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Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat am Donnerstag, 27. September 2012, im Bundestagsplenum für den Entwurf eines Mietrechtsänderungsgesetzes der Bundesregierung (17/10485) geworben. Der Entwurf dient der Umsetzung der energetischen Gebäudesanierung im Zuge der Energiewende und wurde in erster Lesung beraten. Diese sei die "zentrale gesellschaftliche Herausforderung unserer Zeit", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. Sowohl Vermieter als auch Mieter sollen von den Neuerungen profitieren, "auf ausgewogene Weise".
Die Bundesregierung will im Falle von energetische Modernisierungsmaßnahmen an Miethäusern und Mietwohnungen Mietminderungen für einen Zeitraum von drei Monaten ausschließen. Ist die Wohnung unbenutzbar, bleibe das Minderungsrecht allerdings im vollen Umfang erhalten. Der Vermieter müsse so keine finanziellen Einbußen in Kauf nehmen. Das schaffe für ihn einen Anreiz zur Sanierung, argumentierte die Justizministerin.
Im Gegenzug profitiere der Mieter anschließend von geringeren Nebenkosten, wenn beispielsweise dank energetischer Gebäudesanierung die Wohnung besser isoliert sei und er weniger heizen müsse. Die Sanierungskosten sollen nach dem bereits bestehenden Grundsatz für die Kosten von Modernisierungsmaßnahmen mit jährlich elf Prozent auf die Miete umgelegt werden können. Das führte zu heftigen Protesten bei den Abgeordneten der Oppositionsfraktionen. Sie sehen eine Bevorteilung der Vermieter und zu hohe Kosten für die Mieter.
Eineinhalb Stunden lang wurde der Regierungsentwurf kontrovers diskutiert. Außerdem standen ein Antrag "Mietrechtsnovelle nutzen – Klimafreundlich und bezahlbar wohnen" (17/10120) der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sowie ein Antrag "Wohnen muss bezahlbar bleiben" der Fraktion Die Linke zu Diskussion.
Der SPD-Abgeordnete Ingo Egloff kritisierte neben dem Regierungsentwurf auf den Entwurf der Linken. Dieser sieht eine Begrenzung der Umlage von elf auf fünf Prozent vor. In der Folge würde kein Mieter eine energetische Gebäudesanierung vornehmen. Der Plan "schießt über das Ziel hinaus, ich halte ihn für nicht praktikabel", erklärte Egloff. Akuten Handlungsbedarf sah er vielmehr in hohen Mietkosten. "Wenn es Haushalte gibt, die 40 Prozent des Nettohaushaltseinkommens für die Miete ausgeben, dann besteht Handlungsbedarf", sagte Egloff und verwies auf die steigenden ortsüblichen Vergleichsmieten. Letzere müssten nach einem neuen Schlüssel berechnet werden.
Ein weiterer zentraler Punkt in der Plenardebatte war das sogenannte Mietnomadentum. "Je näher man dem Thema kommt, desto kleiner wird es", warf der Oppositionspolitiker der Bundesregierung die Aufblähung des Themas vor. Abgesehen von Einzelfällen, über die groß in Boulevardzeitungen berichtet worden sei, gebe es keine repräsentativen Zahlen. "Und auf dieser Basis wollen Sie ein Gesetz ändern."
Dem widersprach Andrea Astrid Voßhoff von der CDU/CSU-Fraktion. Es liege eine Studie zum Mietnomadentum von der Universität Bielefeld vor. Details zur Studie nannte sie nicht, betonte aber, dass das Mietnomadentum ein ernstzunehmendes "Phänomen" sei. Jeder Mietnomade sei "einer zu viel". Voßhoff betonte in diesem Kontext nachdrücklich die enormen finanziellen Schäden, die so für Vermieter entstehen können.
Die CDU-Abgeordnete signalisierte der Opposition allerdings auch die Bereitschaft über die Details des Gesetzentwurfs zu diskutieren. Wie ihr Vorredner verwies sie auf eine öffentliche Anhörung des Rechtsausschusses am Montag, 15. Oktober 2012, ab 12 Uhr zum Thema Mietrecht, in der es "vielleicht sogar noch die ein oder andere Anregung" insgesamt gebe. "Details können wir im Beratungsverfahren gemeinsam erörtern", sagte Voßhoff abschließend.
Halina Wawzyniak, Rednerin der Fraktion Die Linke, zeigte sich sichtlich emotional. Einzelne Aspekte des Regierungsentwurfs nannte sie "absurd" und "eine Frechheit", für die ihr "nur noch unparlamentarische Begriffe" einfallen würden. Der Mieterbund spreche von "zahlreichen Mietverschlechterungen". Das Mietnomadentum sei nur ein Vorwand, ein "nicht vorhandenes Problem", das die Regierung lösen wolle. Das eigentliche Problem seien aber die Mietsteigerungen.
Mietnomaden seien per Definition Mieter, die bereits vor Vertragsunterzeichnung den Betrug vorsätzlich planen würden. "Sie jagen Phantome", warf Wawzyniak der Regierungskoalition vor. Bei Zahlungsunfähigkeit der Mieter sehe das neue Gesetz Ordnungsgeld und Ordnungshaft vor. "Sie stecken die Leute in den Knast", hielt sie den Initiatoren des Gesetzes entgegen.
Daniela Wagner (Bündnis 90/Die Grünen) warnte vor steigenden Mieten und den daraus resultierenden Konsequenzen: "30 bis 40 Prozent des Nettoeinkommens, das ist eindeutig zu viel." Bereits in absehbarer Zeit "werden wir eine Situation haben bis in die Mitte der Gesellschaft, dass sich die Menschen ihre Wohnung nicht mehr leisten können". Der Gesetzentwurf sei allerdings weder ein Gesamtkonzept, um derartigen Entwicklungen entgegenzuwirken, noch sei er ein Konzept, um die Energiewende voranzubringen.
"Ihr Förderchaos derzeit erzeugt nur Stillstand. Sie bauen Mieterrechte ab, verkürzen Mietminderungsrecht und Härtefallregelungen zu Ungunsten der Mieter", fasste Wagner ihre Kritikpunkte zusammen. Auch sie sprach die ortsüblichen Vergleichsmieten an. "Die Neuvertragsmieten von heute sind die Bestandsmieten von morgen", erklärte sie. Deshalb dürften Neuvertragsmieten bei maximal zehn Prozent über den ortsüblichen Vergleichsmieten liegen.
Der FDP-Politiker Stephan Thomae warb anschließend nochmals für den Gesetzentwurf der Bundesregierung und wies die Anträge von Grünen und der Linken entschieden zurück. "Wir schützen den redlichen, vertragstreuen Mieter, während Sie sich zum Anwalt von Chaoten machen" sagte Thomae und warf insbesondere der Linksfraktion vor, allen Mietern einen einheitlichen Lebensentwurf vorschreiben zu wollen, wenn sie fordere, dass die Miete maximal 30 Prozent des Nettoeinkommens ausmachen dürfe.
Denn, so argumentierte der FDP-Abgeordnete: "Jeder hat andere Ansprüche." Die Bürger hätten völlig unterschiedliche Lebensentwürfe. Der eine wolle einen großen Garten und würde dafür weniger verreisen, der andere nutze die Wohnung lediglich als Schlafstätte, und wieder andere würden sogar ihre gesamte Freizeit in der Wohnung verbringen. "Das nennen wir Eigenverantwortung", das sei persönliche Freiheit und das mache schließlich den Unterschied aus. (ver/27.09.2012)