Navigationspfad: Startseite > Dokumente > Web- und Textarchiv > 2013
Zu einer letzten großen Auseinandersetzung über die schwarz-gelbe Gesundheitspolitik geriet am Donnerstag, 6. Juni 2013, die abschließende Debatte des Bundestags zu zwei Gesetzentwürfen der Koalition. Mit den Stimmen von Union und FDP verabschiedete der Bundestag mit den Stimmen der Koalition und der Linksfraktion bei Enthaltung von SPD und Grünen ein Gesetz zur Förderung der Sicherstellung des Notdienstes von Apotheken (17/13081).
Nach der Abstimmung über diesen Gesetzentwurf beantragte die Linksfraktion, die Beschlussfähigkeit des Bundestages feststellen zu lassen. Nach einem Hammelsprung sprachen sich 267 Abgeordnete bei einer Enthaltung dafür aus, den wortgleichen Gesetzentwurf der Bundesregierung (17/13403) für erledigt zu erklären. Dies reichte jedoch nicht aus, da mindestens 311 der 620 Abgeordneten hätten anwesend sein müssen, um die Beschlussfähigkeit zu gewährleisten.
Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Die Linke) hob daraufhin gemäß Geschäftsordnung des Bundestages die Plenarsitzung auf. Zur Abstimmung über den zweiten Gesetzentwurf zur dritten Änderung arzneimittelrechtlicher und anderer Vorschriften (17/13083, 17/13404, 17/13770) kam es daher nicht mehr.
In ihrer Rede betonte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Ulrike Flach (FDP), die sich gleichzeitig aus dem Bundestag verabschiedete, mit der pauschalen Vergütung für Apotheken, die einen Notdienst anbieten, werde die Arzneimittelversorung der Menschen "nachhaltig gestärkt".
Mit dem zweiten Gesetz werde zum einen die Arzneimittelsicherheit erhöht und dem Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) mehr Flexibilität bei der Auswahl zweckmäßiger Therapien gegeben.
Für die CDU/CSU betonte der Gesundheitspolitiker Michael Hennrich, man habe sich die Beratungen nicht leicht gemacht, auch weil man gewusst habe, dass von der Opposition der Vorwurf kommen werde, Schwarz-Gelb bediene die Interessen der Pharmaindustrie. Dabei habe die Koalition in den vergangenen vier Jahren 15 Milliarden Euro im Arzneimittelsektor eingespart.
Sein Kollege, der gesundheitspolitische Sprecher der Union Jens Spahn, sagte, es sei "nicht redlich", wenn die Opposition von milliardenschweren Geschenken an die Pharmaindustrie spreche. Die Menschen wüssten aber genau, dass neue, leistungsfähige Medikamente nur zu bekommen seien, wenn sie "angemessen honoriert" würden.
Die Opposition kritisierte mit deutlichen Worten den Ablauf der Beratungen: Sie habe erst kurz vor der Ausschusssitzung die Änderungsanträge der Koalition erhalten, diese seien in einer "Nacht- und Nebelaktion" erarbeitet worden, die "jede sachliche Auseinandersetzung" unterbunden habe, sagte die SPD-Gesundheitsexpertin Dr. Marlies Vollmer.
Es sei "skandalös", dass die Koalition kurz vor dem Ende der Legislatur die eigenen Bemühungen um eine Begrenzung der Arzneimittelpreise aushöhle. Dass dagegen nichts gegen Lieferengpässe bei bestimmten wichtigen Arzneimitteln getan werde und die Koalition dabei auf Freiwilligkeit setze, sei ein Fehler.
Für die Fraktion Die Linke kritisierte Kathrin Vogler vor allem die Neuregelungen zu den Vergleichstherapien. Die Industrie könne künftig selbst auswählen, gegen welche vorhandenen Therapien sich ihre neuen Medikamente bewähren müssten. Damit habe Schwarz-Gelb den Pharmakonzernen "gezeigt, wo sie am 22. September ihre Kreuzchen machen" müssten.
Vogler kritisierte zudem, dass die Presse über die Änderungen früher Bescheid gewusst habe, als die Mitglieder des Gesundheitsausschusses. Lob fand Volger dagegen für das Gesetz zur Sicherstellung des Apothekennotdienstes: Das gewählte Finanzierungsmodell sei zwar "unnötig kompliziert und bürokratisch", grundsätzlich aber begrüße ihre Fraktion, dass Notdienste der Apotheken vergütet und damit vor allem Apotheken auf dem Land gestärkt würden.
Für Bündnis 90/Die Grünen widersprach die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion, Birgitt Bender, einigen Ausführungen Voglers: Es sei eben nicht möglich, dass sich die Pharmaunternehmen "Vergleichstherapien pflücken können, wie sie wollen". Vielmehr lege nach wie vor der GBA zweckmäßige Vergleichstherapien fest, unter denen die Hersteller dann auswählen könnten. Dies sei "durchaus diskutabel".
Ihre Fraktion werde sich daher enthalten. Kritik übte Bender am Zustandekommen des Apothekennotdienstsicherstellungsgesetzes. Dies sei "Gesetzgebung im Blindflug", weil überhaupt nur aus zwei Bundesländern Zahlen zu den Notdiensten vorliegen würden. (suk/06.06.2013)