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Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert eröffnet am Dienstag, 15. Januar 2013, um 18 Uhr die Doppelausstellung "François Morellet figuratif – Gunda Förster konkret" und "François Morellet – Wandelbare Wand" im Kunst-Raum des Deutschen Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders-Haus in Berlin. Die erste Ausstellung ist im Kunst-Raum selbst, die zweite im benachbarten Mauer-Mahnmal zu sehen. Besichtigt werden kann die Doppelausstellung von Mittwoch, 16. Januar, bis Sonntag, 5. Mai 2013, jeweils dienstags bis sonntags zwischen 11 und 17 Uhr bei freiem Eintritt. Der Kunst-Raum des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses ist über die Freitreppe am Schiffbauerdamm (gegenüber dem Reichstagsgebäude) zugänglich.
Nach der Begrüßung durch den Bundestagspräsidenten gibt Dr. Andreas Kaernbach, Kurator der Kunstsammlung des Deutschen Bundestages, eine Einführung in die Ausstellung. Musikalisch umrahmt wird die Eröffnung von Cathrin Pfeifer am Akkordeon.
Der Franzose François Morellet, Jahrgang 1926, begann nach dem Krieg mit der Malerei und war von 1948 bis 1975 als Industrieller tätig. 1958 entstanden die ersten "trames", 1961 gründete er die "Groupe de Recherche d’Art Visuel" mit. Ein Jahr später folgten erste Arbeiten im Raum, 1963 erste Neon-Arbeiten, 1968 erste Wandinstallationen mit Klebeband, 1971 erste Installationen im öffentlichen Raum und 1973 erste Wandarbeiten aus der Reihe der sogenannten "tableaux déstabilisés".
1983 begann er mit seiner Serie "Géométrees", 1986 mit der Serie "Géométrie dans les spasmes" und 1988 mit der Serie "Défiguarations", ausgehend von bekannten gegenständlichen Gemälden. 1991 ging er zur bevorzugten Verwendung von Neonröhren auf Leinwänden über und realisierte Rauminstallationen und architekturbezogene Werke. Es folgten die Serien "Steel Life" und "Relâche" 1992 und die Installation der Fenster im Treppenaufgang Lefuel des "Musée du Louvre" in Paris.
François Morellet ist sind mit großen architekturbezogenen Installationen in den Parlamentsgebäuden vertreten: mit der zweiteiligen Neonarbeit "Haute et basse tension" in der Halle des Paul-Löbe- und des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses (1999).
Die Installation "Wandelbare Wand" oder "Une oeuvre parfumée" schuf Morellet für das Foyer der Dresdner Bank am Pariser Platz Nr. 6 in Berlin. Konzipiert wurde sie in Zusammenarbeit mit der "edition + galerie hoffmann" im hessischen Friedberg.
Im Mauer-Mahnmal wird nun durch großformatige Fotos auf die "Wandelbare Wand" verwiesen, die den Fall der Berliner Mauer thematisierte. An ihrem Platz im Gebäude Pariser Platz 6 verblieben, gehört sie heute der Allianz-Stiftung.
Für diese Installation hatte Morellet Kreissegmentformen in Orange auf die Rückseite und in Rot auf die Vorderseite aufgetragen. Die Wand ist Teil der Entrauchungsanlage. Ihre sechs Elemente sind drehbar und lassen, wenn sie quergestellt sind, Luft in den Raum strömen. Durch die unterschiedliche Kombination der Elemente ergeben sich wechselnde Anordnungen und acht unterschiedliche Kreissegmentbilder.
Die wechselnden Kombinationen der Formen von Vorder- und Rückseite wecken Assoziationen zur Öffnung der Mauer und zur fröhlichen Vielfalt de Begegnung von Ost und West: Spiel der Geometrie und Ernst der Geschichte finden einander in glücklicher Harmonie.
Die 1967 in Berlin geborene Künstlerin Gunda Förster studierte Bildende Kunst an der Hochschule der Künste und hatte von 2007 bis 2009 eine Gastprofessur an der Leibniz-Universität Hannover inne. Sie arbeitet mit vielen Medien: Fotografien, Videoarbeiten, großflächigen Farbarbeiten und Toninstallationen. In allen verwendet sie natürliches oder künstliches Licht als Gestaltungsmittel, das im Zusammenspiel mit Klängen, Farben und Bildern nicht nur visuelle, sondern auch körperliche Erfahrungen evozieren kann.
Vor allem für ihre Arbeiten im Architekturkontext inszeniert Gunda Förster Licht als ein transzendentes Medium, das geeignet ist, zwischen der Materie – dem Werk beziehungsweise der Raum, den es gestaltet – und der Imagination des Betrachters, seinen individuell geprägten Assoziationen und Erinnerungen, zu vermitteln.
Zu den neuesten Werken Gunda Försters gehört eine Installation für den Deutschen Bundestag: Der "Tunnel" ist eine Neonlichtinstallation, die Gunda Förster entwarf und als Wettbewerbssiegerin im Parlamentsgebäude Dorotheenstraße 65 in Berlin umsetzte.
Da der Tunnel ein unterirdischer Verbindungsgang zwischen zwei Parlamentsgebäuden ohne Tageslicht mit ungewöhnlich disproportionalen Maßen ist, war die Gestaltung eine besondere Herausforderung.
Ihre künstlerische Lösung bestand darin, diese selbst zum Thema zu machen: Hauptgestaltungsmittel des Tunnels sind sonnengelbe Neonlichtbögen, die in regel- aber nicht gleichmäßigen Abständen die gesamte Strecke des Tunnels gliedern. Durch die Anordnung der Lichtbögen entsteht so zunächst eine optische Verschiebung der Raummaße, durch die die Wahrnehmung von Höhe und Länge des Tunnels verändert werden.
In Kombination mit dem intensiv-goldenen Licht wird der Funktionsraum zu einem geheimnisvollen Weg, an dessen Ende für einen kurzen Moment nicht mehr der Übergang in ein anderes Parlamentsgebäude, sondern der Eingang zu einem geheimnisumwitterten imaginären Ort möglich scheint.
In der Ausstellung für den Kunst-Raum des Deutschen Bundestages nun schreitet Gunda Förster die Grenzen zwischen Materie und Imagination noch einmal radikaler aus. Im Obergeschoss des Ausstellungsraums arbeitet sie mit Glaskugeln – farblich unterschiedlich gestalteten "Murmeln", wie sie zumindest Erwachsene noch als Kinderspielzeug kennen.
Alles an ihnen ist deshalb Imagination: die Erinnerung an die eigene oder die Kindheit unserer Vorfahren, an die Spiele, die mit ihnen gespielt, die Tauschgeschäfte, die mit ihnen getätigt, die Wettbewerbe, die mit ihnen gewonnen oder verloren wurden.
Dabei zeigt Gunda Förster die Glaskugeln einmal als real zu nutzendes Spielfeld, einmal in geradezu sachlich anmutender Anordnung in verglasten Leuchtkästen, die einen direkten Zugriff verweigern. Im Unterschied zum Spielfeld sind viele Kugeln in den Leuchtkästen "blank", ihnen fehlt jede farbliche Fassung oder Verzierung.
Die Beziehung zwischen Raum und Objekt ist für Gunda Förster die Grundfrage ihrer künstlerischen Arbeit. Dabei rückt sie die poetischen Potenziale in den Mittelpunkt und definiert sie als eigentlichen Raum zwischen Ding und Betrachter. (kv/vom/09.01.2013)