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Erfahrungen in Sachen Politik hat Joanna Szymanska durchaus vorzuweisen. Seit 2004 engagiert sich die junge Polin für die Interessen der deutschen Minderheiten im Verband der deutschen Gesellschaften in Ermland und Masuren. Und musste dabei auch Widerstände innerhalb des eigenen Verbandes überwinden. "Die führenden Vertreter der alten ,Kaffee-und-Kuchen-Generation‘ haben uns Jüngere ausgegrenzt", erzählt Joanna Szymanska.
Dadurch habe sie sich gezwungen gesehen, "politisch zu agieren", um einen Machtwechsel von der alten zur jungen Generation zu erreichen. Ihr Bemühen war erfolgreich: "Inzwischen haben wir den Verband auf den Kopf gestellt", zeigt sie sich erfreut.
Derzeit kann sie aus nächster Nähe beobachten, wie im Deutschen Bundestag Politik gemacht wird. Noch bis Ende Juli absolviert die 27-Jährige ein Praktikum im Rahmen des Internationalen Parlaments-Stipendiums (IPS) im Büro des Grünen-Abgeordneten Harald Ebner.
Joanna Szymanskas Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit in Polen geht auf ihren Großvater mütterlicherseits zurück, der aus Ostpreußen stammt. "Das war aber in der Familie lange tabu", sagt sie. Erst mit 15 hat sie erfahren, dass sie der deutschen Minderheit angehört. "Damals habe ich noch kein Deutsch gesprochen", fügt sie hinzu.
Ein paar Jahre später fing sie an, Fragen zu stellen und sich für die deutsche Geschichte in Polen zu interessieren. "Damals wollte ich einen Doppelpass beantragen, fand es aber zu peinlich, dass ich kein Deutsch kann", erinnert sie sich.
Als 20-Jährige ging sie dann als Au-pair-Mädchen nach Österreich, und der Anfang war gemacht. Später studierte sie Germanistik – und gleichzeitig russische Philologie. Gefolgt von einem Studium der Interkulturellen Kommunikation und einem Europawissenschaftsstudium. Das klingt nicht nur umfangreich, sondern ist auch ziemlich breitgefächert. Für Joanna Szymanska, die auch in vielen verschiedenen Bereichen schon gearbeitet hat, ist es daher an der Zeit "mich zu fokussieren", wie sie selbst sagt.
Das IPS hilft ihr dabei. "Mir wird hier immer deutlicher, dass man nicht überall sein kann und eine Wahl treffen muss." Doch das ist nicht alles. Auch in Sachen Selbstorganisation wird die Polin vor Herausforderungen gestellt. "Ich bin ziemlich chaotisch", schätzt sie sich ein. Insofern ist das Protokollführen in mehrstündigen Sitzungen von Fraktion oder Ausschuss nicht gerade eine leichte Übung für sie.
Dazu kommt noch, dass die Schwerpunkte "ihres" Abgeordneten – Verkehrspolitik und Agrogentechnik – "nicht gerade meine Themen sind". Doch auch daraus zieht sie einen positiven Schluss: "Es ist gut, etwas Neues zu machen, weil man sich nicht einschränken darf." Und außerdem findet sie Verkehrspolitik inzwischen gar nicht mehr so uninteressant.
Was möglicherweise auch mit Harald Ebner und seinen Mitarbeitern zu tun hat. Als Nachrücker erst 2011 ins Parlament gekommen, ist der 48-Jährige aus Baden-Württemberg "frisch und unverbraucht", wie Joanna Szymanska sagt. "Er hat sehr viel Power und riesiges Interesse", betont sie. Und außerdem ist Grün auch ihre politische Farbe. "In Polen sind die Grünen aber nicht im Parlament", bedauert die 27-Jährige.
Auf ein Defizit an Demokratie in ihrer Heimat lässt dies jedoch nicht schließen, denn: "Wir haben eine funktionierende parlamentarische Demokratie", sagt Joanna Szymanska. Einen Nachholbedarf – wie bei manch anderem IPS-Teilnehmerland – sei daher nicht vorhanden, macht sie deutlich.
Insofern kann also vor allem sie persönlich von dem Praktikum profitieren, oder nicht? "Doch", sagt sie, "so war das auch gedacht." Schließlich sei sie hier oft in Kreisen unterwegs, "die für meine Zukunft wichtig sein können". Denn ein klares Ziel hat die Minderheiten-Expertin schon: "Ich möchte in Kasachstan ein polnisches Institut eröffnen."
Warum Kasachstan? "Weil es dort deutsche und polnische Minderheiten gibt und die Zivilgesellschaft nur schwach entwickelt ist", lautet die Antwort. Gerade mit Blick auf letzteren Punkt übt Joanna Szymanska Kritik an der Kasachstan-Politik Deutschlands.
Das Land werde als eine "Demokratie" angesehen, bemängelt sie. Diese – aus ihrer Sicht - falsche Einschätzung habe vor allem damit zu tun, dass Kasachstan, wirtschaftlich gesehen, ein perfekter Kooperationspartner sei. "Reich an Rohstoffen und billigen Arbeitskräften. Was kann man sich als Exportnation mehr wünschen?", sagt sie.
Joanna Szymanska weiß, dass sie bis zu einer eventuellen Institutseröffnung in Kasachstan noch viel zu lernen hat. Auch, sich unterzuordnen. "Bei meiner Tätigkeit als Projektmanagerin war ich immer auf mich gestellt und niemandem rechenschaftspflichtig", sagt sie. Hier im Bundestag müsse sie sich auch unterordnen, was für die ehrgeizige und ungeduldige 27-Jährige nicht immer einfach ist.
"Ich lerne hier, nicht immer zu denken: Ich habe recht und fertig, sondern auch andere Meinungen zu hören", sagt sie. "Es gibt Menschen, die wissen viel mehr als ich" räumt Joanna Szymanska ein. Was aber nun nicht unbedingt heißt, dass sie deren Ansichten auch zwingend übernimmt. "Wenn ich nach dem Zuhören der Meinung bin, ich habe immer noch recht, dann sage ich das auch", stellt sie selbstbewusst klar. (hau/06.05.2013)