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Die von der Bundesregierung geplante Pflegereform steht in der Kritik von Sozialverbänden, Gewerkschaften und Betroffenen. In einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses unter Vorsitz von Dr. Carola Reimann (SPD) zum Gesetzentwurf der Bundesregierung "zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung" (17/9369) äußerten am Montag, 21. Mai 2012, die meisten befragten Sachverständigen ihr Bedauern, dass der Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht neu definiert werde. Zugleich wurden die vorgesehenen Leistungsverbesserungen für Demenzkranke, die die Regierung als Vorgriff auf eine solche Neudefinition sieht, mehrheitlich begrüßt.
"Wir vermissen eine wirkliche Neuausrichtung", bemängelte der Vertreter der Arbeiterwohlfahrt, Claus Bölicke. Fabian Müller-Zetzsche vom Sozialverband Deutschland fügte hinzu, die Regierung mache mit den Leistungsverbesserungen den zweiten Schritt vor dem ersten. Es werde nicht festgelegt, wer welche Ansprüche auf Leistungen der Pflegeversicherung haben solle.
Das Vorstandsmitglied der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Heidemarie Hawel, fügte hinzu, der geltende Pflegebedürftigkeitsbegriff ziele lediglich auf körperliche Defizite ab. Geistige Beeinträchtigungen würden mit dem Gesetzentwurf der Regierung weiterhin nicht gleichberechtigt behandelt.
Caritas-Referentin Elisabeth Fix sagte, ihr Verband bedauere "außerordentlich", dass in dieser Legislaturperiode ein neuer Pflegebegriff bislang nicht eingeführt worden sei. Immerhin gebe es einige Leistungsverbesserungen für demenziell Erkrankte.
Der Einzelsachverständige Prof. Dr. Stefan Görres von der Universität Bremen unterstrich, dass der Gesetzentwurf "eindeutig" zu Verbesserungen für Altersverwirrte führen werde.
Nach dem Gesetzentwurf sollen Versicherte ohne Pflegestufe mit "erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz" (sogenannte Pflegestufe 0) erstmals Anspruch auf ein Pflegegeld in Höhe von monatlich 120 Euro oder Pflegesachleistungen von bis zu 225 Euro erhalten. Auch Pflegebedürftige der Stufen Eins und Zwei, die zu Hause gepflegt werden, erhalten bei demenziellen Erkrankungen höhere Leistungen.
Vorgesehen ist zudem eine Erhöhung des Beitragssatzes zur sozialen Pflegeversicherung um 0,1 Prozentpunkte auf 2,05 Prozent – bei Kinderlosen auf 2,3 Prozent. Das soll von 2013 bis 2015 Mehreinnahmen in Höhe von jährlich rund 1,1 Milliarden Euro Mehreinnahmen einbringen.
Der Bremer Professor für Sozialpolitik, Dr. Heinz Rothgang, sagte, er hege keinen Zweifel daran, dass mit der geplanten Beitragssatzerhöhung die vorgesehenen Leistungsverbesserungen finanziert werden könnten. Grundsätzlich sei auch davon auszugehen, dass die Pflegekasse bis zu den Jahren 2014/2015 mit den zur Verfügung stehenden Mitteln auskomme. Für die angestrebte grundlegende Reform reiche das Geld jedoch nicht aus.
Rothgang veranschlagte hierfür einen Bedarf von drei bis vier Milliarden Euro. Diese seien mit den von den Oppositionsfraktionen und den Gewerkschaften präferierten Bürgerversicherung in der Pflege zu erreichen, sagte der Professor. Der Anhörung lagen auch die Stellungnahme des Bundesrates mit der Gegenäußerung der Bundesregierung (17/9669) sowie Anträge der Fraktion Die Linke (17/9393) und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/9566) zugrunde. (mpi)