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Ein Gesetzentwurf zur Reform des Seehandelsrechts, den die Bundesregierung zuvor in ihrer Kabinettsitzung beschlossen hat, stand im Zentrum der halbstündigen Regierungsbefragung im Bundestag am Mittwoch, 9. Mai 2012. Ziel des Gesetzesvorhabens ist eine umfassende Modernisierung des Seehandelsrechts. Dieses stamme in weiten Teilen noch aus dem 19. Jahrhundert, erklärte Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) bei der Vorstellung des Entwurfs im Plenum, bevor sie sich den Fragen der Abgeordneten stellte.
Darüber hinaus beschäftigten die Ministerin sowie den Staatsminister bei der Bundeskanzlerin, Eckart von Klaeden (CDU), auch Fragen zu anderen Themen, so etwa zur verschobenen Eröffnung des Flughafens Berlin-Brandenburg, zur aktuellen Zukunftsstudie des "Club of Rome" sowie zu einem geplanter Gesetzentwurf zur Umsetzung der rechtlichen Gleichstellung von eingetragenen Partnerschaften.
Bei der Reform des Seehandelsrechts gehe es vor allem darum, das deutsche Recht für den internationalen Wettbewerb fit zu machen, sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Unnötiger "gesetzlicher Ballast werde von Bord geworfen" und überkommene Vorschriften würden abgeschafft.
Damit solle das Recht insgesamt deutlich entbürokratisiert werden: "Wir reduzieren die Zahl der seehandelsrechtlichen Vorschriften auf etwa die Hälfte", kündigte die Ministerin an.
Ein weiteres wichtiges Ziel sei es, die Rechte der Passagiere zu stärken: "Unglücksfälle wie der des Kreuzfahrtschiffs Costa Concordia haben gezeigt, wie wichtig unbürokratische Entschädigungszahlungen an Passagiere sind", so die FDP-Politikerin. Das Gesetz treffe nun Vorsorge dafür, dass Entschädigungen in seinem Geltungsbereich künftig verschuldensunabhängig gezahlt werden.
Die neuen Rahmenbedingungen für Seebeförderungen würden auch für die Wirtschaft zu mehr Rechtssicherheit führen und den Handels- und Rechtsstandort Deutschland stärken, betonte Leutheusser-Schnarrenberger. Weil für den Transport auf dem Seeweg vor allem internationale Regelungen große Bedeutung haben, orientierten sich die Neuregelungen im innerstaatlichen Seehandelsrecht weiterhin am Vorbild der geltenden internationalen Übereinkommen, so die Ministerin. Sie kündigte an: "Es ist beabsichtigt, die Reform noch in diesem Jahr zu beraten und zu verabschieden."
Kritik an der geplanten Reform äußerte die Abgeordnete Dr. Valerie Wilms (Bündnis 90/Die Grünen): "Euphorisch bin ich nicht." Es gebe internationale Übereinkommen wie die "Rotterdam Rules", die über die geplanten Bestimmungen im Gesetzentwurf weit hinaus gingen, monierte Wilms und fragte: "Warum wurden diese bei der Ausarbeitung der Gesetzesinitiative nicht mit einbezogen?"
Leutheusser-Schnarrenberger entgegnete, dass die "Rotterdam Rules" sehr wohl Beachtung gefunden hätten: "In einigen Punkten haben wir sie auch übernommen." Das Problem sei jedoch, gab die Ministerin zu bedenken, dass die Rotterdam Rules noch keine Geltung hätten: "Sie sind noch nicht in Kraft getreten, und wir wissen auch nicht, wann das sein wird." Der von ihr vorgelegte Gesetzentwurf habe sich daher am geltenden internationalen Recht orientieren müssen.
Dies wollte Wilms nicht gelten lassen und wies darauf hin, dass Spanien die Regeln bereits ratifiziert, 24 weitere Staaten sie immerhin unterzeichnet hätten. "Warum kann Deutschland nicht zu den Ländern gehören, die die Regeln umsetzen?", fragte Wilms und bohrte weiter: "Ich würde gern wissen, wer hier im Hintergrund 'gedrückt' hat."
Diesen Vorwurf wehrte die Ministerin ab und wies darauf hin, dass eine einseitige Umsetzung der "Rotterdam Rules" und damit die Verschärfung der Haftungsregeln deutsche Reeder benachteiligen würden. "Das geht nicht. Wir müssen die Interessen des Wirtschaftsstandortes Deutschland beachten."
Herbert Behrens (Die Linke) wollte wissen, ob sich der jetzt beschlossene Entwurf von dem vor einem Jahr vorgelegten Referentenentwurf unterscheide: "Was wurde verändert? Wurden auch Bestimmungen zur Piraterie und zur Sicherheit der Seewege eingearbeitet?"
Dies verneinte Leutheusser-Schnarrenberger: Sowohl zur Piraterie als auch für Fälle von Ölhavarie gebe es andere internationale Übereinkommen. "Wir haben dazu keine weiteren Regelungen im Gesetzentwurf vorgesehen."
Dr. Valerie Wilms meldete sich erneut zu Wort und kritisierte mit Hinweis auf den aktuellen Wachstumsreport des "Club of Rome" die Entscheidung der Bundeskanzlerin, ihre Teilnahme am im Juni stattfindenden UN-Gipfel für Nachhaltigkeit "Rio+20" abzusagen.
"Warum fährt die Kanzlerin nicht zum Gipfel und wurde der Bericht des 'Club of Rome' im Kabinett diskutiert?", wollte die Grünen-Abgeordnete wissen. Auf ihre Frage antwortete Staatsminister Eckart von Klaeden (CDU): "Nein, dies war kein Thema der Sitzung."
Dr. Dagmar Enkelmann (Die Linke) wollte wissen, ob sich die Bundesregierung mit der erneut verschobenen Eröffnung des neuen Flughafens Berlin-Brandenburg (BER) befasst habe: "Der Bund ist Miteigentümer des Flughafens. Hat sich das Kabinett mit der Frage beschäftigt, welche Folgen diese Verschiebung hat und wer die Mehrkosten trägt?"
Auch diese Frage verneinte von Klaeden: "Der Verkehrsminister hat das Thema angesprochen. Doch alle weiteren Fragen müssen noch geklärt werden."
Volker Beck (Bündnis 90/Die Grünen) erkundigte sich schließlich nach einem vom Bundesjustizministerium geplanten Gesetzentwurf zur Umsetzung der Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften. Besonders interessierte den Abgeordneten
Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger verneinte dies. Mit dem Gesetzentwurf sollten lediglich in verschiedenen Rechtsbereichen Regelungen "korrigiert" werden, die nicht rechtskonform seien. Die Frage des Adoptionsrechts werde davon nicht berührt: "Hier gibt es in der Koalition unterschiedliche Auffassungen", sagte die Ministerin zur Begründung. In der Frage der Gleichstellung im Steuerrecht müsse man zudem ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwarten. (sas)