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Scharf kritisiert worden ist am Freitag, 11. Mai 2012, im Untersuchungsausschuss, der Pannen und Fehlgriffe der Sicherheitsbehörden bei den Recherchen zu der dem "Nationalsozialistischen Untergrund" (NSU) angelasteten Tötungsserie durchleuchten soll, die im Mai 2006 von der Innenministerkonferenz (IMK) getroffene Entscheidung, die Ermittlungen zu den bis dahin neun Morden an türkisch- und griechischstämmigen Kleinunternehmern nicht zentral beim Bundeskriminalamt (BKA) anzusiedeln. Mehrere Abgeordnete äußerten bei der Befragung des zuerst als Zeuge geladenen BKA-Kriminaldirektors Christian Hoppe ihr Unverständnis über die langjährigen "Zuständigkeitsstreitereien", so Clemens Binninger. Der Obmann der Unionsfraktion sprach von einem "Gremienwust", man habe "nicht ökonomisch und effizient" gearbeitet.
Aus Sicht von SPD-Obfrau Dr. Eva Högl steht hinter einem Aktenzitat, wonach bei den Konflikten zwischen Bund und Ländern ein Vertreter des bayerischen Innenministeriums die Übernahme der Ermittlungen durch das BKA als "Kriegserklärung" bezeichnet hat, der damals in München amtierende CSU-Innenminister Günther Beckstein persönlich.
Grünen-Sprecher Wolfgang Wieland wunderte sich, warum der Generalbundesanwalt diesen gravierenden Fall nicht an sich gezogen und das BKA sich damit begnügt habe, am "Katzentisch" zu sitzen.
Hoppe, seinerzeit Leiter der beim BKA für die Mordserie eingerichteten Ermittlungsgruppe, führte aus, er habe sich im Frühjahr 2006 "aus fachlicher Sicht" dafür stark gemacht, die Aufklärungsarbeit zentral beim BKA anzusiedeln. Nachdem zu jenem Zeitpunkt noch zwei Morde in Kassel und Dortmund passiert waren, sei klar gewesen, dass es sich um eine bundesweite Serie handele, deren Schwerpunkt zuvor in Bayern gelegen habe, wo fünf Tötungsdelikte in Nürnberg und München registriert worden waren.
Zwei Opfer waren in Rostock und Hamburg erschossen worden, 2007 wurde in Heilbronn noch eine deutsche Polizistin ermordet. Im Falle einer BKA-Zuständigkeit hätte aus Sicht des Zeugen "strukturierter" ermittelt werden können, "das wäre aber auch keine Garantie für einen Erfolg gewesen".
Hoppe sagte, nach dem ablehnenden IMK-Beschluss sei er "enttäuscht" gewesen. Letztlich sei beim BKA eine "Steuerungsgruppe" geschaffen worden, in deren Rahmen Informationen ausgetauscht und das taktische Vorgehen besprochen worden seien, "was auch funktioniert hat".
Wieland hingegen erklärte, ausweislich der Akten sei die Kooperation zwischen BKA und der bayerischen Sonderkommission (SoKo) Bosporus "nicht immer positiv gewesen".
Unklar blieb, wer in der IMK gegen eine zentrale Ermittlung durch das BKA war. Högl: "Wie war die Gemengelage?" Das wisse er nicht, antwortete der Zeuge.
Laut Hoppe war es im Rahmen der Absprache zwischen dem BKA und der Polizei in den fünf betroffenen Ländern die Aufgabe seines Teams, sich auf die Spurensuche bei organisierten Gruppen im kriminellen Milieu zu konzentrieren, wo in erster Linie Täter und Tatmotive vermutet wurden. Man habe jedoch darauf geachtet, auf der Homepage des BKA auch die sogenannte Einzeltätertheorie "gleichwertig" darzustellen.
Nach dieser von einem bayerischen Profiler entwickelten Hypothese hätte es sich bei den zwei als Täter vermuteten Männern auch um Personen mit rechtsextremer Affinität handeln können. Hoppe führte aus, er sei "schockiert" gewesen, als sich Ende 2011 dieser Ermittlungsansatz als richtig erwiesen habe, mit dem offenbar gewordenen Hintergrund habe er "nicht gerechnet".
Ermittlungen im kriminellen Bereich seien "mit ungleich höherem Aufwand betrieben worden als die Suche nach Tätern mit einem rechtsextremen Hintergrund", da sei "nicht alles optimal gelaufen": Mit diesen Worten kritisierte am Donnerstag, 10. Mai, der Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) die bisherigen Zeugenvernehmungen.
Eva Högl (SPD) monierte ebenfalls, den Hinweisen eines Polizeiprofilers, möglicherweise komme auch eine einzelne, rechtsextremistisch orientierte Person in Frage, sei man nicht mit der "gleichen Fantasie, Intensität und Akribie" nachgegangen wie dem Verdacht auf einen kriminellen Hintergrund. Unionssprecher Clemens Binninger beklagte ebenfalls eine "falsche Schwerpunktsetzung".
Als Beleg für die "Schieflage bei der Gewichtung" (Högl) stuften bei der Vernehmung des zuerst geladenen Zeugen Walter Kimmel, des für die Aufarbeitung der fünf in Bayern verübten Morde zuständigen Oberstaatsanwalts, mehrere Abgeordnete die kurz vor Sitzungsbeginn aufgetauchte Information ein, dass die Polizei in Nürnberg mit enormem Aufwand sogar für ein halbes Jahr eine getarnte Dönerbude betrieb, um auf diese Weise auf Erkenntnisse im kriminellen Milieu zu stoßen.
Kimmel erklärte, zu Details dieser Polizeiaktion keine näheren Erinnerungen zu haben. Högl äußerte zudem die "Vermutung", es habe sich auch ein Polizist als Journalist ausgegeben, um in türkischen Kreisen Nachforschungen anstellen zu können.
Angesichts des gigantischen Ermittlungsaufwands wehrte sich der Zeuge gegen den Vorwurf, er und die Sonderkommission (Soko) Bosporus hätten nicht alle Spuren in den zehn Tötungsdelikten mit dem gebotenen Nachdruck verfolgt. Zwischen 2000 und 2007 waren neun türkisch- oder griechischstämmige Kleinunternehmer und eine deutsche Polizistin erschossen worden.
Auf eine kritische Frage Edathys sagte Kimmel, in der Rückschau seien aufgrund des seinerzeitigen Erkenntnisstands die Ermittlungen so geführt worden, "wie es besser nicht ging": "Aus der Sicht von damals wurde alles Menschenmögliche getan." Er betonte, die von einem Profiler entwickelte "Einzeltätertheorie" sei nur einer von mehreren Ermittlungsansätzen gewesen.
Im Übrigen hätte ein Einzeltäter nicht zwangsläufig rechtsextrem motiviert sein müssen, es hätte sich auch um einen "Verrückten" handeln können. Es habe keine Bekennerschreiben oder andere politischen Erklärungen der Täter gegeben, so Kimmel, die in die rechtsextreme Richtung wiesen. Als harte Fakten habe man letztlich nur über Patronenhülsen und über den Hinweis verfügt, dass bei einem Mord in Nürnberg und bei einem Nagelbombenattentat in Köln zwei Radfahrer gesichtet wurden.
Mehrfach drückten Abgeordnete den Verdacht aus, Kimmel habe verhindern wollen, dass der Generalbundesanwalt in Karlsruhe und auf polizeilicher Ebene das Bundeskriminalamt die Ermittlungen zur Mordserie an sich ziehen. Diesen Vorwurf wies der Zeuge ebenfalls entschieden zurück: Nach den Regeln des Gerichtsverfassungsgesetzes sei eine Zuständigkeit Karlsruhes nicht möglich gewesen.
Kimmel wies darauf hin, dass auch der Generalbundesanwalt seinerseits bei einer Prüfung zu diesem Ergebnis gelangt sei: "Wir hatten zu wenig Anhaltspunkte für einen rechtsextremen Hintergrund." Edathy indes konfrontierte den Staatsanwalt mit einem Aktenzitat, wonach er bei einer Besprechung davor gewarnt habe, den Verdacht über Rechtsextremisten als mögliche Täter öffentlich zu intensiv zu diskutieren, da dann Karlsruhe den Fall übernehmen könne.
Der Zeuge erklärte dazu, in den Unterlagen sei dies "schief wiedergegeben" worden, eine Warnung vor einer öffentlichen Thematisierung dieses Ermittlungsansatzes habe er nie formuliert.
"Vielleicht hätte der Mord an der Polizistin in Heilbronn verhindert werden können": Mit diesen Worten kritisierte Binninger, dass der Verbleib der in einer Anzahl von rund 60 Exemplaren existierenden Tatwaffe nicht vollständig geklärt worden sei. Schon 2006 sei nur noch bei acht Exemplaren dieser Ceska-Spezialanfertigung offen gewesen, in welche Hände sie letztlich gelangt seien und unter denen letztlich die Tatwaffe identifiziert worden sei.
Er könne "nicht verstehen", so der Obmann der Unionsfraktion, wieso sich die Recherchen entsprechender Spuren in die Schweiz nach 2006 noch mehrere Jahre hingezogen hätten. Kimmel sagte dazu, er wisse nicht, wieso sich diese Nachforschungen verzögert hätten.
10. Mai:
11. Mai: