Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2012
Bundeswehreinsatz in der Türkei, Verjährungsfristen von sexuellem Missbrauch, Maßnahmen gegen Mietpreissteigerungen – nur drei von insgesamt 86 Themen (17/11611), zu denen Abgeordnete des Bundestages Fragen für die Fragestunde am Mittwoch, 28. November 2012, eingereicht haben. Dr. Eva Högl (SPD), Mitglied im Rechtsausschuss, nimmt dann den Vorschlag der Europäischen Kommission für eine europaweite Frauenquote zum Anlass, sich zu erkundigen, wie die Bundesregierung den Anteil von Frauen in Führungspositionen "maßgeblich" erhöhen will. Warum die Zeit reif ist für eine europaweite Frauenquote, erklärt die Abgeordnete aus Berlin im Interview:
Frau Högl, nach dem Willen von EU-Justizkommissarin Viviane Reding sollen ab 2020 mindestens 40 Prozent der Posten in Aufsichtsräten großer europäischer Unternehmen mit Frauen besetzt werden – was halten Sie von dem Vorschlag für eine Richtlinie?
Ich finde den Vorschlag ausgezeichnet – ganz unabhängig von den Details. Allein dass Frau Reding eine Frauenquote für die großen, im europäischen Binnenmarkt tätigen Unternehmen angeht, ist hervorragend. Ich habe mich deshalb auch sehr gefreut, dass sie dafür im zweiten Anlauf eine Mehrheit in der Kommission bekommen hat. Jetzt drücke ich die Daumen, dass es auch eine Mehrheit im Europäischen Rat und im Parlament dafür gibt. Wir brauchen nämlich dringend eine Regelung für Frauen in Führungspositionen der Wirtschaft – nicht nur isoliert in einzelnen Mitgliedstaaten, sondern in ganz Europa. So werden die Unternehmen im europäischen Binnenmarkt gleich behandelt und Wettbewerbsverzerrungen verhindert.
Die Bundesregierung hat bislang abwehrend reagiert: Frauenministerin Kristina Schröder (CDU) kritisierte bereits die "Überregulierung". Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, das müsse auf nationaler Ebene geregelt werden. Warum haken Sie nun nach?
Weil ich es richtig finde, dass die Kommission aktiv wird, denn das Thema Repräsentanz von Frauen in Führungsgremien der Wirtschaft muss europaweit geregelt werden. Außerdem hat die Bundesregierung bis jetzt keine eigenen Konzepte vorgelegt. An Erkenntnisdefiziten kann das nicht liegen. Wir wissen seit Langem, dass es zu wenige Frauen in Führungspositionen gibt. 2001 hat die Bundesregierung mit der deutschen Wirtschaft eine Vereinbarung geschlossen, Frauen in Führungspositionen zu fördern. Doch heute, mehr als zehn Jahre später, hat sich kaum etwas verbessert. Deshalb bin ich der Auffassung, dass der Gesetzgeber gefragt ist – doch von der Bundesregierung kommt nichts. In der Fragestunde möchte ich deshalb wissen, wie sie auf den europäischen Vorschlag reagiert und welche Position sie im Europäischen Rat vertreten wird.
Was erwarten Sie als Antwort?
Ich gehe davon aus, dass sie den Vorstoß ablehnt. Es ist aber zu wenig, wenn man Vorschläge aus Brüssel – wie Ministerin Schröder – mit dem Argument der Überregulierung ablehnt. So kommt man nicht weiter. Ich wünsche mir von der Bundesregierung eine konstruktive Auseinandersetzung mit den Vorschlägen, die Frau Reding unterbreitet hat.
Die Frauenquote ist in der Koalition umstritten – die FDP lehnt eine gesetzliche Regelung ab, so auch die Kanzlerin. Wie aussichtsreich ist der Vorstoß aus Brüssel?
Ich hätte mir gewünscht, dass die Initiativen aus Deutschland kommen und wir nicht von Brüssel irgendwann gezwungen werden. Die Diskussion um die Besetzung des Direktoriums der Europäischen Zentralbank hat gezeigt, dass die Stimmung gut ist für mehr Frauen in Spitzenpositionen der Wirtschaft. Ich weiß zudem, dass einige Kolleginnen und Kollegen in der Unionsfraktion ebenfalls den Handlungsbedarf des Gesetzgebers sehen und wissen, dass unverbindliche Vorschläge und Plattitüden nicht ausreichen. Deshalb bin ich optimistisch, dass sich der Wind dreht und die CDU/CSU einsieht, dass wir gemeinsam vorwärts kommen müssen.
Wird sich noch etwas in dieser Legislaturperiode bewegen?
Ich hoffe, ja – und Druck aus Brüssel wird das vielleicht beschleunigen.
(sas/27.11.2012)