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Bereits im Januar 2013 hat die Bundestagsverwaltung ihre Europa-Expertise in einer neuen Organisationsstruktur gebündelt und mit Personal verstärkt. In der "Unterabteilung Europa" stehen nun zum Beginn der neuen Legislaturperiode insgesamt 64 Mitarbeiter unter der Leitung von Dr. Sven Vollrath bereit, um das Parlament dabei zu unterstützen, seine Rechte und Aufgaben im Bereich der europäischen Rechtsetzung wahrzunehmen.
Mehr Rechte bedeuten meist auch mehr Pflichten – und mehr Arbeit. Das gilt auch für den Bundestag: Der Vertrag von Lissabon, mit dem die Europäische Union zum 1. Dezember 2009 institutionell reformiert wurde, stärkt die Beteiligungsrechte der nationalen Parlamente – und damit auch die des Bundestages in Rechtsetzungs- und Vertragsveränderungsverfahren der EU.
Der Zuwachs an Einfluss blieb jedoch nicht ohne Folgen: Die Themenvielfalt, mit der sich der Bundestag seither befasst, ist enorm gestiegen – ebenso wie die Zahl der EU-Dokumente zu denen die Abgeordneten Stellung nehmen müssen. 25.000 Dokumente in EU-Angelengen erreichen das Parlament inzwischen jedes Jahr, darunter Dokumente der europäischen Institutionen (etwa Richtlinien, Verordnungen oder Grünbücher), Unterrichtungen der Bundesregierung aber auch Dokumente zu europäischen Rechtsstreitigkeiten.
Eine eindrucksvolle Anzahl. Zum Vergleich: "Nur" 10.000 Drucksachen produzierte der Bundestag in der gesamten vergangenen Legislaturperiode.
Angesichts dieser Dokumentenflut hat die Bundestagsverwaltung reagiert und im Januar 2013 eine neue Unterabteilung Europa ins Leben gerufen, in der sie die vorhandene Europa-Expertise bündelt und durch zusätzliche Mitarbeiter verstärkt.
Ein sinnvoller Schritt, so Dr. Sven Vollrath, der die Unterabteilung in den vergangenen Monaten aufgebaut hat und nun leitet. Denn schließlich sei es notwendig, dass die Abgeordneten trotz der Fülle von Themen und Vorhaben den Überblick behalten: "Der Bundestag kann sich nicht um jedes Thema in gleicher Weise kümmern. Deshalb ist es unsere Aufgabe, Fraktionen und Ausschüsse dabei zu unterstützen, frühzeitig herauszufiltern, welches Thema wichtig wird. Es geht darum, Prioritäten zu setzen."
Diese Filterfunktion übernehmen insbesondere die neuen Referate PE2 und PE3. Jede der 1.200 EU-Vorlagen, die die Mitwirkungsrechte des Parlaments berühren, wird hier vorgeprüft, ob sie zur weiteren Beratung in die Ausschüsse überwiesen werden muss oder nicht. Für die Vorlagen, welche überwiesen werden, erstellen die insgesamt 21 Mitarbeiter sogenannte Priorisierungsvorschläge.
"Darin fassen wir kurz und knapp auf einer Seite zusammen, worum es bei der Vorlage geht, was daran wichtig ist, welchen Regelungsinhalt sie hat und welche Ziele damit verfolgt werden", erläutert Vollrath. Anschließend werden die Priorisierungsvorschläge den für die Ausschüsse zuständigen Fraktionsreferenten zugeleitet, damit die Fraktionen über die endgültige Überweisung entscheiden können.
Hier ist aber die Arbeit der Referatsmitarbeiter längst noch nicht beendet: "Die Themen, die von den Fraktionen als beratungsrelevant eingestuft wurden, werden von uns weiter begleitet – zum Beispiel geben wir Hinweise, wann es sinnvoll ist, EU-Vorlagen auf die Tagesordnung der Ausschüsse setzen." Zusätzlich liefern die Referate zusätzliche Informationen zu den Vorlagen, "Sachstände" genannt.
Diese Unterstützung der Ausschüsse sei gerade deshalb wichtig, da der europäische Rechtsetzungsprozess anders ablaufe als die Gesetzgebung des Bundestages: "Wenn die europäische Gesetzgebung schnell ist, dauert sie ein Jahr. Läuft sie langsam, kann sie sich aber schon mal drei bis vier Jahre hinziehen. Darum gilt es, die Themen auf dem Radar zu behalten und festzustellen, wann sich etwas ändert, damit sich der Bundestag gegebenenfalls erneut damit befassen kann.
Zu Beginn des Jahres erstellen die Referate zudem sogenannte EU-Vorschauen, in denen sie für jeden Politikbereich und jeden Ausschuss auflisten, welche Themen im Laufe des Jahres anstehen. "Das hilft, schon frühzeitig ein Gespür für die wichtigen Themen zu bekommen und danach die Tagesordnungen in den Ausschüssen auszurichten", so Vollrath.
Die Mitarbeiter der Referate unterstützen zudem fachlich EU-bezogene Ausschussreisen sowie interparlamentarische Treffen und prüfen EU-Vorhaben auf die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes, wonach die EU nur das regeln soll, was nationalstaatlich nicht befriedigend geregelt werden kann. "Das allerdings macht nur einen kleinen Teil unserer Arbeit aus", erklärt Vollrath.
Ebenfalls neu ist das Referat PE5 Europa-Dokumentation. Seine 20 Mitarbeiter sorgen dafür, dass in der Papierflut nichts verloren geht und immer auffindbar bleibt: "25.000 Dokumente pro Jahr müssen schließlich verwaltet und thematisch zusammengeführt werden", erklärt Vollrath.
Das übernimmt die Datenbank EuDoX, welche seine Mitarbeiter gemeinsam mit den IT-Spezialisten des Bundestages konzipiert und programmiert haben. "Eigentlich ist es schon keine Datenbank mehr, sondern ein Informationssystem", sagt Vollrath. Und fügt stolz hinzu: "Eines der modernsten – wenn nicht sogar das modernste dieser Art in Europa."
Ob Tagesordnungen zu Gipfeln oder interparlamentarischen Treffen, Vorlagen, Unterrichtungen oder "Drahtberichte", wie die Ergebnisprotokolle der "Ratsarbeitsgruppen", der Vorbereitungsgremien für die Ministerräte genannt werden – inzwischen rund 100.000 Dokumente sind hier gespeichert, die sich über Dokumentennummer, Schlagwörter oder Dossiertyp suchen lassen.
Ausschüsse finden hier gebündelt alle wichtigen Dokumente und Vorhaben für ihre Politikbereiche; Mitarbeiter von Abgeordnetenbüros können sich Dossiers und sogar Sprechzettel zu einem bestimmten Thema herunterladen. Auch Newsletter lassen sich zu jedem Thema bestellen: "Nehmen wir mal an, ich bin Berichterstatter für die Tabakrichtlinie, dann bekomme ich jedes Mal einen Hinweis, wenn ein neues Dokument dazu in der Datenbank eingegangen ist", erläutert Vollrath.
Unterstützung für die einzelnen Abgeordneten bietet zudem das Referat PE6, dessen sieben Mitarbeiter individuelle Aufträge übernehmen oder Gutachten zu europarechtlichen Fragen erstellen. Daneben informieren sie in den öffentlichen Schriftenreihen "Aktueller Begriff" und "Europa-Thema" regelmäßig über aktuelle Fragen.
Diese vier neuen Referate ergänzen nun in der Unterabteilung das Sekretariat des "Ausschusses für die Angelegenheiten der Europäischen Union", der zu den vier verfassungsrechtlich verankerten ständigen Ausschüssen des Bundestages gehört, sowie das Verbindungsbüro des Bundestages bei der EU.
Diese Außenstelle des Parlaments in Brüssel besteht bereits seit 2007 und fungiert als eine Art "Frühwarnsystem" für die Vorgänge und Entscheidungen auf europäischer Ebene. Die Bündelung in einer Unterabteilung sieht Vollrath als großen Vorteil: "Alle Referate, die sich mit Europa befassen, wurden nun in einer Organisationsstruktur zusammengeführt. Das erleichtert den Informationsaustausch und lässt uns effizienter arbeiten."
Analyse und Politikberatung – das sind die zwei Stichworte, mit denen er diese Arbeit grob umreißt. "Vor allem verstehen wir uns als Dienstleister für das Parlament ", sagt er über sich und seine Mitarbeiter, zu denen längst nicht nur Europarechtler, sondern auch Politikwissenschaftler und Volkswirte gehören.
Vollrath selbst ist ebenfalls kein Jurist, sondern Historiker. Jetzt, zu Beginn der neuen Legislaturperiode, in der etwa ein Drittel der Abgeordneten zum ersten Mal in den Bundestag eingezogen ist, geht es für ihn und seine Mitarbeiter vor allem um eines: informieren, informieren, informieren. "Wir werden viele Schulungen anbieten, um zu vermitteln, welche wichtige Rolle Europa spielt und wie die europäische Gesetzgebung abläuft, damit der Bundestag seine Aufgabe wahrnehmen kann, diese zu beeinflussen." (sas/05.12.2013)