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Die jüngsten Brandanschläge auf Anlagen der Deutschen Bahn in und bei Berlin haben im Bundestag zu einer kontroversen Debatte über die Extremismusbekämpfung geführt. In einer von CDU/CSU und FDP beantragten Aktuellen Stunde warfen sich Vertreter von Koalition und Opposition dabei am Donnerstag, 20. Oktober 2011, gegenseitig Versäumnisse und Fehleinschätzungen vor. Der CDU-Abgeordnete Jan-Marco Luczak sprach von "perfiden Anschlägen auf den Berliner Schienenverkehr". Nach einem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben gehe es den Tätern um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr. Sie sagten, deutsche Soldaten mordeten weltweit, und rechtfertigten damit, die Bahn als Transporteur von Rüstungsgütern zu sabotieren. Die Bundeswehrsoldaten seien aber vom Bundestag nach Afghanistan entsandt worden, um für Frieden und Freiheit zu sorgen.
Die "Gemengelage aus Brandanschlägen und Kriegskritik" wecke "besondere Erinnerungen", fügte der CDU-Politiker hinzu. Auch die Rote-Armee-Fraktion habe einst mit Brandanschlägen angefangen. Damals habe es geheißen, der Protest gegen den Vietnam-Krieg würde dies rechtfertigen. Geendet habe die Entwicklung der RAF "mit Blut, mit Tränen, mit Tod". Diese Zeiten wolle man nicht noch einmal erleben. Zwar könne er noch nicht abschließend beurteilen, ob man die Taten der RAF mit den jüngsten Anschlägen vergleichen kann. Er wisse aber sicher, dass die Zahl der linksextremen Straf- und Gewalttaten im Lande zunehme.
Der SPD-Parlamentarier Wolfgang Gunkel warf der Union vor, sie wolle "die Dinge hochspielen, um der Bevölkerung offenbar zu suggerieren, dass SPD und andere Parteien nicht in der Lage sind, die Innere Sicherheit zu gewährleisten". Das sei lächerlich. Die jüngsten Anschläge seien "kriminelle Straftaten", die von der Polizei entsprechend verfolgt werden müssten. Wer dies aber mit drei bis vier Jahrzehnte zurückliegenden Ereignissen vergleiche, liege "meterweit daneben". Die damaligen Ursachen etwa der RAF seien von ganz anderen Dingen geprägt gewesen, "als das hier bei diesen Politspinnern der Fall ist". Diese seien auch in der linken Szene für ihr Vorgehen heftig kritisiert worden.
Gunkel verwies darauf, dass auch Bundesinnenminister Dr. Hans-Peter Friedrich (CSU) gesagt habe, die Anschläge hätten "mit Terrorismus nichts zu tun", sondern seien "eine Gewaltstufe der linksextremen Auswirkungen, die wir haben". Dies müsse entsprechend bekämpft werden, und Friedrich handele richtigerweise mit einem verstärkten Einsatz der Bundespolizei auch entsprechend.
Wenn Länder und Bund an Polizei und Innerer Sicherheit sparten, müsse man sich "nicht wundern, wenn dann nicht genügend Ermittlungskapazitäten zur Verfügung stehen, um solche Straftaten von vornherein einzudämmen".
Der FDP-Abgeordnete Dr. Stefan Ruppert betonte, Links- und Rechtsextremismus sowie religiös motivierter Extremismus seien gleichermaßen zu verfolgen. Wenn die Koalition dies anmahne, werfe die Opposition ihr immer vor, nur vom Rechtsextremismus ablenken zu wollen. Gunkel habe zumindest anerkannt, dass auch der Linksextremismus ein zunehmend gravierendes Problem in Deutschland sei.
Diese Einsicht teile er indes nicht mit der Linksfraktion. Ruppert betonte, er sei fassungslos, wenn er von deren Innenexpertin Ulla Jelpke höre, "dass die politischen Ziele, die diesen Brandanschlägen zugrunde liegen, durchaus nachvollziehbar und richtig" seien. Dem müsse man "strikt entgegentreten".
Jelpke entgegnete, Die Linke lehne Brandanschläge auf Bahnanlagen "ohne Wenn und Aber ab". Nichts anderes hätten sie und ihre Fraktionskollegen in den vergangenen Tagen erklärt. In den Reihen der Koalition werde bewusst "Terrorhysterie geschürt". Zum Glück bewahrten die zuständigen Behörden mehr Ruhe. So habe etwa der Verfassungsschutz erklärt, "dass er hier jedenfalls keinen neuen Terrorismus sieht".
Entdeckt worden seien 19 "offenbar dilettantisch gebastelte Brandsätze", von denen zwei gezündet hätten. Glücklicherweise seien keine Menschen verletzt worden, und die Bahn habe versichert, dass für Reisende zu keinem Zeitpunkt einer ernsthafte Gefahr bestanden habe. Die Brandsätze dienten Unionspolitikern als "Steilvorlage zur Diskreditierung all dessen, wofür linke Bewegungen und Parteien stehen". Die Linke werde jedoch nicht von ihren "richtigen Zielen abkehren, nur weil auch die Zündler diese Ziele für sich beanspruchen, nämlich gegen den Afghanistan-Krieg zu sein".
Der Grünen-Parlamentarier Wolfgang Wieland sagte, wer in der Koalition glaube, mit "diesen Dramatisierungen irgendetwas zur Problemlösung beizutragen", täusche sich. Wieland wies den Vorwurf zurück, seine Fraktion verharmlose Anschläge auf Bahnanlagen. Wer meine, in Berlin mit Brandsätzen "zur Entschleunigung beitragen zu müssen" und die Stadt in den "Pausenmodus zu versetzen", sei nach eigenem Zeugnis "ein gefährlicher Idiot". Als solchen müsse man ihn bekämpfen, und er habe das Zutrauen in die Strafverfolgungsorgane, dass man die entsprechende Gruppierung "dingfest macht" und zur Aburteilung bringen wird.
Das Problem des Linksextremismus sei indes weitergehend. Dass es in diesem Bereich einen Anstieg gebe, hätten die Grünen nie bestritten. Die Koalition biete als Bekämpfungskonzept jedoch nur an, gegen Linksextremismus machen zu wollen, was man gegen Rechtsextremismus unternehme. Dieses "schematische Rechts gleich Links" führe in keiner Weise nach vorne, sondern richte mehr Schaden als Nutzen an. Das beste Mittel gegen linksextreme Gewalt sei eine sozial gerechte Gesellschaft.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Ole Schröder (CDU), betonte, die Regierung setzte mitnichten Rechts- und Linksextremismus gleich. Wenn Wieland meine, die Programme gegen Linksextremismus könnten verbessert werden, solle er eigene Vorschläge einbringen. Auch müsse es möglich sein, im Bundestag über Linksextremismus zu reden, ohne dass immer gleich auf andere Formen von Extremismus verwiesen wird. Es gebe keinen guten Extremismus.
Schröder fügte hinzu, die Brandanschläge auf die Bahn seien politisch links motivierte Straftaten, und die Zahl solcher Taten nehme zu. Nach den Maßstäben des Strafgesetzbuches seien die Brandanschläge keine terroristischen Taten, doch zeige die Tatsache, dass der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen habe, wie gravierend die Tat sei. Bevor Rot-Grün Ende 2003 "die Definition für Terrorismus eingeengt" habe, hätte man sie zudem durchaus als terroristische Tat bezeichnet. (sto)