 23 Millionen im Jahre 2007 unter Beteiligung der SPD nach Libyen beschlossen worden. Damals wie heute, so Lindner, sei die Menschenrechtssituation ein „wichtiges, aber nicht das ausschließliche Kriterium“ gewesen.
Würde man jedes Mal eine öffentliche Debatte führen, gäbe es keine Exporte mehr, sagte der CSU-Abgeordnete Brandl. Durch die Geheimhaltung behalte die Bundesregierung vielmehr einen größeren Entscheidungsspielraum, „auch für eine Ablehnung der Anfragen“. Wäre dies anders, käme eine solche Ablehnung einer öffentlichen Brüskierung gleich.
Sein Fraktionskollege Erich G. Fritz verwies darauf, dass jede Regierung bei Anfragen abwägen müsse, um in jedem Einzelfall verschiedene Gesichtspunkte in Einklang zu bringen. Dies gelinge jedoch nicht immer, räumte er ein. Dass der für die Waffenexporte zuständige Bundessicherheitsrat nicht öffentlich tage, halte er für richtig.
Wenn dann aber „fast wörtliche Abläufe des Bundessicherheitsrates“ in der Presse erscheinen würden, halte er als Parlamentarier das für „schwer erträglich“. Daher sei die geführte Debatte darüber wichtig, weil das Parlament in seiner jetzigen Rolle nicht bleiben könne.
Rüstungsexporte in Nicht-EU-Länder sollten die Ausnahme und nicht die Regel sein, forderte Klaus Barthel (SPD). Bei Schwarz-Gelb sei dies jedoch anders, kritisierte er. Das Verhalten der Bundesregierung in der Frage der Waffenexporte sei von einem vorauseilendem Gehorsam gegenüber der Rüstungsindustrie geprägt, befand Barthel. „Wirtschaftliche Interessen dürfen aber nicht das Leitmotiv der Exporte sein“, lautete seine Forderung.
Das Argument der Arbeitsplatzsicherheit aufgreifend, machte der SPD-Politiker deutlich, dass auch seine Fraktion Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie halten wolle: „Aber im Rahmen strikter politischer Vorgaben.“ Barthel räumte auch Fehler früherer Regierungen mit SPD-Beteiligung ein. Diese Fehler dürfe man nicht fortsetzen, sondern müsse daraus lernen. Was die Parlamentsbeteiligung angehe, müsse es das Ziel sein, mehr Transparenz zu schaffen. Die SPD, so kündigte er an, werde dazu Vorschläge machen.
Abgeordnete aller Fraktionen sollten sich darüber empören, dass das Parlament auf Recherchen des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" angewiesen sei, um zu erfahren, welche Beweggründe die Bundesregierung gehabt habe, um Kampfpanzer nach Saudi-Arabien zu exportieren, sagte die Grünen-Abgeordnete Katja Keul. „Die Regierung darf nicht weiter im Verborgenen agieren“, forderte sie.
In Großbritannien, so Keul, sei man da weiter. Dort müsse die Regierung vierteljährlich alle Genehmigungen zum Rüstungsexport bekannt machen, damit sie in einem parlamentarischen Gremium diskutiert werden könnten: „Wir hingegen warten immer noch auf den Exportbericht für das Jahr 2010.“
Der britische Parlamentsausschuss, so Keul weiter, habe die Regierung veranlasst, 160 Exportgenehmigungen in Länder des arabischen Frühlings „entschädigungsfrei zu widerrufen“. Die Bundesregierung habe hingegen nach eigener Aussage keine Genehmigungen für die Ausfuhr von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern in arabische Länder widerrufen.
Der Abgeordnete der Linksfraktion Jan van Aken riet seinen Parlamentskollegen zum Studium eines aktuellen Berichtes von Amnesty International zu Waffenexporten in arabische Länder. Darin könne man nachlesen, dass auch mit Waffen aus Europa Demonstranten getötet worden seien. „Deutschland war da ganz vorn dabei“, so van Aken.
In den vergangenen zehn Jahren seien Genehmigungen zur Lieferung von Rüstungsgütern unter anderem nach Saudi-Arabien im Umfang von 665 Millionen und nach Ägypten von 268 Millionen Euro erteilt worden. Insgesamt betrage die Summe der Lieferung in den nahen Osten und Nordafrika 3,5 Milliarden Euro. Das sei „unerträglich“, da bekannt gewesen sei, dass in diesen Ländern die Menschenrechte nicht beachtet werden und sie sich in Kriegs- und Krisensituationen befunden hätten, urteilte van Aken.
Amnesty International, so der Abgeordnete weiter, würde in dem Bericht zudem von einem „totalen Versagen der Rüstungsexportkontrolle“ sprechen. Der deutsche Export, so van Aken, werde nicht kontrolliert, sondern allenfalls verwaltet.
Im Anschluss an die Debatte lehnte der Bundestag in namentlicher Abstimmung insgesamt 16 Anträge der Linksfraktion ab, in denen gefordert wurde, auf Dauer keine Genehmigungen für Rüstungsexporte in mehrere arabische Länder und nach Israel zu genehmigen (17/5935, 17/5936, 17/5937, 17/5938, 17/5939, 17/5940, 17/5941, 17/5942, 17/5943, 17/5944, 17/5945, 17/5946, 17/5947, 17/5948, 17/5949, 17/5950). Der Wirtschaftausschuss hatte zuvor schon die Ablehnung empfohlen (17/6335) .
Ebenfalls keine Mehrheit fand ein Antrag der SPD-Fraktion (17/7336) sowie zwei Vorlagen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/6931). Die Grünen sprachen sich dafür aus, geplante Kriegswaffenexporte an Drittstaaten rechtzeitig gegenüber dem Bundestag zu begründen. Außerdem sollte für Länder, in denen erhebliche Menschenrechtsverletzungen festgestellt werden, ein genereller Genehmigungsstopp für Kriegswaffen erlassen werden.
Die SPD hatte die Regierung aufgefordert, sich künftig streng an die geltenden Rüstungsexportrichtlinien der Bundesregierung zu halten und dementsprechend eine restriktive Genehmigungspraxis zu praktizieren. (hau)