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Die Opposition ist am Mittwoch, 5. Juni 2013, im Bundestag mit Vorstößen zur Streichung der sogenannten Optionspflicht im Staatsangehörigkeitsrecht gescheitert. In namentlicher Abstimmung lehnte das Parlament einen entsprechenden Gesetzentwurf der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (17/542) mit 307 gegen 267 Stimmen ab. Auch Anträge der SPD-Fraktion (17/7654), der Fraktion Die Linke (17/12185) und der Grünen (17/13488) zur Abschaffung des Optionsmodells fanden keine Mehrheit, wie dies auch der Innenausschuss empfohlen hatte (17/13312). Nach der Optionspflicht müssen sich hierzulande geborene Kinder ausländischer Eltern nach Erreichen der Volljährigkeit und spätestens bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres zwischen der deutschen Staatsangehörigkeit und der ihrer Eltern entscheiden.
Dem SPD-Antrag zufolge sollte zudem bei einer Einbürgerung nicht mehr die alte Staatsbürgerschaft aufgegeben werden müssen. Auch sollten die Einbürgerungsvoraussetzungen laut Vorlage erleichtert werden. Die Linksfraktion hatte sich in ihrem Antrag für umfassende Einbürgerungserleichterungen ausgesprochen und dafür plädiert, Mehrfachstaatsangehörigkeiten infolge einer Einbürgerung oder aufgrund der Geburt in Deutschland generell zu akzeptieren.
In der Debatte bezeichnete Grünen-Fraktionschefin Renate Künast die Optionspflicht als "politischen Fehler". Eine nachhaltige Integrationspolitik müsse dafür sorgen, dass Zuwanderer "schnellstmöglich Deutsche werden können und werden wollen". Man mache jedoch "geborene Deutsche zu Ausländer in ihrem eigenen Land".
Derzeit seien 300.000 junge Deutsche dem "Optionszwang" unterworfen, von denen 70 Prozent türkische Wurzeln hätten. Zwei Drittel aller Optionspflichtigen hätten gerne "den Doppelpass". Von einer Abschaffung der Optionspflicht werde am Ende ganz Deutschland profitieren.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann, verwies darauf, dass in Deutschland 15 Millionen Menschen lebten, "die entweder Einwanderer sind oder direkt von Einwanderern abstammen" und nicht länger "Bürger zweiter Klasse" sein dürften.
Seine Fraktion wolle die Einbürgerung erleichtern, die doppelte Staatsbürgerschaft ermöglichen und die "unwürdige Praxis des Optionszwanges" beenden. Ein Staatsangehörigkeitsrecht, das "aus Deutschen Ausländer macht", sei ein absurdes Staatsangehörigkeitsrecht. Zudem sei Deutschland auf Einwanderer angewiesen.
Für die Linksfraktion warf ihre Abgeordnete Sevim Dağdelen der Bundesregierung vor, nicht im Interesse der Jugendlichen mit Migrationshintergrund in Deutschland zu handeln. "Sie schaffen nicht die Rahmenbedingungen, in denen sich Menschen in Deutschland integrieren können".
Dağdelen sprach zugleich von einer "Türkenfeindlichkeit dieser Bundesregierung". Die "Quote der akzeptierten Mehrstaatigkeit bei Einbürgerungen" betrage bei nichttürkischen Staatsangehörigen etwa 59 Prozent, bei türkischen Staatsangehörigen dagegen nur 27 Prozent.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), hielt demgegenüber der Opposition vor, sie wolle die "deutsche Staatsbürgerschaft verramschen". Für die Union stehe die Einbürgerung dagegen am Ende eines gelungenen Integrationsprozesses und nicht am Anfang. Die Zahl der Einbürgerungen sei unter der amtierenden Bundesregierung auch ohne Absenkung der Einbürgerungsvoraussetzungen gestiegen.
Auch hätten sich mehr als 98 Prozent derer, die bislang der Optionspflicht nachgekommen seien, für die deutsche Staatsbürgerschaft ausgesprochen. Es sehe so aus, als sei das Optionsmodell eher ein Erfolgsmodell.
Der CDU-Parlamentarier Reinhard Grindel argumentierte, es gebe auch bei in Deutschland geborenen Kindern von Ausländer nicht die für einen Schulerfolg notwendige Sprachkompetenz.
Auch gebe es weniger Jugendliche mit Migrationshintergrund in Ausbildung als im Durchschnitt. Ihnen könnten Ausbildung, Sprachkenntnisse und Förderung helfen, "aber nicht die deutsche Staatsbürgerschaft, zumindest nicht allein".
Für die FDP-Fraktion verwies ihr Abgeordneter Hartfrid Wolff darauf, dass SPD und Grüne das Optionsmodell vor gut zehn Jahren selbst mit beschlossen hätten. Seine Fraktion sei durchaus bereit, über eine vermehrte Hinnahme der doppelten Staatsangehörigkeit nachzudenken.
Sie sei sich aber auch bewusst, dass nicht die Staatsangehörigkeit primär für den Erfolg von Zuwanderung und Integration entscheidend sei, sondern vor allem die persönliche und berufliche Perspektive der Zuwanderer. Die Liberalen wollten eine Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts, aber nicht "ohne Augenmaß".
Mit den Stimmen der CDU/CSU- und der FDP-Fraktion lehnte das Parlament auf Empfehlung des Innenausschusses (17/13299) zudem einen Gesetzentwurf der Grünen-Fraktion zur "Klarstellung des assoziationsrechtlichen Rechtsstatus Staatsangehöriger der Türkei im Aufenthalts-, Beschäftigungserlaubnis- und Beamtenrecht" (17/12193) ab.
Darin schrieb die Fraktion, der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) habe in mehr als 50 Entscheidungen festgestellt, dass die EU-Staaten den in der Union lebenden türkischen Staatsangehörigen "Rechte vorenthalten, wie sie sich aus dem Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei und den auf dieser Grundlage ergangenen Rechtsakten ergeben".
Ebenfalls keine Mehrheit fand ein weiterer Antrag der Linksfraktion (17/7373), dem zufolge die Bundesregierung die "Verschlechterungsverbote im Assoziationsrecht EWG-Türkei entsprechend der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes" umfassend umsetzen und gesetzlich verankern sollte. (sto/05.06.2013)