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Frauenquote ja oder nein – diese Frage hat das Plenum des Bundestages am Freitag, 9. März 2012, kontrovers diskutiert. Anlass war ein Gesetzentwurf zur Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen in Wirtschaftsunternehmen der SPD-Fraktion (17/8878). Ziel des Gesetzes sei die Umsetzung des Antrags der Fraktion "Quotenregelung für Aufsichtsräte und Vorstände gesetzlich festschreiben" (17/4683). Darin hatte die SPD eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent in den Aufsichtsräten von börsennotierten und der Mitbestimmung unterliegenden Unternehmen gefordert.
Führungspositionen sollen nach den Vorstellungen der Fraktion in einem mehrstufigen System quotengerecht besetzt werden. Für Aufsichtsräte solle eine erste Stufe von insgesamt 30 Prozent pro Geschlecht ab 2013, die zweite und finale Stufe mit einer 40-prozentigen Besetzung durch Frauen ab 2015 gelten. Für Vorstände solle die gleiche zweistufige Regelung in Kraft treten. Allerdings fordert die Fraktion hier lediglich einen Frauenanteil von 20 Prozent im Jahr 2012. Bis zum Jahr 2015 müssten dann aber auch Vorstände die Frauenquote von 40 Prozent erfüllen.
Der Gesetzentwurf der SPD gibt vor, dass Vorstands- und Aufsichtsratspositionen nur soweit besetzt werden dürfen, "wie es die Quote hergibt". "Notfalls", so heißt es weiter, "müssen die Plätze für das unterrepräsentierte Geschlecht frei bleiben (freie Stühle). Die freien Stühle werden maximal ein Jahr toleriert, dann muss die Quotenvorgabe erfüllt werden". Andernfalls solle der Aufsichtsrat seine Beschlussfähigkeit und der Vorstand seine passive Vertretungsmacht verlieren, "die dann auf den Aufsichtsrat übergeht".
Von diesem Konzept versprechen sich die Sozialdemokraten eine "selbstregulierende Wirkung in besonderer Weise". Sowohl die Arbeitnehmerbank als auch die Aktionärsbank müsse die Quote erfüllen. "Wer dies nicht tut, dessen Plätze bleiben frei und verschaffen dadurch der anderen Seite ein entsprechend größeres Gewicht. Das wird jede Seite vermeiden wollen", argumentiert die SPD-Fraktion.
Zu Beginn der Debatte erläuterte die Abgeordnete der SPD-Fraktion, Dr. Eva Högl, dass Deutschland mit seinem geringen Frauenanteil in Führungspositionen, Schlusslicht unter den Industrienationen und in Europa sei. Diese Situation sei "mehr als peinlich". Appelle und Selbstverpflichtungen seien ihrer Ansicht nach nicht zielführend, deshalb sei die Zeit "reif für eine neue Gesetzgebung". Allerdings "wären wir froh, wenn wir darauf verzichten könnten", fügte Högl hinzu.
"Wir schmeißen niemanden raus, aber wir wollen die frei werdenden Plätze mit Frauen besetzen", sagte Eva Högl zu den Details des Gesetzentwurfs. Darin betont die SPD-Fraktion, dass die Quote ausschließlich für neu zu besetzende Positionen gelten solle. Eine Umbesetzung bestehender oder besetzter Positionen in Aufsichtsrat oder Vorstand wolle sie nicht verlangen.
Die Rednerin der CDU/CSU-Fraktion, Andrea Astrid Voßhoff, bestätigte ihrer Vorrednerin, dass Frauen in Führungspositionen in Deutschland "deutlich unterrepräsentiert" sind. "Darüber dürfen wir auch nicht hinwegreden. Das ist richtig". Allerdings fragte Sie Högl, wie es denn "mit Frauen in der Führung Ihrer eigenen Partei" stehe. Die Beteiligung von Frauen in Führungspositionen sei wirklich gering, aber das Instrument der Quote löse keine Probleme. Allerdings müsse die Wirtschaft tatsächlich unter Druck gesetzt werden.
Ein konkretes Beispiel lieferte im späteren Verlauf der Debatte ihr Fraktionskollege Stephan Harbarth: Seine Fraktion würde "passgenaue Lösungen" den "starren Lösungen" vorziehen, denn bei Familienunternehmen sei die Führungsspitze oftmals davon abhängig, ob die Familie Söhne oder Töchter bekomme.
"Ohne Quote tut sich nichts, das haben die Unternehmen jahrzehntelang nachgewiesen", argumentierte Dr. Barbara Höll von der Fraktion Die Linke. Laut Grundgesetz seien Frauen und Männer gleichberechtigt, also müsste im Auftrag des Grundgesetzes eine Frauenquote "eigentlich in allen gesellschaftlichen Bereichen zugrunde liegen". "Davon sind wir aber noch weit entfernt", fügte Höll hinzu: Spitzenpositionen beispielsweise in Wirtschaft, Politik und Sport seien "vornehmlich von Männern besetzt".
Anschließend wies Höll darauf hin, dass Norwegen mit einer Frauenquote von etwa 40 Prozent in Führungspositionen die europäischen Länder in dieser Hinsicht anführe. Auch in anderen Ländern würde "viel getan". Deutschland hinke auch im weiteren internationalen Vergleich hinterher, sagte die Abgeordnete. Deshalb sei Deutschland ein "gleichstellungspolitisches Entwicklungsland".
Der Redner der FDP-Fraktion, Marco Buschmann, kündigte gleich eingangs seiner Redezeit an, den Gesetzentwurf der SPD-Fraktion nicht zu unterstützten, weil seine Fraktion ein "Zwangsinstrument" für falsch halte. Die Quote bringe keinen gesellschaftlichen Fortschritt, auch die Frauen insgesamt in Deutschland würden nicht von ihr profitieren. Denn es gebe, so Buschmann, nur eine geringe Zahl von Führungspositionen bezogen auf die Gesamtbevölkerung in Deutschland. Deshalb sei die Quote nur etwas "für die Elite".
"Was nichts bringt, muss nicht ins Gesetz", fügte Buschmann hinzu. Allerdings brachte er Gegenvorschläge vor wie zum Beispiel eine bessere Kinderbetreuung außerhalb der normalen, gängigen Arbeitszeiten, sodass auch Frauen in Führungspositionen, die in Randzeiten oder über die normalen Arbeitszeiten hinaus arbeiten, eine Kinderbetreuung finden könnten.
Für Bündnis 90/Die Grünen sprach die Abgeordnete Ekin Deligöz, die beklagte, "dass nicht mal die zuständigen Ministerinnen" im Plenum anwesend seien. Den Befürwortern der Frauenquote gehe es "um die Inhalte", sie sei kein Selbstzweck: "So können wir etwas für die Arbeitnehmerinnen verändern", fügte sie hinzu und ergänzte: "Wir wollen die festgefahrenden männlichen Strukturen aufbrechen."
Auch bei Männern finde die Quote Zustimmung finden. "Wir wollen nur die Besten der Besten in diesem Land auf den Führungspositionen", sagte sie, zu denen eben auch Frauen zählten. Nur so könne Deutschland oder könnten deutsche Unternehmen überhaupt international wettbewerbsfähig bleiben.
Im Anschluss an die erste Lesung im Plenum wurde der Gesetzentwurf zur weiteren Beratung in den Rechtsausschuss sowie in mitberatende Ausschüsse überwiesen. Die Forderung nach einer Frauenquote beschäftigt den Bundestag und insbesondere den Rechtsausschuss bereits seit geraumer Zeit. Vor fast einem Jahr hatte der Ausschuss gemeinsam mit dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend Experten zum Thema gehört. Diese hatten sich damals mehrheitlich für die Einführung einer Frauenquote ausgesprochen.
Die SPD-Fraktion stellten schon damals in ihrem Antrag (17/4683) ihre 40-Prozent-Forderung, ebenso wie die Grünen-Fraktion in einem eigenen Antrag (17/3296). Auch der am 29. Februar vom Rechtsausschuss abgelehnte Antrag der Linksfraktion lag damals schon vor. Erst kürzlich hatte der Rechtsausschuss einen Antrag der Linksfraktion (17/4842) abgelehnt, in dem die Fraktion wie auch die SPD eine gesetzliche Regelung für die paritätische Besetzung von Führungspositionen in der Wirtschaft mit Männern und Frauen verlangt hatte. (ver)