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Auch mehr als 22 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer sorgt der Aufbau Ost im Bundestag weiter für Streit. Während die Opposition am Freitag, 16. Dezember 2011, Schwarz-Gelb in der Debatte über den "Bericht der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit 2011" (17/7711) Versagen bei der Förderung der neuen Länder vorwarf, zogen die Koalitionsfraktionen CDU/CSU und FDP eine positive Bilanz des Aufbau Ost. Der Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Länder und Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Dr. Christoph Bergner (CDU), sprach von einer "außerordentlich erfolgreichen Entwicklung". Die Transformation Ostdeutschlands in eine Marktwirtschaft sei abgeschlossen, die ostdeutschen Unternehmen seien heute wettbewerbsfähig, und die allgemeinen Lebensbedingungen glichen weitgehend denen in Westdeutschland.
Noch nicht erreicht sei eine "vollständige Konvergenz" insbesondere des Produktionsniveaus. Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung liege noch immer zirka 25 Prozent unter dem westdeutschen Durchschnitt. Diese Lücke sei Ausdruck eines noch immer anhaltenden Aufholbedarfs. Dabei sehe er den "Hauptschwerpunkt der Arbeit darin, die Angleichung der Löhne und Gehälter zu erreichen, damit wir auch auf diesem Wege die Angleichung der Rente erreichen".
Die SPD-Parlamentarierin Iris Gleicke warf der Bundesregierung vor, sich vom Aufbau Ost verabschiedet zu haben. Dabei stagniere die ostdeutsche Wirtschaftskraft seit Jahren bei 73 Prozent des Westniveaus und das Produktivitätsniveau bei 80 Prozent. Auch der ostdeutsche Arbeitsmarkt hinke nach wie vor dem westdeutschen hinterher. Zwar sei die Arbeitslosenquote zurückgegangen, doch sei die Arbeitslosigkeit im Osten fast doppelt so hoch wie im Westen.
Derweil lägen die Löhne "je nach Branche zwischen 15 und 30 Prozent des Westniveaus". Dies sei nicht etwa ein "Standortvorteil Ost", sondern die Hauptursache für die Abwanderung in den neuen Ländern, fügte Gleicke hinzu und fragte an die Regierungskoalition gewandt, wo deren "Einsatz für anständige Löhne in Ostdeutschland" bleibe. "Der Osten ist Ihnen egal", resümierte Gleicke.
Dr. Dietmar Bartsch, stellvertretender Vorsitzender der Linksfraktion, forderte einen Kurswechsel in der Politik für Ostdeutschland. Der Aufbau Ost sei "als Nachbau West gescheitert", konstatierte er. Es gebe zwar eine Menge positiver Entwicklungen wie bei der sehenswerten Infrastruktur im Osten, doch sei dies kein Verdienst der Bundesregierung. Entscheidend sei indes, dass es die bestehenden Defizite auch wegen der Politik der Bundesregierung und ihrer Vorgängerinnen gebe. So sei die Lücke in der ökonomischen Leistungskraft und den Lebensverhältnissen zwischen Ost und West "weiterhin erheblich".
Die Erwerbslosenquote sei im Osten im November nahezu doppelt so hoch gewesen wie im Westen.Auch sei der Niedriglohnbereich in den neuen Ländern doppelt so groß wie in den alten Ländern. Statt dass das Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" gelte, liege man in den neuen Ländern bei 80 Prozent des westlichen Lohnniveaus. "Das ist nicht zu akzeptieren", unterstrich Bartsch.
Der Grünen-Parlamentarier Stephan Kühn sagte, es gebe zweifelsfrei im Osten wirtschaftliche Erfolgsgeschichten, die aber durch die Politik der Bundesregierung gefährdet würden. So wolle etwa Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) die Förderung von Solaranlagen massiv kürzen.
Wenn diese Deckelung komme, Kürzung komme, würden die ostdeutsche Solarindustrie "in die Knie gezwungen" und Arbeitsplätze gefährdet. So werde die Wettbewerbsfähigkeit der ostdeutschen Wirtschaft "durch falsche Prioritäten beim Infrastrukturausbau behindert".
Der FDP-Abgeordnete Patrick Kurth bescheinigte den neuen Ländern, in den zurückliegenden 22 Jahren "enorm aufgeholt" zu haben. Die Lebenserwartung und der Wohlstand seien gestiegen, die Infrastruktur sei auf dem neuesten Stand und die Arbeitslosigkeit stark zurückgegangen.
So habe Thüringen kürzlich Nordrhein-Westfalen "bei der Arbeitslosigkeit eingeholt und überholt". Schwarz-Gelb setze jetzt auf Modernisierung sowie darauf, "dass das verkehrliche Leben auch in ausgedehnten und überalterten Regionen aufrecht erhalten wird" und "dass die Dezentralität der Energieversorgung gewährleistet werden kann". Mit diesem Konzept werde die "Sicherung der privaten und öffentlichen Infrastruktur in allen Regionen gelingen".
Der CDU-Parlamentarier Manfred Behrens verwies darauf, dass die Finanzkrise seit 2008 die wirtschaftliche Angleichung zwischen Ost und West nicht unterbrochen habe. Inzwischen betrage die Wirtschaftsleistung der neuen Länder nahezu 80 Prozent des Westniveaus. Man habe ein erfreulich kontinuierliches Wirtschaftswachstum, das zudem krisenresistent sei.
Auch der Arbeitsmarkt könne "mit sehr guten Werten glänzen". Nach der Wiedervereinigung seien 30 Prozent der Menschen in den neuen Ländern ohne Arbeit. Inzwischen sei dieser Wert auf zehn Prozent gesunken. (sto)