Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Die Menschenrechtslage in Libyen, deutsche Rüstungsexporte an Griechenland und Portugal, die Schaffung eines europäischen Kartellamtes – in der Fragestunde des Bundestages (17/8723) am Mittwoch, 29. Februar 2012, stehen unterschiedliche Themen im Fokus. Dr. Konstantin von Notz, innen- und netzpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, will sich nach der Haltung der Bundesregierung zum Acta-Abkommen (Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen) erkundigen.
Die Fragestunde wird live voraussichtlich ab 13.35 Uhr im Web-TV, auf mobilen Endgeräten und im Parlamentsfernsehen übertragen.
Die Bundesregierung hatte auf Initiative von Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger am 10. Februar entschieden, das umstrittene internationale Urheberrechts-Abkommen vorerst nicht, wie eigentlich geplant, zu unterzeichnen. Warum Acta in seiner gegenwärtigen Form überhaupt nicht ratifiziert, sondern völlig neu verhandelt werden sollte, erklärt von Notz im Interview:
Herr von Notz, das Abkommen soll Urheberrechte schützen und Produkt- und Markenpiraterie verhindern. Netzaktivisten befürchten aber, dass es Freiheitsrechte im Internet beschneiden könnte. Nun soll eine Prüfung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) Klarheit schaffen. Weshalb ist es Ihnen in dieser Situation wichtig zu wissen, wie sich die Bundesregierung augenblicklich zu Acta positioniert?
Weil von der Bundesregierung äußerst widersprüchliche Aussagen zu Acta kommen! Während die Ministerinnen Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) und Ilse Aigner (CSU) das Abkommen stoppen wollen, erklärt der Regierungssprecher Steffen Seibert, dass die Regierung grundsätzlich daran festhalte. Unionsabgeordnete wie Günter Krings sagen zudem, dass die Beratungen abgeschlossen seien und fordern von der Justizministerin ein Bekenntnis zu Acta. Diese Widersprüche müssen geklärt werden – gerade da man das Vertrauen haben muss, dass das Abkommen wirklich gestoppt ist.
Sie fragen auch nach dem zeitlichen Rahmen für den Ratifizierungsprozess. Wieso?
Unabhängig davon, dass der EuGH jetzt prüft, werden das Verfahren und die Beratungen weiterlaufen. Daher ist es entscheidend zu wissen, wie sich die Bundesregierung aufstellt und was für einen Zeitplan sie vor Augen hat – gerade auch im Hinblick darauf, dass ja noch immer nicht alle Dokumente, die im Zusammenhang der Verhandlungen über Acta erstellt wurden, öffentlich zugänglich sind.
Hier wollen Sie am Mittwoch ebenfalls nachhaken. Fühlen Sie sich als Parlamentarier über den Verhandlungsprozess nicht ausreichend informiert?
Das ganze Verfahren war sehr intransparent – und das nicht aus Versehen, sondern ganz bewusst. Man hat bewusst Protokolle als "geheim" gestempelt, man hat bewusst das Europäische Parlament nicht beteiligt und sehr spät vor vollendete Tatsachen gestellt. Dies ist ein äußerst undemokratischer Vorgang! Und wo es jetzt eine solche öffentliche Aufmerksamkeit für Acta gegeben hat, ist der Zustand, dass immer noch nicht alle Protokolle zugänglich sind, skandalös.
Sie haben sich bereits öffentlich gegen Acta ausgesprochen. Was ist Ihr Hauptkritikpunkt?
Bereits das intransparente Verfahren hat Acta delegitimiert. Nachdem es so undemokratisch eingestielt wurde, ist in der Öffentlichkeit und mit denen, die das Abkommen direkt betrifft, kein Konsens mehr zu erreichen. Zudem verstellt Acta sowohl im europäischen wie auch im deutschen Recht Handlungsspielräume für eine notwendige Reform des Urheberrechts.
Dann müssten Sie zufrieden sein, dass die Bundesregierung das Abkommen bislang nicht unterzeichnet hat. Was erwarten Sie nun konkret?
Wir erwarten von der Bundesregierung, dass das Verfahren komplett eingestellt und neu angegangen wird – aber mit einer anderen Zielrichtung. Nutzerinnen und Nutzer dürfen nicht unverhältnismäßig kriminalisiert werden. Der Dialog sollte auch nicht nur mit der Verwertungsindustrie geführt werden. Wir brauchen stattdessen einen breiten gesellschaftlichen Diskurs darüber, wie das Urheberrecht und seine Umsetzung in der digitalen Welt aussehen muss. Die Bundesregierung sollte sich dazu bekennen, dass es einen progressiven Ansatz braucht, um das Urheberrecht grundlegend zu reformieren. Repressionen, Überwachung und Abmahnungen zur Durchsetzung des Urheberrechts sind nicht der richtige Weg.
(sas)